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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Alexandras Aumunduros.

in Kammer und Senat zur Geltung zu bringen suchte, wirkte Perrotis in seiner
halbwilden Provinz durch Erregung von Aufstünden und Revolten auf den¬
selben Zweck hin. Obwohl ohne großen politischen Einfluß, hatte der junge
Kumunduros doch den Mut, sich dem Vorgehen Perrotis' zu widersetzen, und
mehr als den Soldaten ist es seinen energischen Bemühungen gelungen, Perrotis
aus Messenien zu vertreiben und ihn zu zwingen, in Zarte bei den englischen
Behörden Schutz zu suchen. Die Regierung belohnte Kumunduros durch den
Erlöserorden und durch die Ernennung zum Staatsanwalt von Kalamas. Als
solcher erweiterte er den Kreis seiner politischen Thätigkeit und versöhnte zunächst
den Friedensstörer Perrotis mit der Regierung; ja als im Jahre 1849 seine
erste Frau gestorben war, vermählte er sich nach anderthalb Jahren mit der
Tochter Perrotis', der jetzigen ehrwürdigen Wittwe Euthymia. Aus dieser
zweiten Ehe leben zwei Kinder, ein Sohn, Spyridon, der in Heidelberg die
Rechte studirt hat, ein Erbe vieler Vorzüge des Vaters, und eine blühende
Tochter, Olga.

Kumunduros eröffnete sich jetzt eine glänzende politische Laufbahn, indem
er 1851 zum erstenmale zum Abgeordneten von Messenien gewählt wurde.
Kraft seiner politischen Begabung nahm er in der Kammer sofort eine hervor¬
ragende Stellung ein. Im Jahre 1865 wurde er Präsident, und 1856 trat
er als Finanzminister in das durch ihn neue Kraft gewinnende Ministerium
Bulgaris. Da er aber nach höheren Zielen strebte, schloß er sich bei den
nächsten Kammerwahlen der Opposition gegen Bulgaris an und wurde aber¬
mals Finanzminister unter Miaulis, eine Stellung, aus welcher er nach zwei
Jahren wegen Meinungsverschiedenheit mit dem Kriegsminister Botzaris wieder
auftrat. Hierauf begab er sich auf Reisen nach London und Paris. Er schlug
das ihm vom letzten Kabinetspräsidenten Kolokotronis unter König Otto angebo¬
tene Portefeuille aus und schloß sich, da er sah, daß die Fortschritte des Auf¬
standes nicht zu verhindern waren und daß sein liberales Programm vom Kö¬
nige nicht angenommen wurde, an Zaimis an, der die Seele des Aufstandes
gegen den König bildete. Nach der Vertreibung Ottos wurde er 1862 unter
Bulgaris und Zaimis Minister der Justiz und beherrschte seitdem fast aus¬
schließlich die Situation.

In der Nationalversammlung (1863), welche nach der Oktoberrevolution
einberufen wurde, verteidigte Kumunduros die konservativen Prinzipien, wider¬
setzte sich in manchen Fragen den übermäßig liberalen revolutionären Elementen
jener Korporation und erreichte dadurch seinen Zweck, das Vertrauen der
konservativen Elemente zu gewinnen, die in ihm den mächtigen Vorkämpfer und
das Gegengewicht gegen augenblickliche revolutionäre Übermacht sahen. Nach
der Auflösung jener Versammlung wurde er Minister unter Canaris, und bald
darauf wurde er als politischer Führer seiner Partei anerkannt. Er übernahm
die Bildung einer neuen Regierung, nachdem der alte Admiral zurückgetreten


Alexandras Aumunduros.

in Kammer und Senat zur Geltung zu bringen suchte, wirkte Perrotis in seiner
halbwilden Provinz durch Erregung von Aufstünden und Revolten auf den¬
selben Zweck hin. Obwohl ohne großen politischen Einfluß, hatte der junge
Kumunduros doch den Mut, sich dem Vorgehen Perrotis' zu widersetzen, und
mehr als den Soldaten ist es seinen energischen Bemühungen gelungen, Perrotis
aus Messenien zu vertreiben und ihn zu zwingen, in Zarte bei den englischen
Behörden Schutz zu suchen. Die Regierung belohnte Kumunduros durch den
Erlöserorden und durch die Ernennung zum Staatsanwalt von Kalamas. Als
solcher erweiterte er den Kreis seiner politischen Thätigkeit und versöhnte zunächst
den Friedensstörer Perrotis mit der Regierung; ja als im Jahre 1849 seine
erste Frau gestorben war, vermählte er sich nach anderthalb Jahren mit der
Tochter Perrotis', der jetzigen ehrwürdigen Wittwe Euthymia. Aus dieser
zweiten Ehe leben zwei Kinder, ein Sohn, Spyridon, der in Heidelberg die
Rechte studirt hat, ein Erbe vieler Vorzüge des Vaters, und eine blühende
Tochter, Olga.

Kumunduros eröffnete sich jetzt eine glänzende politische Laufbahn, indem
er 1851 zum erstenmale zum Abgeordneten von Messenien gewählt wurde.
Kraft seiner politischen Begabung nahm er in der Kammer sofort eine hervor¬
ragende Stellung ein. Im Jahre 1865 wurde er Präsident, und 1856 trat
er als Finanzminister in das durch ihn neue Kraft gewinnende Ministerium
Bulgaris. Da er aber nach höheren Zielen strebte, schloß er sich bei den
nächsten Kammerwahlen der Opposition gegen Bulgaris an und wurde aber¬
mals Finanzminister unter Miaulis, eine Stellung, aus welcher er nach zwei
Jahren wegen Meinungsverschiedenheit mit dem Kriegsminister Botzaris wieder
auftrat. Hierauf begab er sich auf Reisen nach London und Paris. Er schlug
das ihm vom letzten Kabinetspräsidenten Kolokotronis unter König Otto angebo¬
tene Portefeuille aus und schloß sich, da er sah, daß die Fortschritte des Auf¬
standes nicht zu verhindern waren und daß sein liberales Programm vom Kö¬
nige nicht angenommen wurde, an Zaimis an, der die Seele des Aufstandes
gegen den König bildete. Nach der Vertreibung Ottos wurde er 1862 unter
Bulgaris und Zaimis Minister der Justiz und beherrschte seitdem fast aus¬
schließlich die Situation.

In der Nationalversammlung (1863), welche nach der Oktoberrevolution
einberufen wurde, verteidigte Kumunduros die konservativen Prinzipien, wider¬
setzte sich in manchen Fragen den übermäßig liberalen revolutionären Elementen
jener Korporation und erreichte dadurch seinen Zweck, das Vertrauen der
konservativen Elemente zu gewinnen, die in ihm den mächtigen Vorkämpfer und
das Gegengewicht gegen augenblickliche revolutionäre Übermacht sahen. Nach
der Auflösung jener Versammlung wurde er Minister unter Canaris, und bald
darauf wurde er als politischer Führer seiner Partei anerkannt. Er übernahm
die Bildung einer neuen Regierung, nachdem der alte Admiral zurückgetreten


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[0116] Alexandras Aumunduros. in Kammer und Senat zur Geltung zu bringen suchte, wirkte Perrotis in seiner halbwilden Provinz durch Erregung von Aufstünden und Revolten auf den¬ selben Zweck hin. Obwohl ohne großen politischen Einfluß, hatte der junge Kumunduros doch den Mut, sich dem Vorgehen Perrotis' zu widersetzen, und mehr als den Soldaten ist es seinen energischen Bemühungen gelungen, Perrotis aus Messenien zu vertreiben und ihn zu zwingen, in Zarte bei den englischen Behörden Schutz zu suchen. Die Regierung belohnte Kumunduros durch den Erlöserorden und durch die Ernennung zum Staatsanwalt von Kalamas. Als solcher erweiterte er den Kreis seiner politischen Thätigkeit und versöhnte zunächst den Friedensstörer Perrotis mit der Regierung; ja als im Jahre 1849 seine erste Frau gestorben war, vermählte er sich nach anderthalb Jahren mit der Tochter Perrotis', der jetzigen ehrwürdigen Wittwe Euthymia. Aus dieser zweiten Ehe leben zwei Kinder, ein Sohn, Spyridon, der in Heidelberg die Rechte studirt hat, ein Erbe vieler Vorzüge des Vaters, und eine blühende Tochter, Olga. Kumunduros eröffnete sich jetzt eine glänzende politische Laufbahn, indem er 1851 zum erstenmale zum Abgeordneten von Messenien gewählt wurde. Kraft seiner politischen Begabung nahm er in der Kammer sofort eine hervor¬ ragende Stellung ein. Im Jahre 1865 wurde er Präsident, und 1856 trat er als Finanzminister in das durch ihn neue Kraft gewinnende Ministerium Bulgaris. Da er aber nach höheren Zielen strebte, schloß er sich bei den nächsten Kammerwahlen der Opposition gegen Bulgaris an und wurde aber¬ mals Finanzminister unter Miaulis, eine Stellung, aus welcher er nach zwei Jahren wegen Meinungsverschiedenheit mit dem Kriegsminister Botzaris wieder auftrat. Hierauf begab er sich auf Reisen nach London und Paris. Er schlug das ihm vom letzten Kabinetspräsidenten Kolokotronis unter König Otto angebo¬ tene Portefeuille aus und schloß sich, da er sah, daß die Fortschritte des Auf¬ standes nicht zu verhindern waren und daß sein liberales Programm vom Kö¬ nige nicht angenommen wurde, an Zaimis an, der die Seele des Aufstandes gegen den König bildete. Nach der Vertreibung Ottos wurde er 1862 unter Bulgaris und Zaimis Minister der Justiz und beherrschte seitdem fast aus¬ schließlich die Situation. In der Nationalversammlung (1863), welche nach der Oktoberrevolution einberufen wurde, verteidigte Kumunduros die konservativen Prinzipien, wider¬ setzte sich in manchen Fragen den übermäßig liberalen revolutionären Elementen jener Korporation und erreichte dadurch seinen Zweck, das Vertrauen der konservativen Elemente zu gewinnen, die in ihm den mächtigen Vorkämpfer und das Gegengewicht gegen augenblickliche revolutionäre Übermacht sahen. Nach der Auflösung jener Versammlung wurde er Minister unter Canaris, und bald darauf wurde er als politischer Führer seiner Partei anerkannt. Er übernahm die Bildung einer neuen Regierung, nachdem der alte Admiral zurückgetreten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/116>, abgerufen am 03.07.2024.