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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

vielleicht bis zu dem Punkte im Innern erstreckt haben würde, wo der Lualuba
den großen Landsee verläßt. Und wäre dieser Gedanke auch nicht auszuführen
gewesen, so kann niemand mit Fug daran zweifeln, daß ein langer und breiter
Gebietsstreifen im Zentrum Afrikas auf diesem Wege in Zustände versetzt worden
wäre, welche den dort hausenden wilden Stämmen große Vorteile gebracht und
der europäischen Spekulation und Arbeit neue Märkte geboten hätten. Das
alles ist auch uoch heute möglich, aber leider nicht mehr recht wahrscheinlich.
Wir sehen uns vielmehr vor das Bedenken gestellt, ob der Same der Zwietracht,
der bereits ausgestreut ist, nicht aufgehen und alle jene schönen Pläne und
Hoffnungen vereiteln wird.

Der eine Zweig der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft reichte nach
Frankreich hinein. Der Führer der Expedition, welche derselbe nach Westafrika
auf Entdeckungen aussandte, war der tapfere und thatkräftige Graf Savorgncm
de Brazza, der sich nicht damit begnügte, innerhalb der Linien seiner Auftrag¬
geber zu arbeiten, sondern seine Bemühungen ganz und gar darauf richtete, der
französischen Republik einen Vorteil zuzuwenden, indem er ihr eine neue Ko¬
lonie zu verschaffen bestrebt war. De Brazza reiste, unterstützt von der fran¬
zösischen Regierung, im Jahre 1879 nach dem Kongo ab. Er näherte sich
demselben von Norden her, d. h. er fuhr den Ogowefluß hinauf und stieß nach
einer mühseligen und gefährlichen Wanderung östlich vom Stanley-Pook, einer
seeartigen Erweiterung des Kongo, auf diesen Strom. Noch einmal brach er
nach dem obern Ogowe auf, dann kehrte er nach dem Ufer des Kongo zurück,
und hier begann er die Ausführung seiner politischen Absichten, indem er in
Jbaka, an der Mündung des obengenannten Jbari Nkutu, eines von Süden
her dem Kongo zuströmenden Flusses, sich von Makoto, einem der vielen kleinen
Fürsten oder Häuptlinge, die jetzt das Kougovolk beherrschen, die Erlaubnis
zur Anlegung einer Station in der Nähe des Stanley-Pook erwirkte und sich
vertragsmäßig gegen Geschenke für Frankreich ein beträchtliches Stück Land ab¬
treten ließ, auf dem er die Faktorei Brazzaville anlegte, nachdem er zuvor schou
am obern Ogowe die Station Franceville errichtet hatte. Über Vivi ging
Brazza alsdann nach der Mündung des Kongo und von dort nach dem Gabun¬
flusse, wo er um Weihnachten 1880 eintraf, und von wo er sich wieder nach
Franceville begab. Dann legte er an dem von ihm im Jahre 1878 entdeckten
Alima, einem andern Ueberflusse des Kongo, 1881 eine dritte Station an,
die er Pohle d'Alima nannte, und die an der Stelle liegt, wo der Alima schiffbar
wird. Da nach seinen Angaben die Gegend zwischen diefem und dem Ogowe frucht¬
bar und dicht bewohnt ist, da sich ferner ohne viel Schwierigkeit hier Fahrstraßen
erbauen lassen, da ferner die dort hausenden Negerstämme friedlich und ihm
günstig gesinnt sind, und da ihm endlich auch am Kongo bisher keine Hinder¬
nisse in den Weg gelegt worden sind, so hat es den Anschein, als würden ihm
seine Absichten gelingen.


Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar.

vielleicht bis zu dem Punkte im Innern erstreckt haben würde, wo der Lualuba
den großen Landsee verläßt. Und wäre dieser Gedanke auch nicht auszuführen
gewesen, so kann niemand mit Fug daran zweifeln, daß ein langer und breiter
Gebietsstreifen im Zentrum Afrikas auf diesem Wege in Zustände versetzt worden
wäre, welche den dort hausenden wilden Stämmen große Vorteile gebracht und
der europäischen Spekulation und Arbeit neue Märkte geboten hätten. Das
alles ist auch uoch heute möglich, aber leider nicht mehr recht wahrscheinlich.
Wir sehen uns vielmehr vor das Bedenken gestellt, ob der Same der Zwietracht,
der bereits ausgestreut ist, nicht aufgehen und alle jene schönen Pläne und
Hoffnungen vereiteln wird.

Der eine Zweig der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft reichte nach
Frankreich hinein. Der Führer der Expedition, welche derselbe nach Westafrika
auf Entdeckungen aussandte, war der tapfere und thatkräftige Graf Savorgncm
de Brazza, der sich nicht damit begnügte, innerhalb der Linien seiner Auftrag¬
geber zu arbeiten, sondern seine Bemühungen ganz und gar darauf richtete, der
französischen Republik einen Vorteil zuzuwenden, indem er ihr eine neue Ko¬
lonie zu verschaffen bestrebt war. De Brazza reiste, unterstützt von der fran¬
zösischen Regierung, im Jahre 1879 nach dem Kongo ab. Er näherte sich
demselben von Norden her, d. h. er fuhr den Ogowefluß hinauf und stieß nach
einer mühseligen und gefährlichen Wanderung östlich vom Stanley-Pook, einer
seeartigen Erweiterung des Kongo, auf diesen Strom. Noch einmal brach er
nach dem obern Ogowe auf, dann kehrte er nach dem Ufer des Kongo zurück,
und hier begann er die Ausführung seiner politischen Absichten, indem er in
Jbaka, an der Mündung des obengenannten Jbari Nkutu, eines von Süden
her dem Kongo zuströmenden Flusses, sich von Makoto, einem der vielen kleinen
Fürsten oder Häuptlinge, die jetzt das Kougovolk beherrschen, die Erlaubnis
zur Anlegung einer Station in der Nähe des Stanley-Pook erwirkte und sich
vertragsmäßig gegen Geschenke für Frankreich ein beträchtliches Stück Land ab¬
treten ließ, auf dem er die Faktorei Brazzaville anlegte, nachdem er zuvor schou
am obern Ogowe die Station Franceville errichtet hatte. Über Vivi ging
Brazza alsdann nach der Mündung des Kongo und von dort nach dem Gabun¬
flusse, wo er um Weihnachten 1880 eintraf, und von wo er sich wieder nach
Franceville begab. Dann legte er an dem von ihm im Jahre 1878 entdeckten
Alima, einem andern Ueberflusse des Kongo, 1881 eine dritte Station an,
die er Pohle d'Alima nannte, und die an der Stelle liegt, wo der Alima schiffbar
wird. Da nach seinen Angaben die Gegend zwischen diefem und dem Ogowe frucht¬
bar und dicht bewohnt ist, da sich ferner ohne viel Schwierigkeit hier Fahrstraßen
erbauen lassen, da ferner die dort hausenden Negerstämme friedlich und ihm
günstig gesinnt sind, und da ihm endlich auch am Kongo bisher keine Hinder¬
nisse in den Weg gelegt worden sind, so hat es den Anschein, als würden ihm
seine Absichten gelingen.


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[0668] Die Franzosen am Kongo und in Madagaskar. vielleicht bis zu dem Punkte im Innern erstreckt haben würde, wo der Lualuba den großen Landsee verläßt. Und wäre dieser Gedanke auch nicht auszuführen gewesen, so kann niemand mit Fug daran zweifeln, daß ein langer und breiter Gebietsstreifen im Zentrum Afrikas auf diesem Wege in Zustände versetzt worden wäre, welche den dort hausenden wilden Stämmen große Vorteile gebracht und der europäischen Spekulation und Arbeit neue Märkte geboten hätten. Das alles ist auch uoch heute möglich, aber leider nicht mehr recht wahrscheinlich. Wir sehen uns vielmehr vor das Bedenken gestellt, ob der Same der Zwietracht, der bereits ausgestreut ist, nicht aufgehen und alle jene schönen Pläne und Hoffnungen vereiteln wird. Der eine Zweig der Internationalen Afrikanischen Gesellschaft reichte nach Frankreich hinein. Der Führer der Expedition, welche derselbe nach Westafrika auf Entdeckungen aussandte, war der tapfere und thatkräftige Graf Savorgncm de Brazza, der sich nicht damit begnügte, innerhalb der Linien seiner Auftrag¬ geber zu arbeiten, sondern seine Bemühungen ganz und gar darauf richtete, der französischen Republik einen Vorteil zuzuwenden, indem er ihr eine neue Ko¬ lonie zu verschaffen bestrebt war. De Brazza reiste, unterstützt von der fran¬ zösischen Regierung, im Jahre 1879 nach dem Kongo ab. Er näherte sich demselben von Norden her, d. h. er fuhr den Ogowefluß hinauf und stieß nach einer mühseligen und gefährlichen Wanderung östlich vom Stanley-Pook, einer seeartigen Erweiterung des Kongo, auf diesen Strom. Noch einmal brach er nach dem obern Ogowe auf, dann kehrte er nach dem Ufer des Kongo zurück, und hier begann er die Ausführung seiner politischen Absichten, indem er in Jbaka, an der Mündung des obengenannten Jbari Nkutu, eines von Süden her dem Kongo zuströmenden Flusses, sich von Makoto, einem der vielen kleinen Fürsten oder Häuptlinge, die jetzt das Kougovolk beherrschen, die Erlaubnis zur Anlegung einer Station in der Nähe des Stanley-Pook erwirkte und sich vertragsmäßig gegen Geschenke für Frankreich ein beträchtliches Stück Land ab¬ treten ließ, auf dem er die Faktorei Brazzaville anlegte, nachdem er zuvor schou am obern Ogowe die Station Franceville errichtet hatte. Über Vivi ging Brazza alsdann nach der Mündung des Kongo und von dort nach dem Gabun¬ flusse, wo er um Weihnachten 1880 eintraf, und von wo er sich wieder nach Franceville begab. Dann legte er an dem von ihm im Jahre 1878 entdeckten Alima, einem andern Ueberflusse des Kongo, 1881 eine dritte Station an, die er Pohle d'Alima nannte, und die an der Stelle liegt, wo der Alima schiffbar wird. Da nach seinen Angaben die Gegend zwischen diefem und dem Ogowe frucht¬ bar und dicht bewohnt ist, da sich ferner ohne viel Schwierigkeit hier Fahrstraßen erbauen lassen, da ferner die dort hausenden Negerstämme friedlich und ihm günstig gesinnt sind, und da ihm endlich auch am Kongo bisher keine Hinder¬ nisse in den Weg gelegt worden sind, so hat es den Anschein, als würden ihm seine Absichten gelingen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/668>, abgerufen am 23.07.2024.