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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

gebilligten Annexion aber, welches man zitirt, zeigt recht deutlich die Eifersucht
und Nebenbuhlerschaft, welche die englische Kolonialpolitik den Franzosen gegen¬
über beseelt. "Ein unternehmender junger Seeoffizier entriß vor einigen Jahren
die Insel Perim (am persischen Meerbusen) den Klauen einer drohenden Besitz¬
nahme durch Fremde, indem er den Vorsprung einiger Stunden, der ihm von
Aden her gewährt war, dazu benutzte, um den französischen Wettbewerber mit
dem bereits als Zeichen des Besitzes aufgepflanzten Union Jeck zu empfangen."

Ein Blick auf Neuguinea mag schließlich zeigen, was England sich bei dieser
Gelegenheit wieder einmal zu Gemüte geführt hat. Dasselbe besteht aus einer
sehr großen Insel und mehreren kleinen und nimmt eine Flüche von etwa 13000
Quadratmeilen ein, ist also weit größer als Madagaskar. Die Hauptinsel wird
durch den Torressund von Australien und durch die Dampierstraße von Neu¬
britannien getrennt. Das Innere ist noch wenig bekannt, und dasselbe gilt von
einem beträchtlichen Teile der Küsten, wo Sümpfe und dichte Wälder das Vor¬
dringen von Reisenden erschweren. Der westliche Teil des Landes bildet eine
Halbinsel, die den Namen Worin führt und durch den Maclure-Golf in zwei
Hälften geschieden wird. Hier erhebt sich das Gebirge Arfak bis zur Höhe von
2900 Metern. Im östlichen Hauptlande giebt es Gipfel, die mit ewigem Schnee
bedeckt sind, und an der Nordküste steigt die Kette der Finisterreberge bis zu
4000 Metern an. Die Ebene und die Vorberge werden fast durchgehends von
dichten, feuchten Urwäldern beschattet, welche mit ihren Gewinden von Schling¬
pflanzen kaum einen Sonnenstrahl bis zum Boden dringen lassen. Der Cha¬
rakter der Flora des Landes ist derjenige, dem man auf den Molukken begegnet,
nur an der Südküste treten australische Formen, wie Akazien und Eukalypten,
ans. Auch die Fauna hat teils indischen, teils australischen Typus. Von
größern Säugetieren ist nur das Beuteltier vorhanden, dagegen ist die Vogel¬
welt hier sehr reich entwickelt. Die herrschenden Winde sind die indischen Mon-
sune, die indeß hier nicht mit derselben Regelmäßigkeit wehen wie in den Ge¬
wässern Indiens. Das Klima ist sehr heiß, dabei feucht und an vielen Orten
für Europäer ungesund.

Bewohnt wird Neuguinea von Stämmen, die zur Rasse der Melanesier
gehören, aber in Sitten und Gebräuchen, teilweise auch in der Körperbildung
sehr von einander abweichen. Sie gleichen im Westen mehr der Urbevölkerung
der Molukken, im Osten mehr den Bewohnern von Neubritannien. Auch im
Kulturzustande derselben herrscht eine große Verschiedenheit: im Osten zeigen
diese Papuas einen ziemlichen Grad von Gesittung, indem sie u. a. fleißige und
geschickte Ackerbauer sind, wogegen sie auf der Südwestküste einen sehr niedrigen
Vildungsstand einnehmen und ohne feste Wohnsitze in den Wäldern umher¬
schweifen.

Wir ergänzen diese Mitteilungen durch den Bericht eines englischen Missio¬
närs, der sieben Jahre in Neuguinea und den Nachbarinseln, zuletzt auf der


Grenzboten II. 1833. M
Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands.

gebilligten Annexion aber, welches man zitirt, zeigt recht deutlich die Eifersucht
und Nebenbuhlerschaft, welche die englische Kolonialpolitik den Franzosen gegen¬
über beseelt. „Ein unternehmender junger Seeoffizier entriß vor einigen Jahren
die Insel Perim (am persischen Meerbusen) den Klauen einer drohenden Besitz¬
nahme durch Fremde, indem er den Vorsprung einiger Stunden, der ihm von
Aden her gewährt war, dazu benutzte, um den französischen Wettbewerber mit
dem bereits als Zeichen des Besitzes aufgepflanzten Union Jeck zu empfangen."

Ein Blick auf Neuguinea mag schließlich zeigen, was England sich bei dieser
Gelegenheit wieder einmal zu Gemüte geführt hat. Dasselbe besteht aus einer
sehr großen Insel und mehreren kleinen und nimmt eine Flüche von etwa 13000
Quadratmeilen ein, ist also weit größer als Madagaskar. Die Hauptinsel wird
durch den Torressund von Australien und durch die Dampierstraße von Neu¬
britannien getrennt. Das Innere ist noch wenig bekannt, und dasselbe gilt von
einem beträchtlichen Teile der Küsten, wo Sümpfe und dichte Wälder das Vor¬
dringen von Reisenden erschweren. Der westliche Teil des Landes bildet eine
Halbinsel, die den Namen Worin führt und durch den Maclure-Golf in zwei
Hälften geschieden wird. Hier erhebt sich das Gebirge Arfak bis zur Höhe von
2900 Metern. Im östlichen Hauptlande giebt es Gipfel, die mit ewigem Schnee
bedeckt sind, und an der Nordküste steigt die Kette der Finisterreberge bis zu
4000 Metern an. Die Ebene und die Vorberge werden fast durchgehends von
dichten, feuchten Urwäldern beschattet, welche mit ihren Gewinden von Schling¬
pflanzen kaum einen Sonnenstrahl bis zum Boden dringen lassen. Der Cha¬
rakter der Flora des Landes ist derjenige, dem man auf den Molukken begegnet,
nur an der Südküste treten australische Formen, wie Akazien und Eukalypten,
ans. Auch die Fauna hat teils indischen, teils australischen Typus. Von
größern Säugetieren ist nur das Beuteltier vorhanden, dagegen ist die Vogel¬
welt hier sehr reich entwickelt. Die herrschenden Winde sind die indischen Mon-
sune, die indeß hier nicht mit derselben Regelmäßigkeit wehen wie in den Ge¬
wässern Indiens. Das Klima ist sehr heiß, dabei feucht und an vielen Orten
für Europäer ungesund.

Bewohnt wird Neuguinea von Stämmen, die zur Rasse der Melanesier
gehören, aber in Sitten und Gebräuchen, teilweise auch in der Körperbildung
sehr von einander abweichen. Sie gleichen im Westen mehr der Urbevölkerung
der Molukken, im Osten mehr den Bewohnern von Neubritannien. Auch im
Kulturzustande derselben herrscht eine große Verschiedenheit: im Osten zeigen
diese Papuas einen ziemlichen Grad von Gesittung, indem sie u. a. fleißige und
geschickte Ackerbauer sind, wogegen sie auf der Südwestküste einen sehr niedrigen
Vildungsstand einnehmen und ohne feste Wohnsitze in den Wäldern umher¬
schweifen.

Wir ergänzen diese Mitteilungen durch den Bericht eines englischen Missio¬
närs, der sieben Jahre in Neuguinea und den Nachbarinseln, zuletzt auf der


Grenzboten II. 1833. M
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[0313] Überseeische Annexionspläne Frankreichs und Englands. gebilligten Annexion aber, welches man zitirt, zeigt recht deutlich die Eifersucht und Nebenbuhlerschaft, welche die englische Kolonialpolitik den Franzosen gegen¬ über beseelt. „Ein unternehmender junger Seeoffizier entriß vor einigen Jahren die Insel Perim (am persischen Meerbusen) den Klauen einer drohenden Besitz¬ nahme durch Fremde, indem er den Vorsprung einiger Stunden, der ihm von Aden her gewährt war, dazu benutzte, um den französischen Wettbewerber mit dem bereits als Zeichen des Besitzes aufgepflanzten Union Jeck zu empfangen." Ein Blick auf Neuguinea mag schließlich zeigen, was England sich bei dieser Gelegenheit wieder einmal zu Gemüte geführt hat. Dasselbe besteht aus einer sehr großen Insel und mehreren kleinen und nimmt eine Flüche von etwa 13000 Quadratmeilen ein, ist also weit größer als Madagaskar. Die Hauptinsel wird durch den Torressund von Australien und durch die Dampierstraße von Neu¬ britannien getrennt. Das Innere ist noch wenig bekannt, und dasselbe gilt von einem beträchtlichen Teile der Küsten, wo Sümpfe und dichte Wälder das Vor¬ dringen von Reisenden erschweren. Der westliche Teil des Landes bildet eine Halbinsel, die den Namen Worin führt und durch den Maclure-Golf in zwei Hälften geschieden wird. Hier erhebt sich das Gebirge Arfak bis zur Höhe von 2900 Metern. Im östlichen Hauptlande giebt es Gipfel, die mit ewigem Schnee bedeckt sind, und an der Nordküste steigt die Kette der Finisterreberge bis zu 4000 Metern an. Die Ebene und die Vorberge werden fast durchgehends von dichten, feuchten Urwäldern beschattet, welche mit ihren Gewinden von Schling¬ pflanzen kaum einen Sonnenstrahl bis zum Boden dringen lassen. Der Cha¬ rakter der Flora des Landes ist derjenige, dem man auf den Molukken begegnet, nur an der Südküste treten australische Formen, wie Akazien und Eukalypten, ans. Auch die Fauna hat teils indischen, teils australischen Typus. Von größern Säugetieren ist nur das Beuteltier vorhanden, dagegen ist die Vogel¬ welt hier sehr reich entwickelt. Die herrschenden Winde sind die indischen Mon- sune, die indeß hier nicht mit derselben Regelmäßigkeit wehen wie in den Ge¬ wässern Indiens. Das Klima ist sehr heiß, dabei feucht und an vielen Orten für Europäer ungesund. Bewohnt wird Neuguinea von Stämmen, die zur Rasse der Melanesier gehören, aber in Sitten und Gebräuchen, teilweise auch in der Körperbildung sehr von einander abweichen. Sie gleichen im Westen mehr der Urbevölkerung der Molukken, im Osten mehr den Bewohnern von Neubritannien. Auch im Kulturzustande derselben herrscht eine große Verschiedenheit: im Osten zeigen diese Papuas einen ziemlichen Grad von Gesittung, indem sie u. a. fleißige und geschickte Ackerbauer sind, wogegen sie auf der Südwestküste einen sehr niedrigen Vildungsstand einnehmen und ohne feste Wohnsitze in den Wäldern umher¬ schweifen. Wir ergänzen diese Mitteilungen durch den Bericht eines englischen Missio¬ närs, der sieben Jahre in Neuguinea und den Nachbarinseln, zuletzt auf der Grenzboten II. 1833. M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/313>, abgerufen am 02.10.2024.