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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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des Reiches gleich gebieterisch nach zweckmäßigerer und gerechterer Kraftvertciluug
verlangen, und in der allmählichen Vermehrung der indirekten Stcnererträgnisse
wie in der Befreiung der untern Volksklassen von der direkten Steuerlast sind
die ersten Schritte nach dieser Richtung zu erblicken. Wie man auch über
Schutzzölle und Verbrauchssteuern denke" mag, im Interesse des eben bezeichn
reden Zweckes wird man sie gutheißen müssen, vorausgesetzt, daß die Absicht
der Entlastung der ärmern Klassen durch dieselben nicht vereitelt wird. Aus
demselben Grunde aber und mehr noch wird wohl der Gedanke auf Zustimmung
rechnen dürfen, daß der Mißbrauch von Gegenständen, der Verbrauch
über das Bedürfnis hinaus, welcher niemand Nutzen oder Genuß gewährt,
vielmehr der allgemeinen Wohlfahrt schadet, besteuert werden sollte. Kann
doch der notorische Verschwender nach allgemeingiltigen Rechtsgrundsätzen unter
Kuratel gestellt werden und unterliegt der empfindlichen und verletzenden Strafe
der Freiheitsbeschränkung. Und doch gereicht sein Vergehen nur seinen nächsten
Anverwandten zum Schaden, weil die von ihm verschleuderten Werte nur einen
Besitzwechsel erleiden, keineswegs aber verloren gehen. Dagegen giebt sich das
Wesen der eben als Mißbrauch bezeichneten Verschwendung dadurch zu erkennen,
daß die von ihr verschleuderten Stoffe allen Wert verlieren, mithin dem Na¬
tionalvermögen entwendet werden. Wieviel mehr müßte nicht diese Verschwen¬
dung gestraft werden, welche zur Wertvernichtung auf Kosten des Gesamtwohl¬
standes führt und nebenbei noch die Gesundheit und das Wohlbefinden der
Menschen gefährdet? Mit keinem andern Stoffe aber wird so verschwenderisch
gewirtschaftet wie mit dem Brennstoffe.

Daß die in unsern unterirdische" Kohlenschätzeu aufgespeicherte Wärmequelle,
aus welcher wir unser Wärmcbedürfnis hauptsächlich befriedigen, in absehbarer
Zeit versiegen wird, ist allbekannt. Der Gedanke, daß diese Erschöpfung schon
bei unsern Lebzeiten erfolgen könnte, macht uns unwillkürlich frösteln, denn
wir wissen, daß mit dem, was unsre Holzbestände liefern, nicht mehr auszukommen
ist. Was dann? Der Glaube an die Elektrizität, als den Heiland der Zu¬
kunft, für welchen Schwärmer sie ausgeben möchten, kann uns nicht erwärmen,
ebensowenig wie wir uns auf das Wassergas vertrösten lassen können, denn so
lange der Beweis nicht erbracht wird, daß man ohne Anwendung von Wärme
elektrischen Strom von genügender Intensität oder Wassergas zu erzeugen ver¬
möge, so lange halten wir die Kohlen für einen unersetzlichen Schatz, mit welchem
haushälterisch umzugehen die Rücksicht auf unsre Nachkommen gebietet.

Wie aber steht es mit der Wirtschaft des Kohlenverbrauchs! Nicht nur,
daß unsre Fenerungsanlagen, mögen dieselbe" dem Hausbedarf oder industriellen
Zwecken dienen, mit wenig Ausnahmen von so primitiver Beschaffenheit sind,
daß in denselben eine nur höchst oberflächliche Ausnutzung des Heizwertes der
Kohlen stattfinden kaun; nein, Mangel an Verständnis, Vorurteil und die Nei¬
gung zur Bequemlichkeit bei dem Bedienungspersonal verursachen in noch höherm


des Reiches gleich gebieterisch nach zweckmäßigerer und gerechterer Kraftvertciluug
verlangen, und in der allmählichen Vermehrung der indirekten Stcnererträgnisse
wie in der Befreiung der untern Volksklassen von der direkten Steuerlast sind
die ersten Schritte nach dieser Richtung zu erblicken. Wie man auch über
Schutzzölle und Verbrauchssteuern denke» mag, im Interesse des eben bezeichn
reden Zweckes wird man sie gutheißen müssen, vorausgesetzt, daß die Absicht
der Entlastung der ärmern Klassen durch dieselben nicht vereitelt wird. Aus
demselben Grunde aber und mehr noch wird wohl der Gedanke auf Zustimmung
rechnen dürfen, daß der Mißbrauch von Gegenständen, der Verbrauch
über das Bedürfnis hinaus, welcher niemand Nutzen oder Genuß gewährt,
vielmehr der allgemeinen Wohlfahrt schadet, besteuert werden sollte. Kann
doch der notorische Verschwender nach allgemeingiltigen Rechtsgrundsätzen unter
Kuratel gestellt werden und unterliegt der empfindlichen und verletzenden Strafe
der Freiheitsbeschränkung. Und doch gereicht sein Vergehen nur seinen nächsten
Anverwandten zum Schaden, weil die von ihm verschleuderten Werte nur einen
Besitzwechsel erleiden, keineswegs aber verloren gehen. Dagegen giebt sich das
Wesen der eben als Mißbrauch bezeichneten Verschwendung dadurch zu erkennen,
daß die von ihr verschleuderten Stoffe allen Wert verlieren, mithin dem Na¬
tionalvermögen entwendet werden. Wieviel mehr müßte nicht diese Verschwen¬
dung gestraft werden, welche zur Wertvernichtung auf Kosten des Gesamtwohl¬
standes führt und nebenbei noch die Gesundheit und das Wohlbefinden der
Menschen gefährdet? Mit keinem andern Stoffe aber wird so verschwenderisch
gewirtschaftet wie mit dem Brennstoffe.

Daß die in unsern unterirdische» Kohlenschätzeu aufgespeicherte Wärmequelle,
aus welcher wir unser Wärmcbedürfnis hauptsächlich befriedigen, in absehbarer
Zeit versiegen wird, ist allbekannt. Der Gedanke, daß diese Erschöpfung schon
bei unsern Lebzeiten erfolgen könnte, macht uns unwillkürlich frösteln, denn
wir wissen, daß mit dem, was unsre Holzbestände liefern, nicht mehr auszukommen
ist. Was dann? Der Glaube an die Elektrizität, als den Heiland der Zu¬
kunft, für welchen Schwärmer sie ausgeben möchten, kann uns nicht erwärmen,
ebensowenig wie wir uns auf das Wassergas vertrösten lassen können, denn so
lange der Beweis nicht erbracht wird, daß man ohne Anwendung von Wärme
elektrischen Strom von genügender Intensität oder Wassergas zu erzeugen ver¬
möge, so lange halten wir die Kohlen für einen unersetzlichen Schatz, mit welchem
haushälterisch umzugehen die Rücksicht auf unsre Nachkommen gebietet.

Wie aber steht es mit der Wirtschaft des Kohlenverbrauchs! Nicht nur,
daß unsre Fenerungsanlagen, mögen dieselbe» dem Hausbedarf oder industriellen
Zwecken dienen, mit wenig Ausnahmen von so primitiver Beschaffenheit sind,
daß in denselben eine nur höchst oberflächliche Ausnutzung des Heizwertes der
Kohlen stattfinden kaun; nein, Mangel an Verständnis, Vorurteil und die Nei¬
gung zur Bequemlichkeit bei dem Bedienungspersonal verursachen in noch höherm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/77>, abgerufen am 23.07.2024.