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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Unsre Handelskammerberichte.

der Torf besser sei, bis auf einige kleine Ablagerungen, die jedoch ebenfalls mit
der böhmischen Braunkohle nicht im entferntesten konkuriren könnten, so ist doch
sehr zu bedauern, daß ein Arbeiter des deutschen Handelstages, doch wahr¬
scheinlich auch ein Deutscher, über eine große nationale Industrie in solcher
groben Weise den Stab bricht, und sich in seinem Berichte für diese
Industrie erst da wieder zu erwärmen scheint, wo durch Umarbeitung der
Braunkohle Produkte für den internationalen Handel fabrizirt werden. Ist
der Verfasser des fraglichen Berichts so gut orientirt, wie er sich den Anschein
zu geben sucht, oder sind die einzelnen Handelskammern über die deutsche Braun-
kohlenindustric so gut unterrichtet gewesen, dann wäre doch wohl zu verlangen,
daß man auch folgendes wußte und berichtete: 1. daß die deutsche Braunkohle,
soweit sie abbauwürdig ist, im Urzustande hinsichtlich des Heizwertes stets über
dem Torf steht; 2. daß in Böhmen teilweise eine Braunkohle produzirt wird
-- z. B. bei Karlsbad und in der Gegend zwischen Karlsbad und Eger -- die
durchschnittlich kaum mit der deutschen Braunkohle hinsichtlich des Heizwertes
sich vergleichen kann; 3. daß unter dem Decknamen "böhmische" Braunkohle sehr
viel schlechte Braunkohle nach Deutschland impvrtirt wird; 4. daß deutsche Braun¬
kohlengruben existiren, die eine der böhmischen Braunkohle durchaus ebenbürtige
Kohle produziren, z, B. im Regierungsbezirk Magdeburg, im Braunschweigischen u.;
5, daß die deutschen Brauukohlenbriqnettcs, von denen der Verfasser des betreffenden
Berichts allerdings in vorübergehender Weise Notiz nimmt ("erst seit wenigen
Jahren hat die Versendung von Briquettes nicht unbedeutenden Aufschwung ge¬
nommen"), ein viel wertvolleres und angenehmeres Heizmaterial als böhmische
Braunkohlen bilden, sodaß bereits im Jahre 1881 die deutschen Briquettes in Berlin
mehr und mehr die böhmische Braunkohle verdrängten und im Jahre 1882 anch
im übrigen Deutschland Fuß faßten, obgleich die deutsche Braunkohle heute noch
mit einer Steuer auf ihre Produktion belegt ist und die deutsche Braunkohlen-
indnstrie durch den Zoll auf ihre zur Produktion erforderlichen Konsumartikel
belastet ist, während die böhmische Braunkohle frei eingeführt wird, ja derselben
durch kostspielige Elbreguliruugen deutscherseits hierzu nach Möglichkeit die Wege
geebnet werden!

Es scheint dem Verfasser jenes Berichtes, beziehentlich den deutschen Handels¬
kammern, durchaus unbekannt zu sein, daß unsre Zuckerindustrie in ihren Haupt¬
produktionsstellen: Braunschweig, Anhalt, in den Regierungsbezirken Magdeburg,
Merseburg, Frankfurt a. O. sich vorzugsweise auf Grund des Braunkohlenberg¬
baues zu ihrer jetzigen Höhe entwickelt hat. Es scheint den Herren ferner ganz
unbekannt zu sein, daß die deutsche Braunkohlenindustrie in ihrer Art die
größte der Welt ist.

Von einem als Grundlage dienenden Bericht des deutschen Handelstages
dürfen wir wohl die Kenntnis dieser Thatsachen verlangen, umsomehr, als durch
diese Berichte Unterlagen geschaffen werden sollen für Maßnahmen der Regie-


Unsre Handelskammerberichte.

der Torf besser sei, bis auf einige kleine Ablagerungen, die jedoch ebenfalls mit
der böhmischen Braunkohle nicht im entferntesten konkuriren könnten, so ist doch
sehr zu bedauern, daß ein Arbeiter des deutschen Handelstages, doch wahr¬
scheinlich auch ein Deutscher, über eine große nationale Industrie in solcher
groben Weise den Stab bricht, und sich in seinem Berichte für diese
Industrie erst da wieder zu erwärmen scheint, wo durch Umarbeitung der
Braunkohle Produkte für den internationalen Handel fabrizirt werden. Ist
der Verfasser des fraglichen Berichts so gut orientirt, wie er sich den Anschein
zu geben sucht, oder sind die einzelnen Handelskammern über die deutsche Braun-
kohlenindustric so gut unterrichtet gewesen, dann wäre doch wohl zu verlangen,
daß man auch folgendes wußte und berichtete: 1. daß die deutsche Braunkohle,
soweit sie abbauwürdig ist, im Urzustande hinsichtlich des Heizwertes stets über
dem Torf steht; 2. daß in Böhmen teilweise eine Braunkohle produzirt wird
— z. B. bei Karlsbad und in der Gegend zwischen Karlsbad und Eger — die
durchschnittlich kaum mit der deutschen Braunkohle hinsichtlich des Heizwertes
sich vergleichen kann; 3. daß unter dem Decknamen „böhmische" Braunkohle sehr
viel schlechte Braunkohle nach Deutschland impvrtirt wird; 4. daß deutsche Braun¬
kohlengruben existiren, die eine der böhmischen Braunkohle durchaus ebenbürtige
Kohle produziren, z, B. im Regierungsbezirk Magdeburg, im Braunschweigischen u.;
5, daß die deutschen Brauukohlenbriqnettcs, von denen der Verfasser des betreffenden
Berichts allerdings in vorübergehender Weise Notiz nimmt („erst seit wenigen
Jahren hat die Versendung von Briquettes nicht unbedeutenden Aufschwung ge¬
nommen"), ein viel wertvolleres und angenehmeres Heizmaterial als böhmische
Braunkohlen bilden, sodaß bereits im Jahre 1881 die deutschen Briquettes in Berlin
mehr und mehr die böhmische Braunkohle verdrängten und im Jahre 1882 anch
im übrigen Deutschland Fuß faßten, obgleich die deutsche Braunkohle heute noch
mit einer Steuer auf ihre Produktion belegt ist und die deutsche Braunkohlen-
indnstrie durch den Zoll auf ihre zur Produktion erforderlichen Konsumartikel
belastet ist, während die böhmische Braunkohle frei eingeführt wird, ja derselben
durch kostspielige Elbreguliruugen deutscherseits hierzu nach Möglichkeit die Wege
geebnet werden!

Es scheint dem Verfasser jenes Berichtes, beziehentlich den deutschen Handels¬
kammern, durchaus unbekannt zu sein, daß unsre Zuckerindustrie in ihren Haupt¬
produktionsstellen: Braunschweig, Anhalt, in den Regierungsbezirken Magdeburg,
Merseburg, Frankfurt a. O. sich vorzugsweise auf Grund des Braunkohlenberg¬
baues zu ihrer jetzigen Höhe entwickelt hat. Es scheint den Herren ferner ganz
unbekannt zu sein, daß die deutsche Braunkohlenindustrie in ihrer Art die
größte der Welt ist.

Von einem als Grundlage dienenden Bericht des deutschen Handelstages
dürfen wir wohl die Kenntnis dieser Thatsachen verlangen, umsomehr, als durch
diese Berichte Unterlagen geschaffen werden sollen für Maßnahmen der Regie-


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[0207] Unsre Handelskammerberichte. der Torf besser sei, bis auf einige kleine Ablagerungen, die jedoch ebenfalls mit der böhmischen Braunkohle nicht im entferntesten konkuriren könnten, so ist doch sehr zu bedauern, daß ein Arbeiter des deutschen Handelstages, doch wahr¬ scheinlich auch ein Deutscher, über eine große nationale Industrie in solcher groben Weise den Stab bricht, und sich in seinem Berichte für diese Industrie erst da wieder zu erwärmen scheint, wo durch Umarbeitung der Braunkohle Produkte für den internationalen Handel fabrizirt werden. Ist der Verfasser des fraglichen Berichts so gut orientirt, wie er sich den Anschein zu geben sucht, oder sind die einzelnen Handelskammern über die deutsche Braun- kohlenindustric so gut unterrichtet gewesen, dann wäre doch wohl zu verlangen, daß man auch folgendes wußte und berichtete: 1. daß die deutsche Braunkohle, soweit sie abbauwürdig ist, im Urzustande hinsichtlich des Heizwertes stets über dem Torf steht; 2. daß in Böhmen teilweise eine Braunkohle produzirt wird — z. B. bei Karlsbad und in der Gegend zwischen Karlsbad und Eger — die durchschnittlich kaum mit der deutschen Braunkohle hinsichtlich des Heizwertes sich vergleichen kann; 3. daß unter dem Decknamen „böhmische" Braunkohle sehr viel schlechte Braunkohle nach Deutschland impvrtirt wird; 4. daß deutsche Braun¬ kohlengruben existiren, die eine der böhmischen Braunkohle durchaus ebenbürtige Kohle produziren, z, B. im Regierungsbezirk Magdeburg, im Braunschweigischen u.; 5, daß die deutschen Brauukohlenbriqnettcs, von denen der Verfasser des betreffenden Berichts allerdings in vorübergehender Weise Notiz nimmt („erst seit wenigen Jahren hat die Versendung von Briquettes nicht unbedeutenden Aufschwung ge¬ nommen"), ein viel wertvolleres und angenehmeres Heizmaterial als böhmische Braunkohlen bilden, sodaß bereits im Jahre 1881 die deutschen Briquettes in Berlin mehr und mehr die böhmische Braunkohle verdrängten und im Jahre 1882 anch im übrigen Deutschland Fuß faßten, obgleich die deutsche Braunkohle heute noch mit einer Steuer auf ihre Produktion belegt ist und die deutsche Braunkohlen- indnstrie durch den Zoll auf ihre zur Produktion erforderlichen Konsumartikel belastet ist, während die böhmische Braunkohle frei eingeführt wird, ja derselben durch kostspielige Elbreguliruugen deutscherseits hierzu nach Möglichkeit die Wege geebnet werden! Es scheint dem Verfasser jenes Berichtes, beziehentlich den deutschen Handels¬ kammern, durchaus unbekannt zu sein, daß unsre Zuckerindustrie in ihren Haupt¬ produktionsstellen: Braunschweig, Anhalt, in den Regierungsbezirken Magdeburg, Merseburg, Frankfurt a. O. sich vorzugsweise auf Grund des Braunkohlenberg¬ baues zu ihrer jetzigen Höhe entwickelt hat. Es scheint den Herren ferner ganz unbekannt zu sein, daß die deutsche Braunkohlenindustrie in ihrer Art die größte der Welt ist. Von einem als Grundlage dienenden Bericht des deutschen Handelstages dürfen wir wohl die Kenntnis dieser Thatsachen verlangen, umsomehr, als durch diese Berichte Unterlagen geschaffen werden sollen für Maßnahmen der Regie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/207>, abgerufen am 03.07.2024.