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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschmerdt.

habe, hielt sie doch ein sich, um nicht seine festgewurzelten Vorurteile auf eine
uoch härtere Probe zu stellen,

Sie hatte sich jetzt völlig wieder erholt, und nachdem sie ihrem Vater zu
verschiedenen malen versichert hatte, daß sie durchaus keine Schmerzen verspüre
und daß die Anschwellung auf ihrer Stirn garnichts zu bedeuten habe, zog sie
sich auf ihr Zimmer zurück, um sofort an Eberhardt zu schreiben.

Mein teurer Freund, schrieb sie, wir sind an einem Punkte unsres gemeinsamen
Weges angelangt, wo wir uns ganz klar über unsre Lage werden müssen. Nicht als
ob ich damit sagen wollte, wir hätten bis jetzt im Dunkeln getappt, denn der helle
Stern der Liebe schimmert ja über unserm Haupte, aber es sind Ereignisse ein¬
getreten, die uns ein vorsichtiges und zielbewußtes Handeln näher legen als
vorher. Wir haben einen Feind, einen klugen und mächtigen Feind, und ich
muß sagen, daß ich ihm nicht ohne Sorge entgegensehe, wenn ich bedeute, wie
sehr die äußern Umstände seine Intriguen begünstigen. Ich denke mit einem
gewissen Bangen an den Stolz meines Vaters, eines Edelmannes, dem das
Blut seiner Familie kostbarer erscheint als alles andre. Welche Pläne die Gräfin
von Altenschwerdt verfolgt, läßt sich noch nicht vollständig übersehen. Nur so¬
viel steht fest, daß sie in Ihnen eine unbequeme, gefährliche Persönlichkeit er¬
blickt. Mein Vater hat mir heute seine Absicht erklärt, die Gräfin mit ihrem
Sohne auf mehrere Wochen in das Schloß einzuladen. Das ist eine Zeit,
welche von der Dame nicht unbenutzt bleiben wird. Mein Vater, welcher die
Güte und Ritterlichkeit selbst ist, wird, wie ich fürchte, von ihr nur zu sehr um¬
strickt werden. Werden Sie es nicht falsch verstehen, mein teurer Freund, wenn
ich Sie bitte, der Gräfin ihr Spiel nicht zu erleichtern? Werden Sie mir nicht
zürne", wenn ich Sie bitte, ihre Besuche vorläufig auf solche Gelegenheiten zu
beschränken, welche ich selbst Ihnen jedesmal vorher anzeigen werde? Ich bin
überzeugt, Sie wissen zu gut, was mir Ihre Gegenwart wert ist, um in dieser
Bitte etwas andres zu scheu als das Mittel, uns die Zukunft zu sichern. So
lange die Gräfin bei uns sein wird, können wir uns öffentlich nicht ohne Qual
sehen, denn ist es nicht eine Qual, sich zu sehen und sich Zwang anthun zu
müssen? Wir haben es am gestrigen Abend schon erfahren, daß dies Zusammen¬
sein in Gesellschaft, welches solche Achtsamkeit auferlegt und so wenig Frende
verleiht, nicht für uns taugt. Solche Rendezvous unter den Augen dritter
Personen mögen gut sein für Leute, die ein Verhältnis mit einander haben
ohne Liebe zu fühlen oder des Geheimnisses zu bedürfen, aber was uns betrifft,
so ist meine Unruhe zu groß und erscheint mir der Verrat zu gefährlich, als
daß ich Genuß an einer so künstlichen Situation finden könnte. Habe ich noch
nötig zu sagen, daß die Pläne der Gräfin, soweit sie meine Person betreffen
könnten, durchaus wirkungslos sein werden? Daß nichts Vergeblicheres unter¬
nommen werden könnte als der Versuch, mich von meinen Grundsätzen abwendig
zu machen? Es ist keiner Macht ans Erden gegeben, mich von dem Worte ab-


Die Grafen von Altenschmerdt.

habe, hielt sie doch ein sich, um nicht seine festgewurzelten Vorurteile auf eine
uoch härtere Probe zu stellen,

Sie hatte sich jetzt völlig wieder erholt, und nachdem sie ihrem Vater zu
verschiedenen malen versichert hatte, daß sie durchaus keine Schmerzen verspüre
und daß die Anschwellung auf ihrer Stirn garnichts zu bedeuten habe, zog sie
sich auf ihr Zimmer zurück, um sofort an Eberhardt zu schreiben.

Mein teurer Freund, schrieb sie, wir sind an einem Punkte unsres gemeinsamen
Weges angelangt, wo wir uns ganz klar über unsre Lage werden müssen. Nicht als
ob ich damit sagen wollte, wir hätten bis jetzt im Dunkeln getappt, denn der helle
Stern der Liebe schimmert ja über unserm Haupte, aber es sind Ereignisse ein¬
getreten, die uns ein vorsichtiges und zielbewußtes Handeln näher legen als
vorher. Wir haben einen Feind, einen klugen und mächtigen Feind, und ich
muß sagen, daß ich ihm nicht ohne Sorge entgegensehe, wenn ich bedeute, wie
sehr die äußern Umstände seine Intriguen begünstigen. Ich denke mit einem
gewissen Bangen an den Stolz meines Vaters, eines Edelmannes, dem das
Blut seiner Familie kostbarer erscheint als alles andre. Welche Pläne die Gräfin
von Altenschwerdt verfolgt, läßt sich noch nicht vollständig übersehen. Nur so¬
viel steht fest, daß sie in Ihnen eine unbequeme, gefährliche Persönlichkeit er¬
blickt. Mein Vater hat mir heute seine Absicht erklärt, die Gräfin mit ihrem
Sohne auf mehrere Wochen in das Schloß einzuladen. Das ist eine Zeit,
welche von der Dame nicht unbenutzt bleiben wird. Mein Vater, welcher die
Güte und Ritterlichkeit selbst ist, wird, wie ich fürchte, von ihr nur zu sehr um¬
strickt werden. Werden Sie es nicht falsch verstehen, mein teurer Freund, wenn
ich Sie bitte, der Gräfin ihr Spiel nicht zu erleichtern? Werden Sie mir nicht
zürne», wenn ich Sie bitte, ihre Besuche vorläufig auf solche Gelegenheiten zu
beschränken, welche ich selbst Ihnen jedesmal vorher anzeigen werde? Ich bin
überzeugt, Sie wissen zu gut, was mir Ihre Gegenwart wert ist, um in dieser
Bitte etwas andres zu scheu als das Mittel, uns die Zukunft zu sichern. So
lange die Gräfin bei uns sein wird, können wir uns öffentlich nicht ohne Qual
sehen, denn ist es nicht eine Qual, sich zu sehen und sich Zwang anthun zu
müssen? Wir haben es am gestrigen Abend schon erfahren, daß dies Zusammen¬
sein in Gesellschaft, welches solche Achtsamkeit auferlegt und so wenig Frende
verleiht, nicht für uns taugt. Solche Rendezvous unter den Augen dritter
Personen mögen gut sein für Leute, die ein Verhältnis mit einander haben
ohne Liebe zu fühlen oder des Geheimnisses zu bedürfen, aber was uns betrifft,
so ist meine Unruhe zu groß und erscheint mir der Verrat zu gefährlich, als
daß ich Genuß an einer so künstlichen Situation finden könnte. Habe ich noch
nötig zu sagen, daß die Pläne der Gräfin, soweit sie meine Person betreffen
könnten, durchaus wirkungslos sein werden? Daß nichts Vergeblicheres unter¬
nommen werden könnte als der Versuch, mich von meinen Grundsätzen abwendig
zu machen? Es ist keiner Macht ans Erden gegeben, mich von dem Worte ab-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/158>, abgerufen am 01.07.2024.