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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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pompejanischo SpaziergLnge,

Straßen lag und eine ganze sogenannte Insel einnahm. Gehen sie mit ihrem
Vermögen haushälterisch um, so sondern sie von diesem großen Terrain einige
Parzellen ab, macheu daraus Verkciufslüden und vermieten dieselben so gut als
möglich; diese Läden nehmen manchmal die ganze Außenseite der Wohnung ein.
Während bei uns die Fassade sorgsam für die vornehmsten Räume reservirt
bleibt, wird sie in Pompeji dem Handel überlassen oder aber mit dicken, fenster¬
losen Mauern geschlossen. Das ganze Haus ist, statt auf die Straße zu sehen,
"ach innen gewandt. Mit der Straße kvmmuuizirt es nur durch die sorgfältig
geschlossene und streng bewachte Eingangsthür; wenige Fenster, und nur im
Oberstock, bei sich daheim, fern von Gleichgiltigeu und Fremden, will man leben.
Heute gehört das, was wir das häusliche Leben nennen, zum guten Teil der
Öffentlichkeit. Die Welt hat leicht Zutritt zu uns, und wenn sie nicht kommt,
so wünschen wir sie doch aus unsern weit offenen Fenstern wenigstens zu sehen.
Bei den Alten ist das Privatleben zurückgezogener, einsiedlerischer als bei uus.
Der Inhaber der Wohnung legt auf den Ausblick nach der Straße keinen Wert;
vor allem will er nicht, daß die Leute von der Straße her ihm ins Haus
sehen. Selbst innerhalb seines Hauses sondert er streng die Teile und macht
mancherlei Unterscheidungen. Der Teil, wo er die Fremden empfängt, ist ein
andrer als der, wohin er sich mit seiner Familie zurückzieht; uicht leicht bringt
mau in dieses Heiligtum vor, welches durch Korridore vom übrige" getrennt,
durch Thüren oder Vorhänge geschlossen und von Pförtnern bewacht wird.
Der Herr empfängt, wann er will, und schließt sich daheim ein, wann es ihm
gefällt, und wenn etwa ein besonders langweiliger oder aufdringlicher Klient in
der Vorflur auf sein Herauskommen wartet, so hat er eine auf ein Gäszchen
hiunusliegende Hinterthür (postivum), durch welche er entschlüpfen kann.

Denen, welche die Räume der pompejanischen Häuser etwas zu eng finden,
hat man schon geantwortet, daß die Bewohner einen großen Teil des Tages
außer dem Hause, in den Säulenhallen des Forums oder der Theater, ver¬
lebten. Dazu kommt aber, daß die Zimmer, wenn nicht groß, doch zahlreich
sind. Der Römer bedient sich seiner Wohnung wie seiner Sklaven, er hat ver¬
schiedene Räume für alle Geschäfte des Tages, gerade wie er für sämtliche Not¬
wendigkeiten des Lebens besondre Diener besitzt. Jeder Raum seines Hauses
ist geuau dem Zwecke angepaßt, für welchen er bestimmt ist. Er begnügt sich
nicht wie wir mit einem einzigen Speisesnal, er hat solche von verschiedener
Große und wechselt damit je nach der Jahreszeit, je nach der Zahl der Freunde,
die er bewirten will. Das Zimmer, wo er am Tage seine Siesta hält, sein
Schlafzimmer für die Nacht sind beide sehr klein und erhalten Licht und Luft


merkungen Über die Rolle, welche diese Treppe in unsern Wohnungen spielt, und über den
Charakter, den sie ihnen gegeben hat. Von allen Teilen des modernen Hauses ist diese
Treppe derjenige, für welchen ein Pompejaner wohl am wenigsten Verständnis gehabt
haben würde.
pompejanischo SpaziergLnge,

Straßen lag und eine ganze sogenannte Insel einnahm. Gehen sie mit ihrem
Vermögen haushälterisch um, so sondern sie von diesem großen Terrain einige
Parzellen ab, macheu daraus Verkciufslüden und vermieten dieselben so gut als
möglich; diese Läden nehmen manchmal die ganze Außenseite der Wohnung ein.
Während bei uns die Fassade sorgsam für die vornehmsten Räume reservirt
bleibt, wird sie in Pompeji dem Handel überlassen oder aber mit dicken, fenster¬
losen Mauern geschlossen. Das ganze Haus ist, statt auf die Straße zu sehen,
»ach innen gewandt. Mit der Straße kvmmuuizirt es nur durch die sorgfältig
geschlossene und streng bewachte Eingangsthür; wenige Fenster, und nur im
Oberstock, bei sich daheim, fern von Gleichgiltigeu und Fremden, will man leben.
Heute gehört das, was wir das häusliche Leben nennen, zum guten Teil der
Öffentlichkeit. Die Welt hat leicht Zutritt zu uns, und wenn sie nicht kommt,
so wünschen wir sie doch aus unsern weit offenen Fenstern wenigstens zu sehen.
Bei den Alten ist das Privatleben zurückgezogener, einsiedlerischer als bei uus.
Der Inhaber der Wohnung legt auf den Ausblick nach der Straße keinen Wert;
vor allem will er nicht, daß die Leute von der Straße her ihm ins Haus
sehen. Selbst innerhalb seines Hauses sondert er streng die Teile und macht
mancherlei Unterscheidungen. Der Teil, wo er die Fremden empfängt, ist ein
andrer als der, wohin er sich mit seiner Familie zurückzieht; uicht leicht bringt
mau in dieses Heiligtum vor, welches durch Korridore vom übrige» getrennt,
durch Thüren oder Vorhänge geschlossen und von Pförtnern bewacht wird.
Der Herr empfängt, wann er will, und schließt sich daheim ein, wann es ihm
gefällt, und wenn etwa ein besonders langweiliger oder aufdringlicher Klient in
der Vorflur auf sein Herauskommen wartet, so hat er eine auf ein Gäszchen
hiunusliegende Hinterthür (postivum), durch welche er entschlüpfen kann.

Denen, welche die Räume der pompejanischen Häuser etwas zu eng finden,
hat man schon geantwortet, daß die Bewohner einen großen Teil des Tages
außer dem Hause, in den Säulenhallen des Forums oder der Theater, ver¬
lebten. Dazu kommt aber, daß die Zimmer, wenn nicht groß, doch zahlreich
sind. Der Römer bedient sich seiner Wohnung wie seiner Sklaven, er hat ver¬
schiedene Räume für alle Geschäfte des Tages, gerade wie er für sämtliche Not¬
wendigkeiten des Lebens besondre Diener besitzt. Jeder Raum seines Hauses
ist geuau dem Zwecke angepaßt, für welchen er bestimmt ist. Er begnügt sich
nicht wie wir mit einem einzigen Speisesnal, er hat solche von verschiedener
Große und wechselt damit je nach der Jahreszeit, je nach der Zahl der Freunde,
die er bewirten will. Das Zimmer, wo er am Tage seine Siesta hält, sein
Schlafzimmer für die Nacht sind beide sehr klein und erhalten Licht und Luft


merkungen Über die Rolle, welche diese Treppe in unsern Wohnungen spielt, und über den
Charakter, den sie ihnen gegeben hat. Von allen Teilen des modernen Hauses ist diese
Treppe derjenige, für welchen ein Pompejaner wohl am wenigsten Verständnis gehabt
haben würde.
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[0256] pompejanischo SpaziergLnge, Straßen lag und eine ganze sogenannte Insel einnahm. Gehen sie mit ihrem Vermögen haushälterisch um, so sondern sie von diesem großen Terrain einige Parzellen ab, macheu daraus Verkciufslüden und vermieten dieselben so gut als möglich; diese Läden nehmen manchmal die ganze Außenseite der Wohnung ein. Während bei uns die Fassade sorgsam für die vornehmsten Räume reservirt bleibt, wird sie in Pompeji dem Handel überlassen oder aber mit dicken, fenster¬ losen Mauern geschlossen. Das ganze Haus ist, statt auf die Straße zu sehen, »ach innen gewandt. Mit der Straße kvmmuuizirt es nur durch die sorgfältig geschlossene und streng bewachte Eingangsthür; wenige Fenster, und nur im Oberstock, bei sich daheim, fern von Gleichgiltigeu und Fremden, will man leben. Heute gehört das, was wir das häusliche Leben nennen, zum guten Teil der Öffentlichkeit. Die Welt hat leicht Zutritt zu uns, und wenn sie nicht kommt, so wünschen wir sie doch aus unsern weit offenen Fenstern wenigstens zu sehen. Bei den Alten ist das Privatleben zurückgezogener, einsiedlerischer als bei uus. Der Inhaber der Wohnung legt auf den Ausblick nach der Straße keinen Wert; vor allem will er nicht, daß die Leute von der Straße her ihm ins Haus sehen. Selbst innerhalb seines Hauses sondert er streng die Teile und macht mancherlei Unterscheidungen. Der Teil, wo er die Fremden empfängt, ist ein andrer als der, wohin er sich mit seiner Familie zurückzieht; uicht leicht bringt mau in dieses Heiligtum vor, welches durch Korridore vom übrige» getrennt, durch Thüren oder Vorhänge geschlossen und von Pförtnern bewacht wird. Der Herr empfängt, wann er will, und schließt sich daheim ein, wann es ihm gefällt, und wenn etwa ein besonders langweiliger oder aufdringlicher Klient in der Vorflur auf sein Herauskommen wartet, so hat er eine auf ein Gäszchen hiunusliegende Hinterthür (postivum), durch welche er entschlüpfen kann. Denen, welche die Räume der pompejanischen Häuser etwas zu eng finden, hat man schon geantwortet, daß die Bewohner einen großen Teil des Tages außer dem Hause, in den Säulenhallen des Forums oder der Theater, ver¬ lebten. Dazu kommt aber, daß die Zimmer, wenn nicht groß, doch zahlreich sind. Der Römer bedient sich seiner Wohnung wie seiner Sklaven, er hat ver¬ schiedene Räume für alle Geschäfte des Tages, gerade wie er für sämtliche Not¬ wendigkeiten des Lebens besondre Diener besitzt. Jeder Raum seines Hauses ist geuau dem Zwecke angepaßt, für welchen er bestimmt ist. Er begnügt sich nicht wie wir mit einem einzigen Speisesnal, er hat solche von verschiedener Große und wechselt damit je nach der Jahreszeit, je nach der Zahl der Freunde, die er bewirten will. Das Zimmer, wo er am Tage seine Siesta hält, sein Schlafzimmer für die Nacht sind beide sehr klein und erhalten Licht und Luft merkungen Über die Rolle, welche diese Treppe in unsern Wohnungen spielt, und über den Charakter, den sie ihnen gegeben hat. Von allen Teilen des modernen Hauses ist diese Treppe derjenige, für welchen ein Pompejaner wohl am wenigsten Verständnis gehabt haben würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/256>, abgerufen am 24.08.2024.