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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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(Äladstone und die irischen Revolutionäre.

zu schaffen. Parnell wollte dies und noch manches andre abgeschafft wissen: der
Landbesitzer sollte nach ihm gar kein Recht mehr haben, der Landbebauer alles
Recht; er sollte nicht bloß in den Genuß der von ihm vorgenommenen Ver¬
besserungen, sondern auch in den der Verbesserungen aller seiner Vorgänger auf
der Pachtung eingesetzt werden. Nicht zufrieden mit diesen ungeheuerlichen
Forderungen, welche einer gänzlichen Depossedirung der Landeigentümer nahe¬
kamen, klagte er zugleich die irischen Landkommissäre verleumderischerweise der
Bedrückung der Pächter an, womit er offenbar selbstsüchtige Zwecke verfolgte.
Er wollte uuter den Wählern daheim die Unzufriedenheit schüren, und er ge¬
dachte die Gemüter der Jrländer in Amerika zu reichlichen Spenden zu einem
neuen Kreuzzuge gegen die verhaßten Sassenach willig zu stimmen. Er hatte eine
abermalige Pilgerfahrt nach den Vereinigten Staaten vor, die ihm Gelder zur
Bezahlung einer vermehrten Armee von Homerulern verschaffen sollte. Sein An¬
trag wurde vom Unterhause mit großer Majorität verworfen, und die Erklärungen,
die der Premier während der Verhandlung der Sache abgab, waren der Art,
daß jede Aussicht auf weitere Erörterung derselben im Jahre 1883 dahinschwand.
Er sprach einmal deutlich, von der Leber weg, ohne Phrasennebel, er ließ Herrn
Parnell und seiner Gefolgschaft nicht die geringste Ermutigung zu Teil werden,
die Regierung antwortete durch seinen Mund auf das Begehren der irischen
Revolutionäre mit einem unbedingten und uneingeschränkten Nein. Sie konnte
nicht anders handeln. Die Lamballe von 1881 gründete sich auf die von dem
Hvmeruler Redmond eingebrachte Bill, die im Plane der Regierung durch Be¬
seitigung ihrer zu weit gehenden Klauseln gemildert wurde, und als diese im
Komitee als Verbesserungsantrüge wiederkehrten, trugen die Minister Sorge,
daß sie von der Mehrheit verworfen wurden. Die irischen Abgeordneten fügten
sich damals ins unvermeidliche, bis sie sich jetzt entschlossen, das Kriegsglück
noch einmal zu versuchen.

Zwischen dem Auftreten der englischen und schottischen und dem der irischen
Parlamentsmitglieder herrscht ein großer Unterschied, wenn sie Reformen be¬
fürworten. Jene suchen zu überzeugen, diese unterstützen ihre Gründe mit
Drohungen. Jene sind gewohnt, wenn sie die Grundgedanken eines Antrags
auseinandersetzen, die Vorteile der Neuerung zu betonen und darauf hinzuweisen,
daß die öffentliche Meinung ihr zustimmt. Sie gedenken zu diesem Zwecke der
Äußerungen der Presse, der Volksversammlungen und der Petitionen, welche
erklären, daß eine Reform dringend geboten sei; niemals dagegen kommt es
ihnen in den Sinn, Gewaltmittel zur Erreichung ihres Zieles auch nur im
Hintergrunde zu zeigen. Ganz anders die irische Brigade. Nicht genug, daß
man hier seine Sache auseinandersetzt und nach Möglichkeit empfiehlt und sie
dann der Entscheidung des Hauses überläßt, man droht für den Fall, daß diese
ungünstig ausfällt, mit Aufruhr und Empörung. So auch diesmal Parnell,
der deutlich merken ließ, daß im Hintergrunde seiner Überzeugung von der


(Äladstone und die irischen Revolutionäre.

zu schaffen. Parnell wollte dies und noch manches andre abgeschafft wissen: der
Landbesitzer sollte nach ihm gar kein Recht mehr haben, der Landbebauer alles
Recht; er sollte nicht bloß in den Genuß der von ihm vorgenommenen Ver¬
besserungen, sondern auch in den der Verbesserungen aller seiner Vorgänger auf
der Pachtung eingesetzt werden. Nicht zufrieden mit diesen ungeheuerlichen
Forderungen, welche einer gänzlichen Depossedirung der Landeigentümer nahe¬
kamen, klagte er zugleich die irischen Landkommissäre verleumderischerweise der
Bedrückung der Pächter an, womit er offenbar selbstsüchtige Zwecke verfolgte.
Er wollte uuter den Wählern daheim die Unzufriedenheit schüren, und er ge¬
dachte die Gemüter der Jrländer in Amerika zu reichlichen Spenden zu einem
neuen Kreuzzuge gegen die verhaßten Sassenach willig zu stimmen. Er hatte eine
abermalige Pilgerfahrt nach den Vereinigten Staaten vor, die ihm Gelder zur
Bezahlung einer vermehrten Armee von Homerulern verschaffen sollte. Sein An¬
trag wurde vom Unterhause mit großer Majorität verworfen, und die Erklärungen,
die der Premier während der Verhandlung der Sache abgab, waren der Art,
daß jede Aussicht auf weitere Erörterung derselben im Jahre 1883 dahinschwand.
Er sprach einmal deutlich, von der Leber weg, ohne Phrasennebel, er ließ Herrn
Parnell und seiner Gefolgschaft nicht die geringste Ermutigung zu Teil werden,
die Regierung antwortete durch seinen Mund auf das Begehren der irischen
Revolutionäre mit einem unbedingten und uneingeschränkten Nein. Sie konnte
nicht anders handeln. Die Lamballe von 1881 gründete sich auf die von dem
Hvmeruler Redmond eingebrachte Bill, die im Plane der Regierung durch Be¬
seitigung ihrer zu weit gehenden Klauseln gemildert wurde, und als diese im
Komitee als Verbesserungsantrüge wiederkehrten, trugen die Minister Sorge,
daß sie von der Mehrheit verworfen wurden. Die irischen Abgeordneten fügten
sich damals ins unvermeidliche, bis sie sich jetzt entschlossen, das Kriegsglück
noch einmal zu versuchen.

Zwischen dem Auftreten der englischen und schottischen und dem der irischen
Parlamentsmitglieder herrscht ein großer Unterschied, wenn sie Reformen be¬
fürworten. Jene suchen zu überzeugen, diese unterstützen ihre Gründe mit
Drohungen. Jene sind gewohnt, wenn sie die Grundgedanken eines Antrags
auseinandersetzen, die Vorteile der Neuerung zu betonen und darauf hinzuweisen,
daß die öffentliche Meinung ihr zustimmt. Sie gedenken zu diesem Zwecke der
Äußerungen der Presse, der Volksversammlungen und der Petitionen, welche
erklären, daß eine Reform dringend geboten sei; niemals dagegen kommt es
ihnen in den Sinn, Gewaltmittel zur Erreichung ihres Zieles auch nur im
Hintergrunde zu zeigen. Ganz anders die irische Brigade. Nicht genug, daß
man hier seine Sache auseinandersetzt und nach Möglichkeit empfiehlt und sie
dann der Entscheidung des Hauses überläßt, man droht für den Fall, daß diese
ungünstig ausfällt, mit Aufruhr und Empörung. So auch diesmal Parnell,
der deutlich merken ließ, daß im Hintergrunde seiner Überzeugung von der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/10>, abgerufen am 01.07.2024.