Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Die Grafen von Altcuschwerdt. selbst ausgefragt, hatte der Mann, um der Anzeige zu entgehen, eingestanden, Auf der andern Seite war er durch die glühendste Liebe an Dorothea ge¬ Und hatte er wirklich das Recht, in seiner, Dorvtheens unwürdigen Stel¬ Dieser innere Kampf, welcher schon mit der ersten Erkenntnis seines Her¬ Doch in dieser Not kehrte Eberhardts schweifender Geist immer wieder wie Die Grafen von Altcuschwerdt. selbst ausgefragt, hatte der Mann, um der Anzeige zu entgehen, eingestanden, Auf der andern Seite war er durch die glühendste Liebe an Dorothea ge¬ Und hatte er wirklich das Recht, in seiner, Dorvtheens unwürdigen Stel¬ Dieser innere Kampf, welcher schon mit der ersten Erkenntnis seines Her¬ Doch in dieser Not kehrte Eberhardts schweifender Geist immer wieder wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153067"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altcuschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1251" prev="#ID_1250"> selbst ausgefragt, hatte der Mann, um der Anzeige zu entgehen, eingestanden,<lb/> daß ihn eine vornehme Dame zu dem Dicbstcchl verleitet habe. Eberhardt war<lb/> erstaunt über das wahnsinnige Beginnen der Gräfin und entsetzt über ihre Bos¬<lb/> heit. Dieser Angriff hätte ihn beinahe veranlaßt, von seinem Vorsatze abzu¬<lb/> gehen und nunmehr seine Rechte geltend zu machen; dennoch siegte wieder die<lb/> Güte seines Herzens.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252"> Auf der andern Seite war er durch die glühendste Liebe an Dorothea ge¬<lb/> fesselt, kannte kein höheres Ziel seines Strebens als ihren Besitz, und mußte<lb/> sich doch sagen, daß er in seiner jetzigen Stellung als Bürgerlicher, als unbe-<lb/> kannter Künstler gegenüber dem reichen und auf seine Familie stolzen Baron<lb/> in der ungünstigsten Lage war. Konnte er es wagen, den Edelmann um die<lb/> Hand seiner einzigen Tochter zu bitten? Setzte er nicht sein eignes Glück und<lb/> das Glück der Geliebten aufs Spiel, wenn er Eberhardt Eschenburg blieb?<lb/> Zuweilen wohl gab er sich der Idee hin, daß Dorothea in ihrer aufopfernden<lb/> Liebe zu ihm vermöge ihres edeln und festen Charakters es ihrem Vater gegen¬<lb/> über durchsetzen und diesen dahin bringen werde, daß er Rang und Stand und<lb/> Vermögen übersähe und dem Herzenstriebe der Tochter hintansetze, aber nur in<lb/> Augenblicken hochgehender Hoffnung schwang er sich zu solchen Gedanken auf.<lb/> In kühlern Stunden sah er trostlos auf den gewaltigen Unterschied der sozialen<lb/> Stellung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1253"> Und hatte er wirklich das Recht, in seiner, Dorvtheens unwürdigen Stel¬<lb/> lung zu bleiben? Wenn er sein eignes Glück der Treue gegen seine Mutter<lb/> opfern durfte — war es ihm gestattet, auch das Glück Dorotheens zu opfern?<lb/> Wenn es gewiß war, daß die Bewahrung seines Geheimnisses ein unübersteig-<lb/> liches Hindernis der Verbindung mit der Geliebten war, blieb da seine Zurück¬<lb/> haltung noch eine Tugend?</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Dieser innere Kampf, welcher schon mit der ersten Erkenntnis seines Her¬<lb/> zens begonnen hatte, war in seiner Schärfe durch die Ereignisse der letzten Tage<lb/> in hohem Maße gesteigert. Die Beobachtungen, welche er in Schloß Eichhausen<lb/> bei seinem Zusammensein mit den Altenschwerdts gemacht hatte, ließen ihn den<lb/> wahren Zusammenhang vermuten und zeigten seinem durch eifersüchtige Liebe<lb/> geschärften Blick den Plan der Verbindung seines Bruders mit der Geliebten.<lb/> Der Brief Dorotheens, welchen er am andern Tage bei seiner Zurückkunft von<lb/> Fischbeck vorfand, bewies ihm, daß die Gräfin auf der Stelle angefangen habe,<lb/> sein Ansehen in Eichhausen und seine Freundschaft mit dem Baron zu unter¬<lb/> graben. Konnte er nun immer noch einem Versprechen und Vorsatz treu bleiben,<lb/> die unter so bewandten Umstände,: vielleicht im Charakter eines Don Quixote<lb/> lagen, aber nicht mehr eines vernünftigen Mannes würdig waren?</p><lb/> <p xml:id="ID_1255" next="#ID_1256"> Doch in dieser Not kehrte Eberhardts schweifender Geist immer wieder wie<lb/> zu einem festen Anhaltspunkt und einer unerschütterlichen Stütze zu dem Grund¬<lb/> satze seines Lebens zurück: um keine Folgen besorgt zu sein, wo es sich um das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Die Grafen von Altcuschwerdt.
selbst ausgefragt, hatte der Mann, um der Anzeige zu entgehen, eingestanden,
daß ihn eine vornehme Dame zu dem Dicbstcchl verleitet habe. Eberhardt war
erstaunt über das wahnsinnige Beginnen der Gräfin und entsetzt über ihre Bos¬
heit. Dieser Angriff hätte ihn beinahe veranlaßt, von seinem Vorsatze abzu¬
gehen und nunmehr seine Rechte geltend zu machen; dennoch siegte wieder die
Güte seines Herzens.
Auf der andern Seite war er durch die glühendste Liebe an Dorothea ge¬
fesselt, kannte kein höheres Ziel seines Strebens als ihren Besitz, und mußte
sich doch sagen, daß er in seiner jetzigen Stellung als Bürgerlicher, als unbe-
kannter Künstler gegenüber dem reichen und auf seine Familie stolzen Baron
in der ungünstigsten Lage war. Konnte er es wagen, den Edelmann um die
Hand seiner einzigen Tochter zu bitten? Setzte er nicht sein eignes Glück und
das Glück der Geliebten aufs Spiel, wenn er Eberhardt Eschenburg blieb?
Zuweilen wohl gab er sich der Idee hin, daß Dorothea in ihrer aufopfernden
Liebe zu ihm vermöge ihres edeln und festen Charakters es ihrem Vater gegen¬
über durchsetzen und diesen dahin bringen werde, daß er Rang und Stand und
Vermögen übersähe und dem Herzenstriebe der Tochter hintansetze, aber nur in
Augenblicken hochgehender Hoffnung schwang er sich zu solchen Gedanken auf.
In kühlern Stunden sah er trostlos auf den gewaltigen Unterschied der sozialen
Stellung.
Und hatte er wirklich das Recht, in seiner, Dorvtheens unwürdigen Stel¬
lung zu bleiben? Wenn er sein eignes Glück der Treue gegen seine Mutter
opfern durfte — war es ihm gestattet, auch das Glück Dorotheens zu opfern?
Wenn es gewiß war, daß die Bewahrung seines Geheimnisses ein unübersteig-
liches Hindernis der Verbindung mit der Geliebten war, blieb da seine Zurück¬
haltung noch eine Tugend?
Dieser innere Kampf, welcher schon mit der ersten Erkenntnis seines Her¬
zens begonnen hatte, war in seiner Schärfe durch die Ereignisse der letzten Tage
in hohem Maße gesteigert. Die Beobachtungen, welche er in Schloß Eichhausen
bei seinem Zusammensein mit den Altenschwerdts gemacht hatte, ließen ihn den
wahren Zusammenhang vermuten und zeigten seinem durch eifersüchtige Liebe
geschärften Blick den Plan der Verbindung seines Bruders mit der Geliebten.
Der Brief Dorotheens, welchen er am andern Tage bei seiner Zurückkunft von
Fischbeck vorfand, bewies ihm, daß die Gräfin auf der Stelle angefangen habe,
sein Ansehen in Eichhausen und seine Freundschaft mit dem Baron zu unter¬
graben. Konnte er nun immer noch einem Versprechen und Vorsatz treu bleiben,
die unter so bewandten Umstände,: vielleicht im Charakter eines Don Quixote
lagen, aber nicht mehr eines vernünftigen Mannes würdig waren?
Doch in dieser Not kehrte Eberhardts schweifender Geist immer wieder wie
zu einem festen Anhaltspunkt und einer unerschütterlichen Stütze zu dem Grund¬
satze seines Lebens zurück: um keine Folgen besorgt zu sein, wo es sich um das
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