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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Aus Rüben' Tehrjahrens.

Während Goeler von Ravensburg den resümirenden Teil seiner Arbeit auf
fünfzig Seiten beschränkt hat, ist der Schwerpunkt von ihm auf die Aufzählung
und Beschreibung derjenigen Gemälde von Rubens gelegt worden, deren Stoffe
der antiken Mythologie und Geschichte entlehnt sind oder in welchen irgend ein
antikes Element verwertet worden ist. Was nützt uns aber dieses räsonnirende
Verzeichnis, in welchem literarhistorische, ästhetische und kritische Bemerkungen
durcheinander gemacht werden? Auf Vollständigkeit kann dieses Verzeichnis
keinen Anspruch machen, da einige Galerien, wie z, B. die Brüsseler, garnicht,
andre, wie die Petersburger Eremitage, nur oberflächlich benutzt worden sind.
Aus der erstem hätte der "Besuch der Venus in der Schmiede des Vulkan,"
aus der letztern die "Statue der Ceres" zitirt werden müssen, welche besonders
wichtig in Bezug auf die von Rubens in dem Fragmente "Über die Nach¬
ahmung der Statuen" niedergelegten Ansichten ist. Ans das Feld der Bilder¬
kritik hätte sich der Verfasser garnicht wagen sollen, da ihm nur in seltnen
Fällen Autopsie zur Seite zu stehen scheint. Wie aus Anmerkungen und Zitaten
hervorgeht, beruht seine Bilderkenntnis vorzugsweise auf gedruckten Quellen und
brieflichen Mitteilungen von Galeriebcmnten. Dabei verfährt er aber sehr will¬
kürlich. Einmal führt er den gelehrten Konservator des Nus66 VlMtin-Norsw"
in Antwerpen, Dr. Max Rooses, als Autorität ins Feld. Ein andresmal be¬
streitet er dieselbe, indem er die von Rooses mit gutem Grunde ausgesprochene
Ansicht, "daß unter den mythologischen Bildern von Rubens Werke seiner eignen
Hand recht selten seien," zu erschüttern sucht. Bei Erwähnung des Berliner
Gemäldes "Neptun und Amphitrite" tritt der Verfasser sehr warm für die
"vortreffliche Abhandlung" des Herrn Dr. Bode über dieses Bild ein. Was
wird er dazu sagen, wenn er erfährt, daß das Parisurteil der Dresdner Galerie,
dessen Echtheit er sich von Herrn Inspektor Gustav Müller bescheinigen läßt,
auch von Herrn Dr. Bode und zwar mit vollem Rechte "angezweifelt" worden
ist? Eine Neuigkeit ist dieser von Herrn Dr. Bode erhobene Zweifel allerdings
nur für Goeler von Ravensburg, da Bode denselben bereits 1873 in Zahns
Jahrbüchern sür Kunstwissenschaft ausgesprochen hat. Wie der berühmte "Liebes¬
garten" ist auch dieses "Parisurteil" eine Schülerarbeit, und zwar vermutlich
eine Kopie des Erasmus Quellinus, welcher Rubens in den letzten Jahren seines
Lebens sehr nahe gestanden hat und dessen Hand sich auch auf andern, dem
Meister zugeschriebenen Gemälden nachweisen läßt. Aus jenem Aufsatze Bodes,
den man mit Bezug auf die Rubensbilder der Dresdner Galerie in jeder Zeile
gutheißen darf, würde der Verfasser auch die für ihn betrübende Nachricht er¬
halten haben, daß die beiden Darstellungen der "Rückkehr der Diana von der
Jagd," an welche er sinnige Betrachtungen über Zeichnung und Kolorit des
Meisters knüpft, nur Schulkopien sind, die auf das Darmstädter Original
zurückgehen. Auf dem Gebiete der Bilderkritik also Mißgeschick über Mi߬
geschick!


Aus Rüben' Tehrjahrens.

Während Goeler von Ravensburg den resümirenden Teil seiner Arbeit auf
fünfzig Seiten beschränkt hat, ist der Schwerpunkt von ihm auf die Aufzählung
und Beschreibung derjenigen Gemälde von Rubens gelegt worden, deren Stoffe
der antiken Mythologie und Geschichte entlehnt sind oder in welchen irgend ein
antikes Element verwertet worden ist. Was nützt uns aber dieses räsonnirende
Verzeichnis, in welchem literarhistorische, ästhetische und kritische Bemerkungen
durcheinander gemacht werden? Auf Vollständigkeit kann dieses Verzeichnis
keinen Anspruch machen, da einige Galerien, wie z, B. die Brüsseler, garnicht,
andre, wie die Petersburger Eremitage, nur oberflächlich benutzt worden sind.
Aus der erstem hätte der „Besuch der Venus in der Schmiede des Vulkan,"
aus der letztern die „Statue der Ceres" zitirt werden müssen, welche besonders
wichtig in Bezug auf die von Rubens in dem Fragmente „Über die Nach¬
ahmung der Statuen" niedergelegten Ansichten ist. Ans das Feld der Bilder¬
kritik hätte sich der Verfasser garnicht wagen sollen, da ihm nur in seltnen
Fällen Autopsie zur Seite zu stehen scheint. Wie aus Anmerkungen und Zitaten
hervorgeht, beruht seine Bilderkenntnis vorzugsweise auf gedruckten Quellen und
brieflichen Mitteilungen von Galeriebcmnten. Dabei verfährt er aber sehr will¬
kürlich. Einmal führt er den gelehrten Konservator des Nus66 VlMtin-Norsw«
in Antwerpen, Dr. Max Rooses, als Autorität ins Feld. Ein andresmal be¬
streitet er dieselbe, indem er die von Rooses mit gutem Grunde ausgesprochene
Ansicht, „daß unter den mythologischen Bildern von Rubens Werke seiner eignen
Hand recht selten seien," zu erschüttern sucht. Bei Erwähnung des Berliner
Gemäldes „Neptun und Amphitrite" tritt der Verfasser sehr warm für die
„vortreffliche Abhandlung" des Herrn Dr. Bode über dieses Bild ein. Was
wird er dazu sagen, wenn er erfährt, daß das Parisurteil der Dresdner Galerie,
dessen Echtheit er sich von Herrn Inspektor Gustav Müller bescheinigen läßt,
auch von Herrn Dr. Bode und zwar mit vollem Rechte „angezweifelt" worden
ist? Eine Neuigkeit ist dieser von Herrn Dr. Bode erhobene Zweifel allerdings
nur für Goeler von Ravensburg, da Bode denselben bereits 1873 in Zahns
Jahrbüchern sür Kunstwissenschaft ausgesprochen hat. Wie der berühmte „Liebes¬
garten" ist auch dieses „Parisurteil" eine Schülerarbeit, und zwar vermutlich
eine Kopie des Erasmus Quellinus, welcher Rubens in den letzten Jahren seines
Lebens sehr nahe gestanden hat und dessen Hand sich auch auf andern, dem
Meister zugeschriebenen Gemälden nachweisen läßt. Aus jenem Aufsatze Bodes,
den man mit Bezug auf die Rubensbilder der Dresdner Galerie in jeder Zeile
gutheißen darf, würde der Verfasser auch die für ihn betrübende Nachricht er¬
halten haben, daß die beiden Darstellungen der „Rückkehr der Diana von der
Jagd," an welche er sinnige Betrachtungen über Zeichnung und Kolorit des
Meisters knüpft, nur Schulkopien sind, die auf das Darmstädter Original
zurückgehen. Auf dem Gebiete der Bilderkritik also Mißgeschick über Mi߬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/647>, abgerufen am 23.07.2024.