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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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<Lin neuer Lessingmythiis.

Wort von den hohen, unbestreitbaren und von Kundigen nie bestrittenen Ver¬
diensten dieses Fürsten um sein Land! Einen äußerlich glatten, stets aus niedrigen
Beweggründen handelnden, kaltherzigen Despoten will der Verfasser ans ihm
-machen. Wohl hatte den Fürsten die Schule des Lebens, die Not des Landes
l Mitunter streng und hart gemacht gegen die Leiden der Mitmenschen, aber sie
' hat ihn auch gestählt zu strenger Pflichterfüllung in seinem Hcrrscherberufe, den
er nur zum Besten des Landes ausübte. Daß er nicht, wie uns hier glauben
gemacht werden soll, seine und seines Hauses Interessen, sondern des Landes
Wohl vorzüglich berücksichtigte, beweist, um nur ein Beispiel anzuführen, aufs
schlagendste das berühmte Schuldenedikt vom 1. Mai 1794, in dem er aus
freien Stücken die Belastung des Kaminergutes mit Schulden, sowie die Veräuße¬
rung und Verpfändung von Domanialgut an die Zustimmung der Landstände
knüpfte, damit "das enge Band zwischen dem Wohlstande des Landesherrn und der
Glückseligkeit der Unterthanen nie möge geschwächt oder Wohl gar aufgelöst werden."
Daß er den Humanitären Bestrebungen der Zeit sehr zugänglich war, wird
unter anderm auch dadurch bezeugt, daß er in seinem Lande den Versuch
machte, mit Unterstützung Campes das gesamte Erziehungswesen des Landes nach
philanthropischen Grundsätzen umzugestalten, was dann mit Hilfe der Land¬
stände hintertrieben wurde.*) Wie der Herzog für alle Zweige der Staats¬
verwaltung die größte Sparsamkeit forderte, so übte er sie nicht minder auch
für seine Person. In der prunkvollen Weise, wie ihn Herr von Sevcntornen
(S. 132) auf dem Weghause einführt, ist er ohne wichtigen Anlaß wohl nie¬
mals in seinem Lande aufgetreten. Auch muß man bezweifeln, daß er sich je
in dieser Weise mit dem Fräulein von Hartefeld öffentlich gezeigt habe.
Uebrigens war diese nicht Hofdame seiner Gemahlin, wieder Verfasser (S. 13S) an¬
nimmt, sondern seiner Tante, der Gemahlin Friedrichs des Großen; auch die
sonstigen Nachrichten über sie sind höchst unvollständig, zum Teil unrichtig.
Wie v. S. das harte Urteil über die Frau von Brcmconi, die fälschlich zur
Gräfin erhoben wird (S. 134), begründen will, ist nicht abzusehen. Die Schil¬
derung, wie Karl Wilhelm Ferdinand seinen alten Erzieher, den Abt Jerusalem,
damit beauftragt, die Hartefeld in den Saal zu führen, ist höchst unwahrschein¬
lich. Erzählte man sich doch, er selbst habe es seiner Zeit hintertrieben, daß
der Abt diese Freundin als Stiftsdame in das adelige Stift zu Steterburg
einführe, nur damit dem würdigen Geistlichen kein Ärgernis daraus er¬
wachse."*)




*) Ich kann hier nicht eine erschöpfende Charakteristik des Herzogs liefern, sondern be¬
rufe mich zum Beweise für meine Behauptungen auf meinen Aufsatz in der Allgemeinen
Deutschen Biographie, Bd. 15, S. 272 ff.
**) Nach Aufzeichnungen eines braunschweigischen Hofmanns über das Fräulein von
Hartefeld. Hdschr. in Privatbesitz.
<Lin neuer Lessingmythiis.

Wort von den hohen, unbestreitbaren und von Kundigen nie bestrittenen Ver¬
diensten dieses Fürsten um sein Land! Einen äußerlich glatten, stets aus niedrigen
Beweggründen handelnden, kaltherzigen Despoten will der Verfasser ans ihm
-machen. Wohl hatte den Fürsten die Schule des Lebens, die Not des Landes
l Mitunter streng und hart gemacht gegen die Leiden der Mitmenschen, aber sie
' hat ihn auch gestählt zu strenger Pflichterfüllung in seinem Hcrrscherberufe, den
er nur zum Besten des Landes ausübte. Daß er nicht, wie uns hier glauben
gemacht werden soll, seine und seines Hauses Interessen, sondern des Landes
Wohl vorzüglich berücksichtigte, beweist, um nur ein Beispiel anzuführen, aufs
schlagendste das berühmte Schuldenedikt vom 1. Mai 1794, in dem er aus
freien Stücken die Belastung des Kaminergutes mit Schulden, sowie die Veräuße¬
rung und Verpfändung von Domanialgut an die Zustimmung der Landstände
knüpfte, damit „das enge Band zwischen dem Wohlstande des Landesherrn und der
Glückseligkeit der Unterthanen nie möge geschwächt oder Wohl gar aufgelöst werden."
Daß er den Humanitären Bestrebungen der Zeit sehr zugänglich war, wird
unter anderm auch dadurch bezeugt, daß er in seinem Lande den Versuch
machte, mit Unterstützung Campes das gesamte Erziehungswesen des Landes nach
philanthropischen Grundsätzen umzugestalten, was dann mit Hilfe der Land¬
stände hintertrieben wurde.*) Wie der Herzog für alle Zweige der Staats¬
verwaltung die größte Sparsamkeit forderte, so übte er sie nicht minder auch
für seine Person. In der prunkvollen Weise, wie ihn Herr von Sevcntornen
(S. 132) auf dem Weghause einführt, ist er ohne wichtigen Anlaß wohl nie¬
mals in seinem Lande aufgetreten. Auch muß man bezweifeln, daß er sich je
in dieser Weise mit dem Fräulein von Hartefeld öffentlich gezeigt habe.
Uebrigens war diese nicht Hofdame seiner Gemahlin, wieder Verfasser (S. 13S) an¬
nimmt, sondern seiner Tante, der Gemahlin Friedrichs des Großen; auch die
sonstigen Nachrichten über sie sind höchst unvollständig, zum Teil unrichtig.
Wie v. S. das harte Urteil über die Frau von Brcmconi, die fälschlich zur
Gräfin erhoben wird (S. 134), begründen will, ist nicht abzusehen. Die Schil¬
derung, wie Karl Wilhelm Ferdinand seinen alten Erzieher, den Abt Jerusalem,
damit beauftragt, die Hartefeld in den Saal zu führen, ist höchst unwahrschein¬
lich. Erzählte man sich doch, er selbst habe es seiner Zeit hintertrieben, daß
der Abt diese Freundin als Stiftsdame in das adelige Stift zu Steterburg
einführe, nur damit dem würdigen Geistlichen kein Ärgernis daraus er¬
wachse."*)




*) Ich kann hier nicht eine erschöpfende Charakteristik des Herzogs liefern, sondern be¬
rufe mich zum Beweise für meine Behauptungen auf meinen Aufsatz in der Allgemeinen
Deutschen Biographie, Bd. 15, S. 272 ff.
**) Nach Aufzeichnungen eines braunschweigischen Hofmanns über das Fräulein von
Hartefeld. Hdschr. in Privatbesitz.
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[0146] <Lin neuer Lessingmythiis. Wort von den hohen, unbestreitbaren und von Kundigen nie bestrittenen Ver¬ diensten dieses Fürsten um sein Land! Einen äußerlich glatten, stets aus niedrigen Beweggründen handelnden, kaltherzigen Despoten will der Verfasser ans ihm -machen. Wohl hatte den Fürsten die Schule des Lebens, die Not des Landes l Mitunter streng und hart gemacht gegen die Leiden der Mitmenschen, aber sie ' hat ihn auch gestählt zu strenger Pflichterfüllung in seinem Hcrrscherberufe, den er nur zum Besten des Landes ausübte. Daß er nicht, wie uns hier glauben gemacht werden soll, seine und seines Hauses Interessen, sondern des Landes Wohl vorzüglich berücksichtigte, beweist, um nur ein Beispiel anzuführen, aufs schlagendste das berühmte Schuldenedikt vom 1. Mai 1794, in dem er aus freien Stücken die Belastung des Kaminergutes mit Schulden, sowie die Veräuße¬ rung und Verpfändung von Domanialgut an die Zustimmung der Landstände knüpfte, damit „das enge Band zwischen dem Wohlstande des Landesherrn und der Glückseligkeit der Unterthanen nie möge geschwächt oder Wohl gar aufgelöst werden." Daß er den Humanitären Bestrebungen der Zeit sehr zugänglich war, wird unter anderm auch dadurch bezeugt, daß er in seinem Lande den Versuch machte, mit Unterstützung Campes das gesamte Erziehungswesen des Landes nach philanthropischen Grundsätzen umzugestalten, was dann mit Hilfe der Land¬ stände hintertrieben wurde.*) Wie der Herzog für alle Zweige der Staats¬ verwaltung die größte Sparsamkeit forderte, so übte er sie nicht minder auch für seine Person. In der prunkvollen Weise, wie ihn Herr von Sevcntornen (S. 132) auf dem Weghause einführt, ist er ohne wichtigen Anlaß wohl nie¬ mals in seinem Lande aufgetreten. Auch muß man bezweifeln, daß er sich je in dieser Weise mit dem Fräulein von Hartefeld öffentlich gezeigt habe. Uebrigens war diese nicht Hofdame seiner Gemahlin, wieder Verfasser (S. 13S) an¬ nimmt, sondern seiner Tante, der Gemahlin Friedrichs des Großen; auch die sonstigen Nachrichten über sie sind höchst unvollständig, zum Teil unrichtig. Wie v. S. das harte Urteil über die Frau von Brcmconi, die fälschlich zur Gräfin erhoben wird (S. 134), begründen will, ist nicht abzusehen. Die Schil¬ derung, wie Karl Wilhelm Ferdinand seinen alten Erzieher, den Abt Jerusalem, damit beauftragt, die Hartefeld in den Saal zu führen, ist höchst unwahrschein¬ lich. Erzählte man sich doch, er selbst habe es seiner Zeit hintertrieben, daß der Abt diese Freundin als Stiftsdame in das adelige Stift zu Steterburg einführe, nur damit dem würdigen Geistlichen kein Ärgernis daraus er¬ wachse."*) *) Ich kann hier nicht eine erschöpfende Charakteristik des Herzogs liefern, sondern be¬ rufe mich zum Beweise für meine Behauptungen auf meinen Aufsatz in der Allgemeinen Deutschen Biographie, Bd. 15, S. 272 ff. **) Nach Aufzeichnungen eines braunschweigischen Hofmanns über das Fräulein von Hartefeld. Hdschr. in Privatbesitz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/146>, abgerufen am 03.07.2024.