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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

Während de Brazza seine dritte Faktorei am obern Alima einrichtete, traf
der Schiffsfähndrich Mizo mit zwei andern Franzose" aus Europa am Ogowe
ein. Dieselben langten um die Mitte des September 1881 in Franceville an,
und Mizo übernahm die Leitung dieser Station. De Brazza aber kehrte jetzt
nach Paris zurück, wo er der Regierung seinen Vertrag mit Makoto vorlegte
und diese sowie die Kammern bewog, ihn zu ratifiziren und ihn weiter zu unter¬
stützen. Die Folge war, daß eine größere französische Expedition nach dem
Kongothale aufbrach. Eine Kompagnie algerischer Schützen wird den Reisenden,
der jetzt Offizier der französischen Flotte geworden ist, als Eskorte begleiten,
ein französisches Kanonenboot ist zu seiner Versügung gestellt worden, und man
hat ihn mit reichlichen Vorräten an Waffen und Munition versehen. Er zog
als Agent der Internationalen Gesellschaft, einer Pnvatgenossenschaft, aus und
verwandelte sich bei seiner Rückkehr in einen Beamten und Offizier einer großen
kontinentalen Regierung, der sich jetzt nach Afrika begeben hat, um die Erfüllung
eines Vertrages, welcher dieser Regierung ausschließliche Privilegien verleiht,
nötigenfalls mit Gewaltmitteln durchzusetzen. Mit andern Worten: wo bisher
europäische Unternehmer neutrale Personen waren, die kein nationales Symbol
vereinigte, und die unter keiner Regierung dienten, sondern reine Privatleute
waren, kommt dieser Unternehmer mit einer Tricolore in der Hand und im
Namen und Auftrage der französischen Regierung und versetzt damit das Vor¬
gehen im Kongothale auf einen ganz neuen und nicht ungefährlichen Boden.
Er hat den ursprünglichen Plan einer friedliche" Eroberung des Landes unter¬
graben und mit Bewußtsein und Absicht Grund zu Streitigkeiten gelegt.

Uns Deutschen kann das recht sein, wie alle ähnlichen Unternehmungen
der Franzosen in fernen Gegenden. In England aber ist man darüber in
hohem Grade mißtrauisch geworden, sowohl in der Kaufmannswelt als im
Parlament. Schon sind in der Sache Anfragen an die Minister ergangen,
und Jakob Bright hat als Sprecher für die Fabrikanten in seiner Wählerschaft
eine Motion angekündigt, welche eine gründliche Besprechung der ganzen An¬
gelegenheit zur Folge haben wird. Auch die Londoner Presse hat sich des
Gegenstandes bereits bemächtigt und bespricht ihn in Ausdrücken, die den
Franzosen durchaus nicht schmeicheln. So sagt der vint^ Isis^xu u. a.:
"Was das Publikum zu wissen wünschen muß, ist, wie England sich zur Frage
dieser großen Einfahrt in das Innere Afrikas stellt, in welchem Grade unsre
Handelsinteressen von dem Thun und Treiben der verschiedenen Parteien berührt
werden, die gegenwärtig stromaufwärts vordringen, und ob irgend eine derselben
auf geraden oder krummen Wegen sich ausschließliche Vorteile zu verschaffen
strebt. Es ist möglich, daß aus Stanleys glänzender Entdeckung internationale
Verwicklungen hätten hervorgehen können, aber sei dem, wie ihm wolle, die
Quelle und der Ursprung der jetzt bestehenden Schwierigkeiten ist einzig und
allein in dem eigentümlichen Verfahren de Brazzas zu suchen, welcher meinte,


Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

Während de Brazza seine dritte Faktorei am obern Alima einrichtete, traf
der Schiffsfähndrich Mizo mit zwei andern Franzose» aus Europa am Ogowe
ein. Dieselben langten um die Mitte des September 1881 in Franceville an,
und Mizo übernahm die Leitung dieser Station. De Brazza aber kehrte jetzt
nach Paris zurück, wo er der Regierung seinen Vertrag mit Makoto vorlegte
und diese sowie die Kammern bewog, ihn zu ratifiziren und ihn weiter zu unter¬
stützen. Die Folge war, daß eine größere französische Expedition nach dem
Kongothale aufbrach. Eine Kompagnie algerischer Schützen wird den Reisenden,
der jetzt Offizier der französischen Flotte geworden ist, als Eskorte begleiten,
ein französisches Kanonenboot ist zu seiner Versügung gestellt worden, und man
hat ihn mit reichlichen Vorräten an Waffen und Munition versehen. Er zog
als Agent der Internationalen Gesellschaft, einer Pnvatgenossenschaft, aus und
verwandelte sich bei seiner Rückkehr in einen Beamten und Offizier einer großen
kontinentalen Regierung, der sich jetzt nach Afrika begeben hat, um die Erfüllung
eines Vertrages, welcher dieser Regierung ausschließliche Privilegien verleiht,
nötigenfalls mit Gewaltmitteln durchzusetzen. Mit andern Worten: wo bisher
europäische Unternehmer neutrale Personen waren, die kein nationales Symbol
vereinigte, und die unter keiner Regierung dienten, sondern reine Privatleute
waren, kommt dieser Unternehmer mit einer Tricolore in der Hand und im
Namen und Auftrage der französischen Regierung und versetzt damit das Vor¬
gehen im Kongothale auf einen ganz neuen und nicht ungefährlichen Boden.
Er hat den ursprünglichen Plan einer friedliche» Eroberung des Landes unter¬
graben und mit Bewußtsein und Absicht Grund zu Streitigkeiten gelegt.

Uns Deutschen kann das recht sein, wie alle ähnlichen Unternehmungen
der Franzosen in fernen Gegenden. In England aber ist man darüber in
hohem Grade mißtrauisch geworden, sowohl in der Kaufmannswelt als im
Parlament. Schon sind in der Sache Anfragen an die Minister ergangen,
und Jakob Bright hat als Sprecher für die Fabrikanten in seiner Wählerschaft
eine Motion angekündigt, welche eine gründliche Besprechung der ganzen An¬
gelegenheit zur Folge haben wird. Auch die Londoner Presse hat sich des
Gegenstandes bereits bemächtigt und bespricht ihn in Ausdrücken, die den
Franzosen durchaus nicht schmeicheln. So sagt der vint^ Isis^xu u. a.:
„Was das Publikum zu wissen wünschen muß, ist, wie England sich zur Frage
dieser großen Einfahrt in das Innere Afrikas stellt, in welchem Grade unsre
Handelsinteressen von dem Thun und Treiben der verschiedenen Parteien berührt
werden, die gegenwärtig stromaufwärts vordringen, und ob irgend eine derselben
auf geraden oder krummen Wegen sich ausschließliche Vorteile zu verschaffen
strebt. Es ist möglich, daß aus Stanleys glänzender Entdeckung internationale
Verwicklungen hätten hervorgehen können, aber sei dem, wie ihm wolle, die
Quelle und der Ursprung der jetzt bestehenden Schwierigkeiten ist einzig und
allein in dem eigentümlichen Verfahren de Brazzas zu suchen, welcher meinte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/669>, abgerufen am 23.07.2024.