Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Gladstone und die irischen Revolutionäre.

Güte seiner Sache der Gedanke an Brandfackeln, Dolche und Revolver lauere.
"Die Reformen, die ich erstrebe, sagte er, müssen gewährt werden, damit dauernder
Friede, gute Ordnung und Ruhe in Irland gesichert sei," das heißt, das
Gegenteil von Freude, Ordnung und Ruhe wird natürlich herrschen, falls man
sich weigert, mir meine Forderung zu erfüllen.

Gladstone ließ sich dadurch nicht imponiren, er bot den Drohungen der
Parnelliten Trotz und verleugnete die radikale Gruppe seines eignen Kabinets,
deren Führer Chamberlain ist. Die Rede, mit der er Parnells Äußerungen
beantwortete, hatte an mehreren Stellen einen ungewöhnlich mannhaften Charakter.
"Wir betrachten es, sagte er, als einen wesentlichen Teil unsrer Pflicht,
die klare Erkenntnis zu erwecken, daß wir nicht imstande sind, Hoffnungen zu
ermutigen, daß die Bestimmungen der Lamballe eine Störung erfahren könnten."
Und an einer andern Stelle bemerkte er mit Bezug auf Parnells Anträge:
"Die Regierung kann nicht versprechen, diese Bill zu unterstützen, sie kann sich
auf ein Unternehmen, das mit ihren deutlichen Erklärungen, keinen Vor¬
schlägen zustimmen zu können, welche die Bestimmungen der Lamballe ändern
würden, gänzlich im Widerspruche steht, nicht einlassen." Die irischen Mitglieder
des Unterhauses haben denn auch diese Sprache verstanden. Sie erklärten,
Gladstone habe "die Maske abgeworfen," er habe "über seine Meinung keinen
Zweifel übrig gelassen," seine Ausdrucksweise sei "ernst und selbst drohend ge¬
wesen," und die Regierung "gehe von neuen Grundsätzen aus." Der von
Parnell hingeworfene Handschuh ist von Gladstone aufgehoben worden, und er
hat ihm höflich zwar, aber in nicht mißzuverstehender Weise erklärt, er müsse
sich bei dem von ihm neu eröffneten Kriege "innerhalb der Grenzen der
Gesetzlichkeit und der freien Diskussion halten." Die Regierung hat aber in
dieser Rede nicht nur weitere Zugeständnisse an die irischen Radikalen ver¬
weigert, sondern auch deutlich Chamberlains unverständige Auslassung vom
23. Februar d. I. desavouirt. Chamberlain fragte damals in einem feurigen
und schwungvollen Sermon: "Was gedenken Sie für die große Masse des
irischen Volkes zu thun? Wie wollen Sie der Unzufriedenheit begegnen, die
noch immer in Irland herrscht?" Gladstone antwortete seinem Kollegen: "Wir
haben genug gethan für das irische Volk, es muß jetzt seinen Pacht bezahlen
und dem Gesetze gehorchen."

Durch die Lamballe von 1881 legte die Gesetzgebung den irischen Grund¬
eigentümern außerordentliche Opfer auf. Sie hatte dabei den Zweck vor Augen,
in einem durchwühlten Lande Ordnung und Frieden zu schaffen. Die Liberalen,
denen in der Erinnerung an die alten schweren Sünden der englischen Herrschaft
in Irland das Gewissen schlug, suchten sich auf dem sonderbaren Wege davon
zu befreien, daß sie ein Gesetz machten, nach welchem ein Teil der Jrländer
dem andern seine Verpflichtungen erlassen mußte. Man dachte dabei allerdings,
daß die verminderten Pachtgelder von jetzt ab pünktlicher eingehen, die Ver-


Gladstone und die irischen Revolutionäre.

Güte seiner Sache der Gedanke an Brandfackeln, Dolche und Revolver lauere.
„Die Reformen, die ich erstrebe, sagte er, müssen gewährt werden, damit dauernder
Friede, gute Ordnung und Ruhe in Irland gesichert sei," das heißt, das
Gegenteil von Freude, Ordnung und Ruhe wird natürlich herrschen, falls man
sich weigert, mir meine Forderung zu erfüllen.

Gladstone ließ sich dadurch nicht imponiren, er bot den Drohungen der
Parnelliten Trotz und verleugnete die radikale Gruppe seines eignen Kabinets,
deren Führer Chamberlain ist. Die Rede, mit der er Parnells Äußerungen
beantwortete, hatte an mehreren Stellen einen ungewöhnlich mannhaften Charakter.
„Wir betrachten es, sagte er, als einen wesentlichen Teil unsrer Pflicht,
die klare Erkenntnis zu erwecken, daß wir nicht imstande sind, Hoffnungen zu
ermutigen, daß die Bestimmungen der Lamballe eine Störung erfahren könnten."
Und an einer andern Stelle bemerkte er mit Bezug auf Parnells Anträge:
„Die Regierung kann nicht versprechen, diese Bill zu unterstützen, sie kann sich
auf ein Unternehmen, das mit ihren deutlichen Erklärungen, keinen Vor¬
schlägen zustimmen zu können, welche die Bestimmungen der Lamballe ändern
würden, gänzlich im Widerspruche steht, nicht einlassen." Die irischen Mitglieder
des Unterhauses haben denn auch diese Sprache verstanden. Sie erklärten,
Gladstone habe „die Maske abgeworfen," er habe „über seine Meinung keinen
Zweifel übrig gelassen," seine Ausdrucksweise sei „ernst und selbst drohend ge¬
wesen," und die Regierung „gehe von neuen Grundsätzen aus." Der von
Parnell hingeworfene Handschuh ist von Gladstone aufgehoben worden, und er
hat ihm höflich zwar, aber in nicht mißzuverstehender Weise erklärt, er müsse
sich bei dem von ihm neu eröffneten Kriege „innerhalb der Grenzen der
Gesetzlichkeit und der freien Diskussion halten." Die Regierung hat aber in
dieser Rede nicht nur weitere Zugeständnisse an die irischen Radikalen ver¬
weigert, sondern auch deutlich Chamberlains unverständige Auslassung vom
23. Februar d. I. desavouirt. Chamberlain fragte damals in einem feurigen
und schwungvollen Sermon: „Was gedenken Sie für die große Masse des
irischen Volkes zu thun? Wie wollen Sie der Unzufriedenheit begegnen, die
noch immer in Irland herrscht?" Gladstone antwortete seinem Kollegen: „Wir
haben genug gethan für das irische Volk, es muß jetzt seinen Pacht bezahlen
und dem Gesetze gehorchen."

Durch die Lamballe von 1881 legte die Gesetzgebung den irischen Grund¬
eigentümern außerordentliche Opfer auf. Sie hatte dabei den Zweck vor Augen,
in einem durchwühlten Lande Ordnung und Frieden zu schaffen. Die Liberalen,
denen in der Erinnerung an die alten schweren Sünden der englischen Herrschaft
in Irland das Gewissen schlug, suchten sich auf dem sonderbaren Wege davon
zu befreien, daß sie ein Gesetz machten, nach welchem ein Teil der Jrländer
dem andern seine Verpflichtungen erlassen mußte. Man dachte dabei allerdings,
daß die verminderten Pachtgelder von jetzt ab pünktlicher eingehen, die Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152768"/>
          <fw type="header" place="top"> Gladstone und die irischen Revolutionäre.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_14" prev="#ID_13"> Güte seiner Sache der Gedanke an Brandfackeln, Dolche und Revolver lauere.<lb/>
&#x201E;Die Reformen, die ich erstrebe, sagte er, müssen gewährt werden, damit dauernder<lb/>
Friede, gute Ordnung und Ruhe in Irland gesichert sei," das heißt, das<lb/>
Gegenteil von Freude, Ordnung und Ruhe wird natürlich herrschen, falls man<lb/>
sich weigert, mir meine Forderung zu erfüllen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_15"> Gladstone ließ sich dadurch nicht imponiren, er bot den Drohungen der<lb/>
Parnelliten Trotz und verleugnete die radikale Gruppe seines eignen Kabinets,<lb/>
deren Führer Chamberlain ist. Die Rede, mit der er Parnells Äußerungen<lb/>
beantwortete, hatte an mehreren Stellen einen ungewöhnlich mannhaften Charakter.<lb/>
&#x201E;Wir betrachten es, sagte er, als einen wesentlichen Teil unsrer Pflicht,<lb/>
die klare Erkenntnis zu erwecken, daß wir nicht imstande sind, Hoffnungen zu<lb/>
ermutigen, daß die Bestimmungen der Lamballe eine Störung erfahren könnten."<lb/>
Und an einer andern Stelle bemerkte er mit Bezug auf Parnells Anträge:<lb/>
&#x201E;Die Regierung kann nicht versprechen, diese Bill zu unterstützen, sie kann sich<lb/>
auf ein Unternehmen, das mit ihren deutlichen Erklärungen, keinen Vor¬<lb/>
schlägen zustimmen zu können, welche die Bestimmungen der Lamballe ändern<lb/>
würden, gänzlich im Widerspruche steht, nicht einlassen." Die irischen Mitglieder<lb/>
des Unterhauses haben denn auch diese Sprache verstanden. Sie erklärten,<lb/>
Gladstone habe &#x201E;die Maske abgeworfen," er habe &#x201E;über seine Meinung keinen<lb/>
Zweifel übrig gelassen," seine Ausdrucksweise sei &#x201E;ernst und selbst drohend ge¬<lb/>
wesen," und die Regierung &#x201E;gehe von neuen Grundsätzen aus." Der von<lb/>
Parnell hingeworfene Handschuh ist von Gladstone aufgehoben worden, und er<lb/>
hat ihm höflich zwar, aber in nicht mißzuverstehender Weise erklärt, er müsse<lb/>
sich bei dem von ihm neu eröffneten Kriege &#x201E;innerhalb der Grenzen der<lb/>
Gesetzlichkeit und der freien Diskussion halten." Die Regierung hat aber in<lb/>
dieser Rede nicht nur weitere Zugeständnisse an die irischen Radikalen ver¬<lb/>
weigert, sondern auch deutlich Chamberlains unverständige Auslassung vom<lb/>
23. Februar d. I. desavouirt. Chamberlain fragte damals in einem feurigen<lb/>
und schwungvollen Sermon: &#x201E;Was gedenken Sie für die große Masse des<lb/>
irischen Volkes zu thun? Wie wollen Sie der Unzufriedenheit begegnen, die<lb/>
noch immer in Irland herrscht?" Gladstone antwortete seinem Kollegen: &#x201E;Wir<lb/>
haben genug gethan für das irische Volk, es muß jetzt seinen Pacht bezahlen<lb/>
und dem Gesetze gehorchen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_16" next="#ID_17"> Durch die Lamballe von 1881 legte die Gesetzgebung den irischen Grund¬<lb/>
eigentümern außerordentliche Opfer auf. Sie hatte dabei den Zweck vor Augen,<lb/>
in einem durchwühlten Lande Ordnung und Frieden zu schaffen. Die Liberalen,<lb/>
denen in der Erinnerung an die alten schweren Sünden der englischen Herrschaft<lb/>
in Irland das Gewissen schlug, suchten sich auf dem sonderbaren Wege davon<lb/>
zu befreien, daß sie ein Gesetz machten, nach welchem ein Teil der Jrländer<lb/>
dem andern seine Verpflichtungen erlassen mußte. Man dachte dabei allerdings,<lb/>
daß die verminderten Pachtgelder von jetzt ab pünktlicher eingehen, die Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] Gladstone und die irischen Revolutionäre. Güte seiner Sache der Gedanke an Brandfackeln, Dolche und Revolver lauere. „Die Reformen, die ich erstrebe, sagte er, müssen gewährt werden, damit dauernder Friede, gute Ordnung und Ruhe in Irland gesichert sei," das heißt, das Gegenteil von Freude, Ordnung und Ruhe wird natürlich herrschen, falls man sich weigert, mir meine Forderung zu erfüllen. Gladstone ließ sich dadurch nicht imponiren, er bot den Drohungen der Parnelliten Trotz und verleugnete die radikale Gruppe seines eignen Kabinets, deren Führer Chamberlain ist. Die Rede, mit der er Parnells Äußerungen beantwortete, hatte an mehreren Stellen einen ungewöhnlich mannhaften Charakter. „Wir betrachten es, sagte er, als einen wesentlichen Teil unsrer Pflicht, die klare Erkenntnis zu erwecken, daß wir nicht imstande sind, Hoffnungen zu ermutigen, daß die Bestimmungen der Lamballe eine Störung erfahren könnten." Und an einer andern Stelle bemerkte er mit Bezug auf Parnells Anträge: „Die Regierung kann nicht versprechen, diese Bill zu unterstützen, sie kann sich auf ein Unternehmen, das mit ihren deutlichen Erklärungen, keinen Vor¬ schlägen zustimmen zu können, welche die Bestimmungen der Lamballe ändern würden, gänzlich im Widerspruche steht, nicht einlassen." Die irischen Mitglieder des Unterhauses haben denn auch diese Sprache verstanden. Sie erklärten, Gladstone habe „die Maske abgeworfen," er habe „über seine Meinung keinen Zweifel übrig gelassen," seine Ausdrucksweise sei „ernst und selbst drohend ge¬ wesen," und die Regierung „gehe von neuen Grundsätzen aus." Der von Parnell hingeworfene Handschuh ist von Gladstone aufgehoben worden, und er hat ihm höflich zwar, aber in nicht mißzuverstehender Weise erklärt, er müsse sich bei dem von ihm neu eröffneten Kriege „innerhalb der Grenzen der Gesetzlichkeit und der freien Diskussion halten." Die Regierung hat aber in dieser Rede nicht nur weitere Zugeständnisse an die irischen Radikalen ver¬ weigert, sondern auch deutlich Chamberlains unverständige Auslassung vom 23. Februar d. I. desavouirt. Chamberlain fragte damals in einem feurigen und schwungvollen Sermon: „Was gedenken Sie für die große Masse des irischen Volkes zu thun? Wie wollen Sie der Unzufriedenheit begegnen, die noch immer in Irland herrscht?" Gladstone antwortete seinem Kollegen: „Wir haben genug gethan für das irische Volk, es muß jetzt seinen Pacht bezahlen und dem Gesetze gehorchen." Durch die Lamballe von 1881 legte die Gesetzgebung den irischen Grund¬ eigentümern außerordentliche Opfer auf. Sie hatte dabei den Zweck vor Augen, in einem durchwühlten Lande Ordnung und Frieden zu schaffen. Die Liberalen, denen in der Erinnerung an die alten schweren Sünden der englischen Herrschaft in Irland das Gewissen schlug, suchten sich auf dem sonderbaren Wege davon zu befreien, daß sie ein Gesetz machten, nach welchem ein Teil der Jrländer dem andern seine Verpflichtungen erlassen mußte. Man dachte dabei allerdings, daß die verminderten Pachtgelder von jetzt ab pünktlicher eingehen, die Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/11
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/11>, abgerufen am 01.07.2024.