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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Wände und geräumigen Verhältnisse selbst der Augustwärme nur mäßige Ein¬
wirkung gestatteten, ergoß sie sich in eine Flut von Klagen über seine indifferente
Haltung,

Sie erinnerte ihn an den Zweck ihres Hierseins, sie hob alle Gründe wieder
hervor, welche es notwendig machten, die Verbindung mit der Erbin der Sextus
zu sichern. Sie erklärte den Charakter des Barons, die Besonderheiten Doro-
theens und machte dem Sohne Vorwürfe, daß er es so wenig verstehe, sich den
Eigentümlichkeiten beider anzupassen. Endlich tadelte sie seine gefällige Weich¬
heit gegenüber dritten Personen und betonte mit großer Heftigkeit sein Benehmen
gegen Eberhardt.

Es wäre zum Lachen gewesen, sagte sie, dich zu sehen, wie du auf der
einen Seite Dorvtheens friedlich dahinschlendertest, während jener Intrigant aus
der andern Seite ging, es wäre zum Lachen gewesen, wenn es nicht ein so
niederschlagender Anblick für mich gewesen wäre. Und noch mehr: mir wagtest
du eine Vorstellung darüber zu macheu, daß ich den Menschen behandelte, wie
er es verdient. Dietrich! Hast du denn nur keine Augen? Du willst ein
Diplomat sein? Wenn du dich nicht durchaus änderst, wirst du niemals in
dieser Karriere Ehre einlegen. Es wird dich ein jeder an der Nase herumführen,
der seinen Borten darin findet. Hast dn denn nicht bemerkt, daß dieser Herr
Eschenburg auf einem vortrefflichen Fuße mit Dorothea steht? Er ist klüger als
du, mein Sohn. Er kennt sein Spiel. Er ist ein unternehmender Mann, der
den Preis, um den es sich handelt, zu schätzen weiß und seine Schritte sicher
leitet. Ich müßte mich sehr täuschen, oder er hat mit seiner schlauen, verführe¬
rischen Manier, mit diesem Anstrich idealen Schwunges, der so bestechend für
dies Mädchen ist, festen Fuß in ihrer Neigung gefaßt. Er ist imstande, dir die
Beute vor der Nase wegzuschnappen. Irre dich nicht in diesem Mädchen! Sie
hat einen eisernen Kopf, und sie ist nicht dumm.

Dietrich hörte ihren Vorstellungen mit großer Unzufriedenheit zu. Er
hatte sich in einen Lehnstuhl geworfen, zog die Finger seiner Handschuhe lang,'
und sagte, als die Gräfin geendet hatte, mit zuckender Lippe: Wenn das wirk¬
lich so ist, wie du meinst, Mama, so muß ich dir sagen, daß ich alle Lust zu
dieser Geschichte verliere. Ich werde meine Koffer packen lassen und wieder nach
Paris gehen.

Undankbarer! rief die Gräfin, vor ihn hintretend und ihn mit zornblitzenden
Augen messend. Schwächling! Was wagst du mir zu sagen?

Ich sage, daß ich keine Neigung verspüre, hier den gehorsamen Diener und
Dorothea gegenüber den Popanz zu spielen. Dafür halte ich mich zu gut.
Liebt sie jemand anders -- meinetwegen! Mir fällt es nicht ein, ein Mädchen
heiraten zu wollen, welches nur dem Zwange gehorchen würde. Ich danke für
eine Frau, welche mich nicht liebt. Mir ist der Gedanke des Heiratens an
und für sich schon nicht erfreulich, aber ehe ich mich mit einer Frau zu-


Die Grafen von Altenschwerdt.

Wände und geräumigen Verhältnisse selbst der Augustwärme nur mäßige Ein¬
wirkung gestatteten, ergoß sie sich in eine Flut von Klagen über seine indifferente
Haltung,

Sie erinnerte ihn an den Zweck ihres Hierseins, sie hob alle Gründe wieder
hervor, welche es notwendig machten, die Verbindung mit der Erbin der Sextus
zu sichern. Sie erklärte den Charakter des Barons, die Besonderheiten Doro-
theens und machte dem Sohne Vorwürfe, daß er es so wenig verstehe, sich den
Eigentümlichkeiten beider anzupassen. Endlich tadelte sie seine gefällige Weich¬
heit gegenüber dritten Personen und betonte mit großer Heftigkeit sein Benehmen
gegen Eberhardt.

Es wäre zum Lachen gewesen, sagte sie, dich zu sehen, wie du auf der
einen Seite Dorvtheens friedlich dahinschlendertest, während jener Intrigant aus
der andern Seite ging, es wäre zum Lachen gewesen, wenn es nicht ein so
niederschlagender Anblick für mich gewesen wäre. Und noch mehr: mir wagtest
du eine Vorstellung darüber zu macheu, daß ich den Menschen behandelte, wie
er es verdient. Dietrich! Hast du denn nur keine Augen? Du willst ein
Diplomat sein? Wenn du dich nicht durchaus änderst, wirst du niemals in
dieser Karriere Ehre einlegen. Es wird dich ein jeder an der Nase herumführen,
der seinen Borten darin findet. Hast dn denn nicht bemerkt, daß dieser Herr
Eschenburg auf einem vortrefflichen Fuße mit Dorothea steht? Er ist klüger als
du, mein Sohn. Er kennt sein Spiel. Er ist ein unternehmender Mann, der
den Preis, um den es sich handelt, zu schätzen weiß und seine Schritte sicher
leitet. Ich müßte mich sehr täuschen, oder er hat mit seiner schlauen, verführe¬
rischen Manier, mit diesem Anstrich idealen Schwunges, der so bestechend für
dies Mädchen ist, festen Fuß in ihrer Neigung gefaßt. Er ist imstande, dir die
Beute vor der Nase wegzuschnappen. Irre dich nicht in diesem Mädchen! Sie
hat einen eisernen Kopf, und sie ist nicht dumm.

Dietrich hörte ihren Vorstellungen mit großer Unzufriedenheit zu. Er
hatte sich in einen Lehnstuhl geworfen, zog die Finger seiner Handschuhe lang,'
und sagte, als die Gräfin geendet hatte, mit zuckender Lippe: Wenn das wirk¬
lich so ist, wie du meinst, Mama, so muß ich dir sagen, daß ich alle Lust zu
dieser Geschichte verliere. Ich werde meine Koffer packen lassen und wieder nach
Paris gehen.

Undankbarer! rief die Gräfin, vor ihn hintretend und ihn mit zornblitzenden
Augen messend. Schwächling! Was wagst du mir zu sagen?

Ich sage, daß ich keine Neigung verspüre, hier den gehorsamen Diener und
Dorothea gegenüber den Popanz zu spielen. Dafür halte ich mich zu gut.
Liebt sie jemand anders — meinetwegen! Mir fällt es nicht ein, ein Mädchen
heiraten zu wollen, welches nur dem Zwange gehorchen würde. Ich danke für
eine Frau, welche mich nicht liebt. Mir ist der Gedanke des Heiratens an
und für sich schon nicht erfreulich, aber ehe ich mich mit einer Frau zu-


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[0325] Die Grafen von Altenschwerdt. Wände und geräumigen Verhältnisse selbst der Augustwärme nur mäßige Ein¬ wirkung gestatteten, ergoß sie sich in eine Flut von Klagen über seine indifferente Haltung, Sie erinnerte ihn an den Zweck ihres Hierseins, sie hob alle Gründe wieder hervor, welche es notwendig machten, die Verbindung mit der Erbin der Sextus zu sichern. Sie erklärte den Charakter des Barons, die Besonderheiten Doro- theens und machte dem Sohne Vorwürfe, daß er es so wenig verstehe, sich den Eigentümlichkeiten beider anzupassen. Endlich tadelte sie seine gefällige Weich¬ heit gegenüber dritten Personen und betonte mit großer Heftigkeit sein Benehmen gegen Eberhardt. Es wäre zum Lachen gewesen, sagte sie, dich zu sehen, wie du auf der einen Seite Dorvtheens friedlich dahinschlendertest, während jener Intrigant aus der andern Seite ging, es wäre zum Lachen gewesen, wenn es nicht ein so niederschlagender Anblick für mich gewesen wäre. Und noch mehr: mir wagtest du eine Vorstellung darüber zu macheu, daß ich den Menschen behandelte, wie er es verdient. Dietrich! Hast du denn nur keine Augen? Du willst ein Diplomat sein? Wenn du dich nicht durchaus änderst, wirst du niemals in dieser Karriere Ehre einlegen. Es wird dich ein jeder an der Nase herumführen, der seinen Borten darin findet. Hast dn denn nicht bemerkt, daß dieser Herr Eschenburg auf einem vortrefflichen Fuße mit Dorothea steht? Er ist klüger als du, mein Sohn. Er kennt sein Spiel. Er ist ein unternehmender Mann, der den Preis, um den es sich handelt, zu schätzen weiß und seine Schritte sicher leitet. Ich müßte mich sehr täuschen, oder er hat mit seiner schlauen, verführe¬ rischen Manier, mit diesem Anstrich idealen Schwunges, der so bestechend für dies Mädchen ist, festen Fuß in ihrer Neigung gefaßt. Er ist imstande, dir die Beute vor der Nase wegzuschnappen. Irre dich nicht in diesem Mädchen! Sie hat einen eisernen Kopf, und sie ist nicht dumm. Dietrich hörte ihren Vorstellungen mit großer Unzufriedenheit zu. Er hatte sich in einen Lehnstuhl geworfen, zog die Finger seiner Handschuhe lang,' und sagte, als die Gräfin geendet hatte, mit zuckender Lippe: Wenn das wirk¬ lich so ist, wie du meinst, Mama, so muß ich dir sagen, daß ich alle Lust zu dieser Geschichte verliere. Ich werde meine Koffer packen lassen und wieder nach Paris gehen. Undankbarer! rief die Gräfin, vor ihn hintretend und ihn mit zornblitzenden Augen messend. Schwächling! Was wagst du mir zu sagen? Ich sage, daß ich keine Neigung verspüre, hier den gehorsamen Diener und Dorothea gegenüber den Popanz zu spielen. Dafür halte ich mich zu gut. Liebt sie jemand anders — meinetwegen! Mir fällt es nicht ein, ein Mädchen heiraten zu wollen, welches nur dem Zwange gehorchen würde. Ich danke für eine Frau, welche mich nicht liebt. Mir ist der Gedanke des Heiratens an und für sich schon nicht erfreulich, aber ehe ich mich mit einer Frau zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/325>, abgerufen am 01.07.2024.