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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

einem Zranä nStsI kann hier der Sträfling zu jeder Zeit den Beamten tele¬
graphisch herbeirufen. Im Winter werden die Zellen durch Heißwasserheizung
erwärmt. Die Anlagekosten hierfür beliefen sich auf 69 933 Mark. Natürlich
ist auch Gasbeleuchtung im Gefängnis eingerichtet.

Das Inventar einer Zelle bilden Tisch und Stuhl von weichem Holz, eine
eiserne Bettstelle, welche, in der Mauer befestigt, während des Tages mit einem
Haken an die Wand gehängt wird, ein an der Wand befestigtes, offenes, aus
zwei Fächern bestehendes Kästchen zur Aufstellung der Bücher, Schreibmateria¬
lien n. s. w., ein Spucknapf, ein Wasserkrug, eine Eßschüssel, eine Waschschüssel,
ein eisernes Eßbesteck, Schippe, Handbesen und Putzbürste. Übrigens befinden
sich im Gefängnis neun Badezellen, zwei davon mit Brause und Douche ver¬
sehe,?. Ein in der Pegnitz eingerichtetes Flußbad wird von den im Freie" be¬
schäftigten Gefangenen ebenfalls benutzt.

Wohl die bedeutendste Errungenschaft der Neuzeit ist, daß jeder Sträfling
arbeiten muß und arbeitet, und es ist eine der wichtigsten Fragen der Gefängnis¬
wissenschaft, wie diese Arbeit zweckentsprechend einzurichten sei. Die Frage der
Gcfcmgenarbeit und der dadurch der freien Arbeit bereiteten Konkurrenz ist eine
brennende. Jedenfalls sind überall Einrichtungen getroffen, daß der Gefangene
in der Zelle seinen Fähigkeiten entsprechend arbeiten muß, daß er anch in klei¬
nern Gefängnissen teils in der Anstalt, teils außerhalb derselben beschäftigt
wird.

Wir schließen, ehe wir uns zu unsrer Hauptfrage wenden, an die Beschrei¬
bung eines modernen deutschen Zellengefängnisses noch die Schilderung einer
englischen Besserungsanstalt, die von Holtzendorff in seinen schottischen Reise¬
skizzen giebt. In der Nähe von Penieuick in Schottland, erzählt er, liegt die
Besserungsanstalt Wellington Reformatory. Diese Besserungsanstalt beruht in
der Hauptsache auf Landarbeit. Ihre Gründung wurde vor 21 Jahren unter¬
nommen. Mit 18 Knaben wurde sie eröffnet, während gegenwärtig deren 110
Aufnahme gefunden haben. Von den 600 Knaben, die auf Grund richterlichen
Urteils wegen verschiedner Verbrechen bisher in Behandlung standen, können
86 Prozent als endgiltig gebessert betrachtet werden. Ihr gegenwärtiger Vor¬
steher bezeugt, daß Disziplinarstrafen schwerer Art fast garnicht angewendet zu
werden brauchen. Die auf Grund der bestehenden Vorschriften erforderlichen
Strafzellen sind sogar entbehrlich. Im allgemeinen ist es bei dem lebhaften
Naturell der Knaben eine ausreichende Disziplinarstrafe, wenn man im Not¬
falle Ordnungswidrigkeiten damit bestraft, daß der Delinquent einige Stunden
bei Tageszeit im Bette liegen bleiben muß. Ich muß bekennen, daß ich bisher
von dieser Methode der Bestrafung nichts gehört habe, glaube aber, daß man
in geeigneten Fällen bei lebhaften Kindern damit befriedigende Resultate er¬
zielen kann. Die Erfahrung, daß Kinder auch in Krankheitsfällen schwer zu
bewegen sind, ins Bett zu gehen, ist ziemlich allgemein. Knüpfe sich an die


Zur Beleuchtung der Gefängnisfrage.

einem Zranä nStsI kann hier der Sträfling zu jeder Zeit den Beamten tele¬
graphisch herbeirufen. Im Winter werden die Zellen durch Heißwasserheizung
erwärmt. Die Anlagekosten hierfür beliefen sich auf 69 933 Mark. Natürlich
ist auch Gasbeleuchtung im Gefängnis eingerichtet.

Das Inventar einer Zelle bilden Tisch und Stuhl von weichem Holz, eine
eiserne Bettstelle, welche, in der Mauer befestigt, während des Tages mit einem
Haken an die Wand gehängt wird, ein an der Wand befestigtes, offenes, aus
zwei Fächern bestehendes Kästchen zur Aufstellung der Bücher, Schreibmateria¬
lien n. s. w., ein Spucknapf, ein Wasserkrug, eine Eßschüssel, eine Waschschüssel,
ein eisernes Eßbesteck, Schippe, Handbesen und Putzbürste. Übrigens befinden
sich im Gefängnis neun Badezellen, zwei davon mit Brause und Douche ver¬
sehe,?. Ein in der Pegnitz eingerichtetes Flußbad wird von den im Freie» be¬
schäftigten Gefangenen ebenfalls benutzt.

Wohl die bedeutendste Errungenschaft der Neuzeit ist, daß jeder Sträfling
arbeiten muß und arbeitet, und es ist eine der wichtigsten Fragen der Gefängnis¬
wissenschaft, wie diese Arbeit zweckentsprechend einzurichten sei. Die Frage der
Gcfcmgenarbeit und der dadurch der freien Arbeit bereiteten Konkurrenz ist eine
brennende. Jedenfalls sind überall Einrichtungen getroffen, daß der Gefangene
in der Zelle seinen Fähigkeiten entsprechend arbeiten muß, daß er anch in klei¬
nern Gefängnissen teils in der Anstalt, teils außerhalb derselben beschäftigt
wird.

Wir schließen, ehe wir uns zu unsrer Hauptfrage wenden, an die Beschrei¬
bung eines modernen deutschen Zellengefängnisses noch die Schilderung einer
englischen Besserungsanstalt, die von Holtzendorff in seinen schottischen Reise¬
skizzen giebt. In der Nähe von Penieuick in Schottland, erzählt er, liegt die
Besserungsanstalt Wellington Reformatory. Diese Besserungsanstalt beruht in
der Hauptsache auf Landarbeit. Ihre Gründung wurde vor 21 Jahren unter¬
nommen. Mit 18 Knaben wurde sie eröffnet, während gegenwärtig deren 110
Aufnahme gefunden haben. Von den 600 Knaben, die auf Grund richterlichen
Urteils wegen verschiedner Verbrechen bisher in Behandlung standen, können
86 Prozent als endgiltig gebessert betrachtet werden. Ihr gegenwärtiger Vor¬
steher bezeugt, daß Disziplinarstrafen schwerer Art fast garnicht angewendet zu
werden brauchen. Die auf Grund der bestehenden Vorschriften erforderlichen
Strafzellen sind sogar entbehrlich. Im allgemeinen ist es bei dem lebhaften
Naturell der Knaben eine ausreichende Disziplinarstrafe, wenn man im Not¬
falle Ordnungswidrigkeiten damit bestraft, daß der Delinquent einige Stunden
bei Tageszeit im Bette liegen bleiben muß. Ich muß bekennen, daß ich bisher
von dieser Methode der Bestrafung nichts gehört habe, glaube aber, daß man
in geeigneten Fällen bei lebhaften Kindern damit befriedigende Resultate er¬
zielen kann. Die Erfahrung, daß Kinder auch in Krankheitsfällen schwer zu
bewegen sind, ins Bett zu gehen, ist ziemlich allgemein. Knüpfe sich an die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/183>, abgerufen am 03.07.2024.