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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

seiner ersten Reinheit wiederhergestellt, und so soll um auch dieses Abbild
wieder unverschleiert vor meinem Blicke stehen.

Die Gräfin faßte mit beiden Händen die Rechte des alten Herrn und sah
ihn flehentlich an. Was habe ich gethan! sagte sie innig. Welche Wunde habe
ich berührt! So ist es doch wahr, was mir in dieser Minute eine geheime
Stimme zuflüsterte -- Sie sind eben der Graf Franckeu, dessen unverdientes
Mißgeschick vor langen Jahren so sehr von allen fühlenden Herzen beklagt
wurde?

Ein Mann, entgegnete der Graf, dessen Vertrauen in schmählichster Weise
getäuscht wurde, und der sich hierher in die Einsamkeit zurückzog, um zu ver¬
gessen.

O, jetzt erinnere ich mich deutlich! Die Gesellschaft war damals voll
davon. Es war ein unerhörter Vertrauensbruch!

Ich mochte wohl einen Fehler begangen haben, als ich mein gereiftes Alter
durch die blühende Jugend verschönern wollte, versetzte er schwermütig. Es lag
wohl der größere Teil der Schuld an mir selbst.

O nein, nein! rief die Gräfin. Es erwachen in mir Einzelheiten jenes
traurigen Ereignisses, die mich das Gegenteil denken lassen. War nicht ein
Mann an jenem Treubruch beteiligt, der sich in Ihr Vertrauen eingeschlichen
hatte und auch das unerfahrene Herz Luisens mit teuflischer Kunst betrog?
Ein Mann --

Wie, Sie erinnern sich selbst noch des Namens meiner unglücklichen Fran?
fragte der Graf lebhaft. Ja, es war so, wie Sie sagen: ein Mann, der von
der Natur mit Gaben ausgestattet war, die ihm verliehen zu sein schienen, um
Spott mit dem Edeln zu treiben, ein Mann voll Verstellungskullst, grausam
und nichtswürdig, hat das Leben dieses zarten Wesens vernichtet.

Die Gräfin nickte langsam mehrere male mit dem Kopfe, und ein unheim¬
liches Licht funkelte in ihren Augen. Nur auf einen Manu können diese Be¬
zeichnungen passen, sagte sie. Ich sehe jetzt alles, was damals in der Gesellschaft
gesprochen wurde, wieder ganz klar vor mir stehen. War es nicht -- ?

Der Graf war aufgestanden und stand mit erregter Miene vor ihr.

Der Name jenes Mannes darf in diesem Raume nicht ausgesprochen werde",
sagte er. Es ist der Name eines Schurken! Ja, ich hatte gedacht, vergessen
und vergeben zu haben, aber die Macht unsers Gemüts gegenüber der Leiden¬
schaft hat eine Grenze. Ihn hasse ich, und genade ihm Gott, wenn ihn sein
böses Geschick jemals in meine Hände führen sollte!

Es war ein erschütternder Anblick, diesen sanften und gelassenen Mann in
Zorn zu sehen. Das milde, freundliche Gesicht bekam andre, schärfer geschnittene
und fremdartige Züge. Die blauen Angen sprühten Feuer, und das weiße
Haar schien sich zu sträuben. Er hatte die geballte Faust emporgehoben und
seine schlanke Gestalt dehnte sich.


Die Grafen von Altenschwerdt.

seiner ersten Reinheit wiederhergestellt, und so soll um auch dieses Abbild
wieder unverschleiert vor meinem Blicke stehen.

Die Gräfin faßte mit beiden Händen die Rechte des alten Herrn und sah
ihn flehentlich an. Was habe ich gethan! sagte sie innig. Welche Wunde habe
ich berührt! So ist es doch wahr, was mir in dieser Minute eine geheime
Stimme zuflüsterte — Sie sind eben der Graf Franckeu, dessen unverdientes
Mißgeschick vor langen Jahren so sehr von allen fühlenden Herzen beklagt
wurde?

Ein Mann, entgegnete der Graf, dessen Vertrauen in schmählichster Weise
getäuscht wurde, und der sich hierher in die Einsamkeit zurückzog, um zu ver¬
gessen.

O, jetzt erinnere ich mich deutlich! Die Gesellschaft war damals voll
davon. Es war ein unerhörter Vertrauensbruch!

Ich mochte wohl einen Fehler begangen haben, als ich mein gereiftes Alter
durch die blühende Jugend verschönern wollte, versetzte er schwermütig. Es lag
wohl der größere Teil der Schuld an mir selbst.

O nein, nein! rief die Gräfin. Es erwachen in mir Einzelheiten jenes
traurigen Ereignisses, die mich das Gegenteil denken lassen. War nicht ein
Mann an jenem Treubruch beteiligt, der sich in Ihr Vertrauen eingeschlichen
hatte und auch das unerfahrene Herz Luisens mit teuflischer Kunst betrog?
Ein Mann —

Wie, Sie erinnern sich selbst noch des Namens meiner unglücklichen Fran?
fragte der Graf lebhaft. Ja, es war so, wie Sie sagen: ein Mann, der von
der Natur mit Gaben ausgestattet war, die ihm verliehen zu sein schienen, um
Spott mit dem Edeln zu treiben, ein Mann voll Verstellungskullst, grausam
und nichtswürdig, hat das Leben dieses zarten Wesens vernichtet.

Die Gräfin nickte langsam mehrere male mit dem Kopfe, und ein unheim¬
liches Licht funkelte in ihren Augen. Nur auf einen Manu können diese Be¬
zeichnungen passen, sagte sie. Ich sehe jetzt alles, was damals in der Gesellschaft
gesprochen wurde, wieder ganz klar vor mir stehen. War es nicht — ?

Der Graf war aufgestanden und stand mit erregter Miene vor ihr.

Der Name jenes Mannes darf in diesem Raume nicht ausgesprochen werde»,
sagte er. Es ist der Name eines Schurken! Ja, ich hatte gedacht, vergessen
und vergeben zu haben, aber die Macht unsers Gemüts gegenüber der Leiden¬
schaft hat eine Grenze. Ihn hasse ich, und genade ihm Gott, wenn ihn sein
böses Geschick jemals in meine Hände führen sollte!

Es war ein erschütternder Anblick, diesen sanften und gelassenen Mann in
Zorn zu sehen. Das milde, freundliche Gesicht bekam andre, schärfer geschnittene
und fremdartige Züge. Die blauen Angen sprühten Feuer, und das weiße
Haar schien sich zu sträuben. Er hatte die geballte Faust emporgehoben und
seine schlanke Gestalt dehnte sich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/276>, abgerufen am 03.07.2024.