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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Aus Rubens' kehrjahren.

daß diese allerdings sehr weitläufige Verwandtschaft den Anlaß gegeben habe,
Rubens bei Verhaecht in die Lehre zu geben. Aber diese Heirat fand erst im
Jahre 1592 statt, also zu einer Zeit, wo Rubens nach der alten Rechnung zu
Adam van Noort übersiedelte. Angesichts des klaren Wortlauts der Familien¬
biographie und des Fehlens von Rubens' Namen unter den Lehrlingen Ver-
haechts müssen wir den letztern so lange aus der Reihe von Rubens' Lehrern
streichen, bis bessere Beweise beigebracht worden sind. Wir dürfen dies umso
eher thun, als nicht ein einziges Bild Verhaechts auf uns gekommen ist, aus
dem sich konstatiren ließe, welchen Einfluß er etwa auf Rubens gehabt. Und
dieselbe auffallende Thatsache kehrt auch in Bezug auf Adam van Noort und
Otto van Veer wieder. Von dem erstern ist ebenfalls kein Gemälde erhalten,
welches ihm mit absoluter Sicherheit zugeschrieben werden kann. Aus den we¬
nigen Werken van Veeus aber läßt sich keine Verwandtschaft zwischen ihm und
Rubens ableiten. Und auch von Rubens selbst ist aus seiner ersten Antwerpener
Periode bis 1600 kein authentisches Stück übrig geblieben. Otto van Veens
Einfluß auf Rubens wird vorwiegend ein literarischer gewesen sein, da der
Maler zugleich lateinische Verse machte und allegorische und emblematische Werke
mit bildlichen Darstellungen herausgab.

Diesen geistigen Verkehr zwischen Meister und Schüler hätte Goeler von
Ravensburg aus den literarischen Arbeiten Otto van Veens schildern sollen.
Er hätte die Erzeugnisse der Druckerei Plantin-Moretus, welche Rubens mit
großem Eifer verfolgte, mit heranziehe", die Lektüre des Malers nach den zahl¬
reichen Notizen kontrolircn sollen, welche sich in seiner Korrespondenz finden.
Daraus hätten sich wertvolle Aufschlüsse über Rubens' mythologische Kennt¬
nisse, über sein Verhältnis zur Antike ergeben. Doch nichts von alledem findet
sich in dem vorliegenden Buche, welches wie das Herbarium eines Botanikers
aussieht: vertrocknete und verstaubte Gelehrsamkeit, die einen alexandrinischen
Charakter, aber nicht in dem guten Sinne des Aristarch, trägt. Hätte der Ver¬
fasser wenigstens die Bücher gelesen, welche er in den Noten zitirt! Dann
wäre ihm nicht das Versehen Passirt, von dem bekannten Brief über die antiken
Dreifüße an Peiresc zu behaupten, daß das italienische Original verloren ge¬
gangen sei, während dasselbe in dem Werke von Sainsbury, welches Goeler von
Ravensburg zitirt, in Mehr80 und ausführlicher als in der französischen Über¬
setzung bei Gachet abgedruckt ist. Noch schlimmer und fast unverantwortlich ist
es, wenn er über den Inhalt von Abhandlungen urteilt, die er nicht gelesen
hat. So behauptet er auf S. 73 seiner Kompilation, der Unterzeichnete hätte
in einem Artikel der "Grenzboten" gegen die Echtheit des im Berliner Mu¬
seum befindlichen Bildes "Neptun und Amphitrite" geschrieben. Davon steht
in meinem Artikel keine Silbe. Ich habe nur die Ansicht derer bekämpft, welche
meinen, daß das Bild eine völlig eigenhändige Arbeit von Rubens sei, da ich der
Meinung bin, daß das meiste an diesem Bilde von der Hand seiner Schüler herrührt.


Aus Rubens' kehrjahren.

daß diese allerdings sehr weitläufige Verwandtschaft den Anlaß gegeben habe,
Rubens bei Verhaecht in die Lehre zu geben. Aber diese Heirat fand erst im
Jahre 1592 statt, also zu einer Zeit, wo Rubens nach der alten Rechnung zu
Adam van Noort übersiedelte. Angesichts des klaren Wortlauts der Familien¬
biographie und des Fehlens von Rubens' Namen unter den Lehrlingen Ver-
haechts müssen wir den letztern so lange aus der Reihe von Rubens' Lehrern
streichen, bis bessere Beweise beigebracht worden sind. Wir dürfen dies umso
eher thun, als nicht ein einziges Bild Verhaechts auf uns gekommen ist, aus
dem sich konstatiren ließe, welchen Einfluß er etwa auf Rubens gehabt. Und
dieselbe auffallende Thatsache kehrt auch in Bezug auf Adam van Noort und
Otto van Veer wieder. Von dem erstern ist ebenfalls kein Gemälde erhalten,
welches ihm mit absoluter Sicherheit zugeschrieben werden kann. Aus den we¬
nigen Werken van Veeus aber läßt sich keine Verwandtschaft zwischen ihm und
Rubens ableiten. Und auch von Rubens selbst ist aus seiner ersten Antwerpener
Periode bis 1600 kein authentisches Stück übrig geblieben. Otto van Veens
Einfluß auf Rubens wird vorwiegend ein literarischer gewesen sein, da der
Maler zugleich lateinische Verse machte und allegorische und emblematische Werke
mit bildlichen Darstellungen herausgab.

Diesen geistigen Verkehr zwischen Meister und Schüler hätte Goeler von
Ravensburg aus den literarischen Arbeiten Otto van Veens schildern sollen.
Er hätte die Erzeugnisse der Druckerei Plantin-Moretus, welche Rubens mit
großem Eifer verfolgte, mit heranziehe», die Lektüre des Malers nach den zahl¬
reichen Notizen kontrolircn sollen, welche sich in seiner Korrespondenz finden.
Daraus hätten sich wertvolle Aufschlüsse über Rubens' mythologische Kennt¬
nisse, über sein Verhältnis zur Antike ergeben. Doch nichts von alledem findet
sich in dem vorliegenden Buche, welches wie das Herbarium eines Botanikers
aussieht: vertrocknete und verstaubte Gelehrsamkeit, die einen alexandrinischen
Charakter, aber nicht in dem guten Sinne des Aristarch, trägt. Hätte der Ver¬
fasser wenigstens die Bücher gelesen, welche er in den Noten zitirt! Dann
wäre ihm nicht das Versehen Passirt, von dem bekannten Brief über die antiken
Dreifüße an Peiresc zu behaupten, daß das italienische Original verloren ge¬
gangen sei, während dasselbe in dem Werke von Sainsbury, welches Goeler von
Ravensburg zitirt, in Mehr80 und ausführlicher als in der französischen Über¬
setzung bei Gachet abgedruckt ist. Noch schlimmer und fast unverantwortlich ist
es, wenn er über den Inhalt von Abhandlungen urteilt, die er nicht gelesen
hat. So behauptet er auf S. 73 seiner Kompilation, der Unterzeichnete hätte
in einem Artikel der „Grenzboten" gegen die Echtheit des im Berliner Mu¬
seum befindlichen Bildes „Neptun und Amphitrite" geschrieben. Davon steht
in meinem Artikel keine Silbe. Ich habe nur die Ansicht derer bekämpft, welche
meinen, daß das Bild eine völlig eigenhändige Arbeit von Rubens sei, da ich der
Meinung bin, daß das meiste an diesem Bilde von der Hand seiner Schüler herrührt.


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[0646] Aus Rubens' kehrjahren. daß diese allerdings sehr weitläufige Verwandtschaft den Anlaß gegeben habe, Rubens bei Verhaecht in die Lehre zu geben. Aber diese Heirat fand erst im Jahre 1592 statt, also zu einer Zeit, wo Rubens nach der alten Rechnung zu Adam van Noort übersiedelte. Angesichts des klaren Wortlauts der Familien¬ biographie und des Fehlens von Rubens' Namen unter den Lehrlingen Ver- haechts müssen wir den letztern so lange aus der Reihe von Rubens' Lehrern streichen, bis bessere Beweise beigebracht worden sind. Wir dürfen dies umso eher thun, als nicht ein einziges Bild Verhaechts auf uns gekommen ist, aus dem sich konstatiren ließe, welchen Einfluß er etwa auf Rubens gehabt. Und dieselbe auffallende Thatsache kehrt auch in Bezug auf Adam van Noort und Otto van Veer wieder. Von dem erstern ist ebenfalls kein Gemälde erhalten, welches ihm mit absoluter Sicherheit zugeschrieben werden kann. Aus den we¬ nigen Werken van Veeus aber läßt sich keine Verwandtschaft zwischen ihm und Rubens ableiten. Und auch von Rubens selbst ist aus seiner ersten Antwerpener Periode bis 1600 kein authentisches Stück übrig geblieben. Otto van Veens Einfluß auf Rubens wird vorwiegend ein literarischer gewesen sein, da der Maler zugleich lateinische Verse machte und allegorische und emblematische Werke mit bildlichen Darstellungen herausgab. Diesen geistigen Verkehr zwischen Meister und Schüler hätte Goeler von Ravensburg aus den literarischen Arbeiten Otto van Veens schildern sollen. Er hätte die Erzeugnisse der Druckerei Plantin-Moretus, welche Rubens mit großem Eifer verfolgte, mit heranziehe», die Lektüre des Malers nach den zahl¬ reichen Notizen kontrolircn sollen, welche sich in seiner Korrespondenz finden. Daraus hätten sich wertvolle Aufschlüsse über Rubens' mythologische Kennt¬ nisse, über sein Verhältnis zur Antike ergeben. Doch nichts von alledem findet sich in dem vorliegenden Buche, welches wie das Herbarium eines Botanikers aussieht: vertrocknete und verstaubte Gelehrsamkeit, die einen alexandrinischen Charakter, aber nicht in dem guten Sinne des Aristarch, trägt. Hätte der Ver¬ fasser wenigstens die Bücher gelesen, welche er in den Noten zitirt! Dann wäre ihm nicht das Versehen Passirt, von dem bekannten Brief über die antiken Dreifüße an Peiresc zu behaupten, daß das italienische Original verloren ge¬ gangen sei, während dasselbe in dem Werke von Sainsbury, welches Goeler von Ravensburg zitirt, in Mehr80 und ausführlicher als in der französischen Über¬ setzung bei Gachet abgedruckt ist. Noch schlimmer und fast unverantwortlich ist es, wenn er über den Inhalt von Abhandlungen urteilt, die er nicht gelesen hat. So behauptet er auf S. 73 seiner Kompilation, der Unterzeichnete hätte in einem Artikel der „Grenzboten" gegen die Echtheit des im Berliner Mu¬ seum befindlichen Bildes „Neptun und Amphitrite" geschrieben. Davon steht in meinem Artikel keine Silbe. Ich habe nur die Ansicht derer bekämpft, welche meinen, daß das Bild eine völlig eigenhändige Arbeit von Rubens sei, da ich der Meinung bin, daß das meiste an diesem Bilde von der Hand seiner Schüler herrührt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/646>, abgerufen am 23.07.2024.