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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Sie Grafen von Altenschwerdt.

giebt nur zu viele, die zufrieden sind, wenn sie dahin kommen, wohin sie wollen,
einerlei, ob sie ein Pferd oder einen Hammel unterm Leibe haben.

Baron Sextus war in seiner Beurteilung der Reitkunst der Neuzeit im
Vergleich zu früheren Zeiten nicht milder geworden durch die Schmerzen, die
er in seinem Fuße verspürt hatte, und verteidigte seine Meinung gegenüber den
Einwürfen des Generals, der heute wie immer zu einer nachsichtigen Anschauung
neigte, mit vielen Gründen. Beide Herren waren so vertieft in ihr Gespräch,
daß sie darüber nicht bemerkten, was Dorothea mit klopfendem Herzen schon
lange wahrgenommen hatte, daß nämlich ein Segel am Horizont aufgetaucht
war, welches unter günstigem Winde mit großer Schnelligkeit herankam.

Erst als dasselbe ganz in der Nähe war und die Männer im Boote Miene
machten, anzulegen, fiel es dem Grafen auf, und er zeigte es seinem Freunde.

Es befand sich eine kleine Bucht ganz in der Nähe der Besitzung des
Grafen, welche tief eingeschnitten gleich einem Hafen war, und wo auch ein
Boot auf dein Sande lag, das von den beiden jüngern Degenhards zum Fisch¬
fang benutzt ward. Hier herein bog das kleine Fahrzeug, zog sein Segel ein
und stieß auf den Strand. Ein Mann mit Hellem Strohhut sprang heraus
und kam, mit einer Mappe unter dem Arm, herangeschritten.

Ich glaube wahrhaftig, das ist unser Freund Eschenburg, sagte der Baron
vergnügt. Der will Eurer Exzellenz Aussicht konfisziren. Ein fleißiger junger
Herr!

Der Graf warf einen prüfenden Blick auf Dorothea, konnte aber ihr Gesicht
nicht sehen, da sie, scheinbar unbekümmert um den Ankömmling, mit der Spitze
ihres Sonnenschirms auf dem Boden zeichnete und nach unten sah, sodaß sie
von ihrem Hute gegen Beobachtung von dieser Seite aus gedeckt war.

Allerdings scheint es der Maler zu sein, sagte der Graf bedächtig.

Die großen sibirischen Hunde, welche zu Füßen des Grafen geschlafen hatten,
richteten ihre Köpfe auf und rannten mit tiefem Gebell dem jungen Manne ent¬
gegen, der jetzt den Hügel heraufkam und bald mit höflichem Gruß vor der
kleinen Gesellschaft stand. Es ward ihm ein Platz aus der Bank und ein Glas
angeboten, und die Unterhaltung bewegte sich mit scheinbarer Ungezwungenheit
weiter. Doch sah der Graf wohl, daß Dorothea und Eberhardt es geflissentlich
vermieden, einander anzusehen, und er wunderte sich über seinen Freund, den
Baron, der völlig arglos und nur erfreut über die Gegenwart eines Mannes
war, welcher seine Ansicht über die Zaumkunst bestätigen sollte.

Was wird aus diesem Zustande der Dinge werden? fragte er sich besorgt.

Ich hatte die Absicht, von dem Thurme aus mit Eurer Exzellenz gütiger
Erlaubnis eine Skizze des Blicks nach Nordwesten aufzunehmen, sagte Eberhardt
nach einer Weile. Aber ich sehe, daß das Meer zu hell ist. Es blendet.

Es wäre wohl für Ihre Absicht rätlicher, am Morgen den Thurm zu
besteigen, sagte der Graf mit einem besondern Blick, bei dem Eberhardt sich in


Gmizbotm I. 1833. 75
Sie Grafen von Altenschwerdt.

giebt nur zu viele, die zufrieden sind, wenn sie dahin kommen, wohin sie wollen,
einerlei, ob sie ein Pferd oder einen Hammel unterm Leibe haben.

Baron Sextus war in seiner Beurteilung der Reitkunst der Neuzeit im
Vergleich zu früheren Zeiten nicht milder geworden durch die Schmerzen, die
er in seinem Fuße verspürt hatte, und verteidigte seine Meinung gegenüber den
Einwürfen des Generals, der heute wie immer zu einer nachsichtigen Anschauung
neigte, mit vielen Gründen. Beide Herren waren so vertieft in ihr Gespräch,
daß sie darüber nicht bemerkten, was Dorothea mit klopfendem Herzen schon
lange wahrgenommen hatte, daß nämlich ein Segel am Horizont aufgetaucht
war, welches unter günstigem Winde mit großer Schnelligkeit herankam.

Erst als dasselbe ganz in der Nähe war und die Männer im Boote Miene
machten, anzulegen, fiel es dem Grafen auf, und er zeigte es seinem Freunde.

Es befand sich eine kleine Bucht ganz in der Nähe der Besitzung des
Grafen, welche tief eingeschnitten gleich einem Hafen war, und wo auch ein
Boot auf dein Sande lag, das von den beiden jüngern Degenhards zum Fisch¬
fang benutzt ward. Hier herein bog das kleine Fahrzeug, zog sein Segel ein
und stieß auf den Strand. Ein Mann mit Hellem Strohhut sprang heraus
und kam, mit einer Mappe unter dem Arm, herangeschritten.

Ich glaube wahrhaftig, das ist unser Freund Eschenburg, sagte der Baron
vergnügt. Der will Eurer Exzellenz Aussicht konfisziren. Ein fleißiger junger
Herr!

Der Graf warf einen prüfenden Blick auf Dorothea, konnte aber ihr Gesicht
nicht sehen, da sie, scheinbar unbekümmert um den Ankömmling, mit der Spitze
ihres Sonnenschirms auf dem Boden zeichnete und nach unten sah, sodaß sie
von ihrem Hute gegen Beobachtung von dieser Seite aus gedeckt war.

Allerdings scheint es der Maler zu sein, sagte der Graf bedächtig.

Die großen sibirischen Hunde, welche zu Füßen des Grafen geschlafen hatten,
richteten ihre Köpfe auf und rannten mit tiefem Gebell dem jungen Manne ent¬
gegen, der jetzt den Hügel heraufkam und bald mit höflichem Gruß vor der
kleinen Gesellschaft stand. Es ward ihm ein Platz aus der Bank und ein Glas
angeboten, und die Unterhaltung bewegte sich mit scheinbarer Ungezwungenheit
weiter. Doch sah der Graf wohl, daß Dorothea und Eberhardt es geflissentlich
vermieden, einander anzusehen, und er wunderte sich über seinen Freund, den
Baron, der völlig arglos und nur erfreut über die Gegenwart eines Mannes
war, welcher seine Ansicht über die Zaumkunst bestätigen sollte.

Was wird aus diesem Zustande der Dinge werden? fragte er sich besorgt.

Ich hatte die Absicht, von dem Thurme aus mit Eurer Exzellenz gütiger
Erlaubnis eine Skizze des Blicks nach Nordwesten aufzunehmen, sagte Eberhardt
nach einer Weile. Aber ich sehe, daß das Meer zu hell ist. Es blendet.

Es wäre wohl für Ihre Absicht rätlicher, am Morgen den Thurm zu
besteigen, sagte der Graf mit einem besondern Blick, bei dem Eberhardt sich in


Gmizbotm I. 1833. 75
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/601>, abgerufen am 26.06.2024.