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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altcnschwerdt.

eine Bäuerin mit goldnem Kopfputz. Die Kinder gehörten den untern Ständen
an, und Dr. Glock erfreute sich an ihrem natürlichen und ungekünstelten Wesen,
wie er denn überhaupt die Kinder liebte. Er nahm die Puppen in die Hand,
ließ sie zum Ergötzen der Kinder auf seinen Fingern gegen einander agiren,
wie es die Leute im Kasperle-Theater machen, und da er ganz von der Szene
zu Kanossa erfüllt war, erzählte er ihnen eine Geschichte von einem Könige und
einem Papste, die böse mit einander waren, wobei er zur Erläuterung die Puppen
selber so sprechen ließ, wie er seine Personen in der Tragödie sprechen lassen
wollte. Der Husar stellte Heinrich IV. vor, die Bäuerin, welcher Dr. Glock
sein Taschentuch umgebunden hatte, den Papst Gregor VII.


O stolzer König mit der glatten Zunge,
Vergeblich ist, was schlau du mir erzählst.
Versprochen hast du stets, doch nie gehalten.
Mit klugen Worten willst du mich umgarnen,
Und Demut spricht dein Mund, doch nicht dein Herz.
Verräterisch, treulos und hinterlistig,
Wie einst dem Volk der Sachsen, kommst du mir.
Doch eher nicht wird diese heil'ge Würde,
Die Petrus selber meinem Haupt verlieh,
Hinab sich neigen, um mit goldnem Schlüssel
Die Gnadenpforte vor dir aufzuthun,
Bevor nicht sichere und strenge Bürgschaft
Die Hand dir bindet und dein Herz bezähmt.

Soweit hatte die Bäuerin in ihrem langen, weißen Mantel, zuweilen das
goldgekrönte Haupt neigend, zum höchsten Entzücken der drei kleinen Mädchen
gesprochen und damit eine bewegliche Anrede des Husaren beantwortet, als'plötz-
lich ein ärgerlicher Ausruf, dem ein erzwungenes Lachen folgte, wie ein böser
Dämon in das eingebildete Kanossa fuhr.

Dr. Glock runzelte die Stirn bei dem wohlbekannten Ton dieser unerbetcnen
Stimme und warf in einer Art von Beschämung die Puppen auf den Tisch,
die Kinder stoben beim schnellen Herankommen des lachenden Herrn erschreckt
auseinander -- Herr Rudolf Schmidt stand unter den Zweigen der Tmuercsche.

Er stand da in augenscheinlich großer Aufregung, nicht allein erhitzt von
schnellem Gange, sondern auch in der Hitze des Zorns, und er starrte Dr. Glock
dabei in einer Weise an, wie mau etwas wunderbares ansieht. Sein Auftreten
und seine Geberden ließen dem Redakteur keinen Zweifel darüber, daß es sich
hier um eine für Herrn Schmidt schlimme Sache handle.'

Sie sind früher zurückgekommen, als Ihre Absicht war, sagte Dr. Glock,
indem er aufstand und dem Besitzer ver Zeitung mit erwartungsvoller, doch
verschlossener Miene entgegentrat.

Ja, sagte Herr Schmidt, beide Arme in die Seiten stemmend und die
Beine spreizend, ja, ich habe eine wichtige Reise unterbrechen müssen, Ihret¬
wegen, und nun ich Sie gefunden habe, sehe ich, daß Sie mit Puppen spielen!


Die Grafen von Altcnschwerdt.

eine Bäuerin mit goldnem Kopfputz. Die Kinder gehörten den untern Ständen
an, und Dr. Glock erfreute sich an ihrem natürlichen und ungekünstelten Wesen,
wie er denn überhaupt die Kinder liebte. Er nahm die Puppen in die Hand,
ließ sie zum Ergötzen der Kinder auf seinen Fingern gegen einander agiren,
wie es die Leute im Kasperle-Theater machen, und da er ganz von der Szene
zu Kanossa erfüllt war, erzählte er ihnen eine Geschichte von einem Könige und
einem Papste, die böse mit einander waren, wobei er zur Erläuterung die Puppen
selber so sprechen ließ, wie er seine Personen in der Tragödie sprechen lassen
wollte. Der Husar stellte Heinrich IV. vor, die Bäuerin, welcher Dr. Glock
sein Taschentuch umgebunden hatte, den Papst Gregor VII.


O stolzer König mit der glatten Zunge,
Vergeblich ist, was schlau du mir erzählst.
Versprochen hast du stets, doch nie gehalten.
Mit klugen Worten willst du mich umgarnen,
Und Demut spricht dein Mund, doch nicht dein Herz.
Verräterisch, treulos und hinterlistig,
Wie einst dem Volk der Sachsen, kommst du mir.
Doch eher nicht wird diese heil'ge Würde,
Die Petrus selber meinem Haupt verlieh,
Hinab sich neigen, um mit goldnem Schlüssel
Die Gnadenpforte vor dir aufzuthun,
Bevor nicht sichere und strenge Bürgschaft
Die Hand dir bindet und dein Herz bezähmt.

Soweit hatte die Bäuerin in ihrem langen, weißen Mantel, zuweilen das
goldgekrönte Haupt neigend, zum höchsten Entzücken der drei kleinen Mädchen
gesprochen und damit eine bewegliche Anrede des Husaren beantwortet, als'plötz-
lich ein ärgerlicher Ausruf, dem ein erzwungenes Lachen folgte, wie ein böser
Dämon in das eingebildete Kanossa fuhr.

Dr. Glock runzelte die Stirn bei dem wohlbekannten Ton dieser unerbetcnen
Stimme und warf in einer Art von Beschämung die Puppen auf den Tisch,
die Kinder stoben beim schnellen Herankommen des lachenden Herrn erschreckt
auseinander — Herr Rudolf Schmidt stand unter den Zweigen der Tmuercsche.

Er stand da in augenscheinlich großer Aufregung, nicht allein erhitzt von
schnellem Gange, sondern auch in der Hitze des Zorns, und er starrte Dr. Glock
dabei in einer Weise an, wie mau etwas wunderbares ansieht. Sein Auftreten
und seine Geberden ließen dem Redakteur keinen Zweifel darüber, daß es sich
hier um eine für Herrn Schmidt schlimme Sache handle.'

Sie sind früher zurückgekommen, als Ihre Absicht war, sagte Dr. Glock,
indem er aufstand und dem Besitzer ver Zeitung mit erwartungsvoller, doch
verschlossener Miene entgegentrat.

Ja, sagte Herr Schmidt, beide Arme in die Seiten stemmend und die
Beine spreizend, ja, ich habe eine wichtige Reise unterbrechen müssen, Ihret¬
wegen, und nun ich Sie gefunden habe, sehe ich, daß Sie mit Puppen spielen!


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[0212] Die Grafen von Altcnschwerdt. eine Bäuerin mit goldnem Kopfputz. Die Kinder gehörten den untern Ständen an, und Dr. Glock erfreute sich an ihrem natürlichen und ungekünstelten Wesen, wie er denn überhaupt die Kinder liebte. Er nahm die Puppen in die Hand, ließ sie zum Ergötzen der Kinder auf seinen Fingern gegen einander agiren, wie es die Leute im Kasperle-Theater machen, und da er ganz von der Szene zu Kanossa erfüllt war, erzählte er ihnen eine Geschichte von einem Könige und einem Papste, die böse mit einander waren, wobei er zur Erläuterung die Puppen selber so sprechen ließ, wie er seine Personen in der Tragödie sprechen lassen wollte. Der Husar stellte Heinrich IV. vor, die Bäuerin, welcher Dr. Glock sein Taschentuch umgebunden hatte, den Papst Gregor VII. O stolzer König mit der glatten Zunge, Vergeblich ist, was schlau du mir erzählst. Versprochen hast du stets, doch nie gehalten. Mit klugen Worten willst du mich umgarnen, Und Demut spricht dein Mund, doch nicht dein Herz. Verräterisch, treulos und hinterlistig, Wie einst dem Volk der Sachsen, kommst du mir. Doch eher nicht wird diese heil'ge Würde, Die Petrus selber meinem Haupt verlieh, Hinab sich neigen, um mit goldnem Schlüssel Die Gnadenpforte vor dir aufzuthun, Bevor nicht sichere und strenge Bürgschaft Die Hand dir bindet und dein Herz bezähmt. Soweit hatte die Bäuerin in ihrem langen, weißen Mantel, zuweilen das goldgekrönte Haupt neigend, zum höchsten Entzücken der drei kleinen Mädchen gesprochen und damit eine bewegliche Anrede des Husaren beantwortet, als'plötz- lich ein ärgerlicher Ausruf, dem ein erzwungenes Lachen folgte, wie ein böser Dämon in das eingebildete Kanossa fuhr. Dr. Glock runzelte die Stirn bei dem wohlbekannten Ton dieser unerbetcnen Stimme und warf in einer Art von Beschämung die Puppen auf den Tisch, die Kinder stoben beim schnellen Herankommen des lachenden Herrn erschreckt auseinander — Herr Rudolf Schmidt stand unter den Zweigen der Tmuercsche. Er stand da in augenscheinlich großer Aufregung, nicht allein erhitzt von schnellem Gange, sondern auch in der Hitze des Zorns, und er starrte Dr. Glock dabei in einer Weise an, wie mau etwas wunderbares ansieht. Sein Auftreten und seine Geberden ließen dem Redakteur keinen Zweifel darüber, daß es sich hier um eine für Herrn Schmidt schlimme Sache handle.' Sie sind früher zurückgekommen, als Ihre Absicht war, sagte Dr. Glock, indem er aufstand und dem Besitzer ver Zeitung mit erwartungsvoller, doch verschlossener Miene entgegentrat. Ja, sagte Herr Schmidt, beide Arme in die Seiten stemmend und die Beine spreizend, ja, ich habe eine wichtige Reise unterbrechen müssen, Ihret¬ wegen, und nun ich Sie gefunden habe, sehe ich, daß Sie mit Puppen spielen!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/212>, abgerufen am 03.07.2024.