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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur^Renntnis des gelehrten Handwerks.

eine populäre Darstellung der reinen Kantischen Lehre ohne alle Umformungen
ist vielleicht ein Ding der Unmöglichkeit -- sicher für die Gegenwart nicht mehr
angebracht. Der Verfasser hat aber wenigstens alles, was er bringt, genau und
fein durchdacht und trägt es in wohlüberlegter Weise vor. Wir halten hiernach
ohne Bedenken diese Arbeit für würdig, mit dem Preise gekrönt zu werden."

Im vorigen Jahrgange der Grenzboten (S. 402) behandelten wir in einem
Artikel "Zukunftsphilosophie" die richtige Auffassung der Lehre und Methode
Kants, welche so geartet sein müßte, daß sie eine Fortentwicklung der Erkenntnis
möglich mache, und schrieben dabei den Satz: "Diesen Weg hat freilich bisher
kein Mensch weiter eingeschlagen als allein der von den Fachgenossen hochmütig
ignorirte Albrecht Krause in seinen "Gesetzen des menschlichen Herzens." Heute
sind wir in der Lage, zu zeigen, wie gerecht diese Anklage war; denn das Werk,
welches die Fachphilosophen an den Universitäten prämiirt haben, ist in den
wichtigsten Popularisirungeu nichts andres als ein Plagiat des Krallseschen
Werkes: "Populäre Darstellung der Kritik der reinen Vernunft," welches im
Dezember 1880 bei Schauenburg in Lahr erschienen ist. Die Preisrichter er¬
klärten ein solches Werk für ein Ding der Unmöglichkeit und in der Gegenwart
für sicher nicht mehr angebracht. Aber sie kannten es garnicht. Laßwitz hat
seine Sätze fast wörtlich von Krause abgeschrieben, indem er, wenn dieser das
Beispiel Schrank oder Sonne nimmt, dafür das Beispiel Haus oder Veilchen
einsetzt. Mau sehe folgende Proben:


[Beginn Spaltensatz] Krause.
S. 136, Z. 12. Unmöglich zu denken
ist Nichts; ich kann ja Unsinn denken.
Aber Gedanken sind keine Gegen¬
stände, keine Teile der Welt......
Also werden die Bedingungen, unter
denen Etwas mit uns in Berührung
kommen kann, die Gesetze der Möglich¬
keit und Unmöglichkeit der Dinge in der
Welt sein. -- S. 137, Z. 5. Geister
z. B. wären Wesen, welche, ohne unsre
Wahrnehmung zu erregen, Gegenstände
des Daseins in der Welt wären. Körper¬
lich wahrnehmbare Geister einer andern
Welt wären Substanzen, welche nicht dem
Gesetze der Wechselwirkung der Sub¬[Spaltenumbruch] Laßwitz.

S. 189, Z. 6. Denken können wir
freilich, was wir wollen, aber Ge¬
danken sind keine Gegenstände sinn¬
licher Erfahrung, keine Teile der
Natur. Was wir als einen Teil der
Natur betrachten sollen, das muß wahr¬
genommen werden können, es muß mit
uns in Berührung kommen können.
.....Wesen z. B., die nicht in un¬
serm Raume sind, Kräfte, die nicht in
der Zeit wirken, sind Undinge......
Gespenster, die den Naturgesetzen nicht
gehorchen, Geister, welche nicht in
unsern Kategorien denken,.....
sind unmögliche Dinge.

[Ende Spaltensatz]

stanzen, z. B. Anziehungskraft, Schwere
u. f. w. unterlagen. Empfindende Atome,
vierte Dimensionen, Flächenwesen von
nur zwei Dimensionen mit Verstand,
Aetherhüllen der Atome, welche nicht
wiegen, Intelligenzen, welche unsre
Kategorien nicht haben!


Zur^Renntnis des gelehrten Handwerks.

eine populäre Darstellung der reinen Kantischen Lehre ohne alle Umformungen
ist vielleicht ein Ding der Unmöglichkeit — sicher für die Gegenwart nicht mehr
angebracht. Der Verfasser hat aber wenigstens alles, was er bringt, genau und
fein durchdacht und trägt es in wohlüberlegter Weise vor. Wir halten hiernach
ohne Bedenken diese Arbeit für würdig, mit dem Preise gekrönt zu werden."

Im vorigen Jahrgange der Grenzboten (S. 402) behandelten wir in einem
Artikel „Zukunftsphilosophie" die richtige Auffassung der Lehre und Methode
Kants, welche so geartet sein müßte, daß sie eine Fortentwicklung der Erkenntnis
möglich mache, und schrieben dabei den Satz: „Diesen Weg hat freilich bisher
kein Mensch weiter eingeschlagen als allein der von den Fachgenossen hochmütig
ignorirte Albrecht Krause in seinen „Gesetzen des menschlichen Herzens." Heute
sind wir in der Lage, zu zeigen, wie gerecht diese Anklage war; denn das Werk,
welches die Fachphilosophen an den Universitäten prämiirt haben, ist in den
wichtigsten Popularisirungeu nichts andres als ein Plagiat des Krallseschen
Werkes: „Populäre Darstellung der Kritik der reinen Vernunft," welches im
Dezember 1880 bei Schauenburg in Lahr erschienen ist. Die Preisrichter er¬
klärten ein solches Werk für ein Ding der Unmöglichkeit und in der Gegenwart
für sicher nicht mehr angebracht. Aber sie kannten es garnicht. Laßwitz hat
seine Sätze fast wörtlich von Krause abgeschrieben, indem er, wenn dieser das
Beispiel Schrank oder Sonne nimmt, dafür das Beispiel Haus oder Veilchen
einsetzt. Mau sehe folgende Proben:


[Beginn Spaltensatz] Krause.
S. 136, Z. 12. Unmöglich zu denken
ist Nichts; ich kann ja Unsinn denken.
Aber Gedanken sind keine Gegen¬
stände, keine Teile der Welt......
Also werden die Bedingungen, unter
denen Etwas mit uns in Berührung
kommen kann, die Gesetze der Möglich¬
keit und Unmöglichkeit der Dinge in der
Welt sein. — S. 137, Z. 5. Geister
z. B. wären Wesen, welche, ohne unsre
Wahrnehmung zu erregen, Gegenstände
des Daseins in der Welt wären. Körper¬
lich wahrnehmbare Geister einer andern
Welt wären Substanzen, welche nicht dem
Gesetze der Wechselwirkung der Sub¬[Spaltenumbruch] Laßwitz.

S. 189, Z. 6. Denken können wir
freilich, was wir wollen, aber Ge¬
danken sind keine Gegenstände sinn¬
licher Erfahrung, keine Teile der
Natur. Was wir als einen Teil der
Natur betrachten sollen, das muß wahr¬
genommen werden können, es muß mit
uns in Berührung kommen können.
.....Wesen z. B., die nicht in un¬
serm Raume sind, Kräfte, die nicht in
der Zeit wirken, sind Undinge......
Gespenster, die den Naturgesetzen nicht
gehorchen, Geister, welche nicht in
unsern Kategorien denken,.....
sind unmögliche Dinge.

[Ende Spaltensatz]

stanzen, z. B. Anziehungskraft, Schwere
u. f. w. unterlagen. Empfindende Atome,
vierte Dimensionen, Flächenwesen von
nur zwei Dimensionen mit Verstand,
Aetherhüllen der Atome, welche nicht
wiegen, Intelligenzen, welche unsre
Kategorien nicht haben!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/199>, abgerufen am 03.07.2024.