Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Grafen von Altenschwerdt.

Nach der Ankunft in Fischbeck ging sie eilends auf ihr Zimmer, schloß sich
ein und warf sich, die Stirn mit den Händen bedeckend, ratlos und grübelnd
ans das Sopha.




vierzehntes Uapitel.

Gräfin Sibylle würde noch unruhiger gewesen sein, wenn sie hätte sehen
können, was sich an diesem selben Nachmittage nur wenige Stunden von ihr
entfernt zwischen Dorothea und dem jungen Manne zutrug, den sie einen Usur¬
pator nannte.

Baron Sextus hatte, von dem prachtvollen Wetter veranlaßt, ebenfalls
eine Ausfahrt unternommen und stattete in Begleitung seiner Tochter dem Grafen
einen Besuch ab. Der Gedanke, dies zu thun, war von Dorothea ausgegangen,
welche der Meinung war, daß die Höflichkeit gebiete, die vielfachen Besuche des
Grafen während des Barons Krankheit sobald als möglich zu erwiedern. Sie
saß während der Fahrt mit sehr glücklichem Gesicht neben ihrem Vater, und ihr
Blick eilte dem schnellen Gespann voraus. Es war derselbe Weg, den sie mit
Eberhardt zu Pferde von der Behausung des Grafen heimwärts gemacht hatte,
und es gab eine gewisse Stelle auf diesem Wege, unter dem Laubdach gewisser
Bäume, an welcher in dem Augenblick, wo der leichte Wagen vvrüberrollte, ein
Erröten und ein Lächeln über das von dem breitrandigen Strohhut beschattete
Mädchengesicht huschten.

Es ist doch ein bische" wärmer, als ich dachte, sagte der Baron, indem er
die von Dorvtheens zierlichen Fingern gehäkelte Decke von seinem leidenden
Fuße zurückschob.

Am Strande wird es kühler werden, entgegnete sie. Ich merke schon die
frischere Luft.

Der Graf hatte vou seinem Hause aus das Kommen des Wagens bemerkt
und ging dem Besuche bis um die Gartenthür entgegen. Es konnte nicht vor
dem Hause selbst vorgefahren werden, und er bot dem Baron den Arm, um
ihn durch den Garten hinauszuführen. Dorothea schüttelte er die Hand, und
ein Blick vertrauten Einverständnisses, der an die letzte Unterredung zwischen
beiden erinnerte, ward zwischen ihnen ausgetauscht.

Es ist eine verwettcrte Geschichte mit dem Podagra, sagte Baron Sextus,
links auf den Arm seines Freundes, rechts auf seineu Rohrstock gestützt, indem
er bergan stieg. Aber ich denke, die Geschichte ist nun wohl so ziemlich wieder
vorbei. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich darnach sehne, wieder zu
Pferde zu sitzen.

Wenn es Ihnen hier nicht zu windig ist, sagte der Graf, vor dem Hause
anhaltend, so setzen wir uns hier draußen. Was meinen Sie, Herr Nachbar?


Die Grafen von Altenschwerdt.

Nach der Ankunft in Fischbeck ging sie eilends auf ihr Zimmer, schloß sich
ein und warf sich, die Stirn mit den Händen bedeckend, ratlos und grübelnd
ans das Sopha.




vierzehntes Uapitel.

Gräfin Sibylle würde noch unruhiger gewesen sein, wenn sie hätte sehen
können, was sich an diesem selben Nachmittage nur wenige Stunden von ihr
entfernt zwischen Dorothea und dem jungen Manne zutrug, den sie einen Usur¬
pator nannte.

Baron Sextus hatte, von dem prachtvollen Wetter veranlaßt, ebenfalls
eine Ausfahrt unternommen und stattete in Begleitung seiner Tochter dem Grafen
einen Besuch ab. Der Gedanke, dies zu thun, war von Dorothea ausgegangen,
welche der Meinung war, daß die Höflichkeit gebiete, die vielfachen Besuche des
Grafen während des Barons Krankheit sobald als möglich zu erwiedern. Sie
saß während der Fahrt mit sehr glücklichem Gesicht neben ihrem Vater, und ihr
Blick eilte dem schnellen Gespann voraus. Es war derselbe Weg, den sie mit
Eberhardt zu Pferde von der Behausung des Grafen heimwärts gemacht hatte,
und es gab eine gewisse Stelle auf diesem Wege, unter dem Laubdach gewisser
Bäume, an welcher in dem Augenblick, wo der leichte Wagen vvrüberrollte, ein
Erröten und ein Lächeln über das von dem breitrandigen Strohhut beschattete
Mädchengesicht huschten.

Es ist doch ein bische» wärmer, als ich dachte, sagte der Baron, indem er
die von Dorvtheens zierlichen Fingern gehäkelte Decke von seinem leidenden
Fuße zurückschob.

Am Strande wird es kühler werden, entgegnete sie. Ich merke schon die
frischere Luft.

Der Graf hatte vou seinem Hause aus das Kommen des Wagens bemerkt
und ging dem Besuche bis um die Gartenthür entgegen. Es konnte nicht vor
dem Hause selbst vorgefahren werden, und er bot dem Baron den Arm, um
ihn durch den Garten hinauszuführen. Dorothea schüttelte er die Hand, und
ein Blick vertrauten Einverständnisses, der an die letzte Unterredung zwischen
beiden erinnerte, ward zwischen ihnen ausgetauscht.

Es ist eine verwettcrte Geschichte mit dem Podagra, sagte Baron Sextus,
links auf den Arm seines Freundes, rechts auf seineu Rohrstock gestützt, indem
er bergan stieg. Aber ich denke, die Geschichte ist nun wohl so ziemlich wieder
vorbei. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich darnach sehne, wieder zu
Pferde zu sitzen.

Wenn es Ihnen hier nicht zu windig ist, sagte der Graf, vor dem Hause
anhaltend, so setzen wir uns hier draußen. Was meinen Sie, Herr Nachbar?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0599" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152508"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdt.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2291"> Nach der Ankunft in Fischbeck ging sie eilends auf ihr Zimmer, schloß sich<lb/>
ein und warf sich, die Stirn mit den Händen bedeckend, ratlos und grübelnd<lb/>
ans das Sopha.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="2">
            <head> vierzehntes Uapitel.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2292"> Gräfin Sibylle würde noch unruhiger gewesen sein, wenn sie hätte sehen<lb/>
können, was sich an diesem selben Nachmittage nur wenige Stunden von ihr<lb/>
entfernt zwischen Dorothea und dem jungen Manne zutrug, den sie einen Usur¬<lb/>
pator nannte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2293"> Baron Sextus hatte, von dem prachtvollen Wetter veranlaßt, ebenfalls<lb/>
eine Ausfahrt unternommen und stattete in Begleitung seiner Tochter dem Grafen<lb/>
einen Besuch ab. Der Gedanke, dies zu thun, war von Dorothea ausgegangen,<lb/>
welche der Meinung war, daß die Höflichkeit gebiete, die vielfachen Besuche des<lb/>
Grafen während des Barons Krankheit sobald als möglich zu erwiedern. Sie<lb/>
saß während der Fahrt mit sehr glücklichem Gesicht neben ihrem Vater, und ihr<lb/>
Blick eilte dem schnellen Gespann voraus. Es war derselbe Weg, den sie mit<lb/>
Eberhardt zu Pferde von der Behausung des Grafen heimwärts gemacht hatte,<lb/>
und es gab eine gewisse Stelle auf diesem Wege, unter dem Laubdach gewisser<lb/>
Bäume, an welcher in dem Augenblick, wo der leichte Wagen vvrüberrollte, ein<lb/>
Erröten und ein Lächeln über das von dem breitrandigen Strohhut beschattete<lb/>
Mädchengesicht huschten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2294"> Es ist doch ein bische» wärmer, als ich dachte, sagte der Baron, indem er<lb/>
die von Dorvtheens zierlichen Fingern gehäkelte Decke von seinem leidenden<lb/>
Fuße zurückschob.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2295"> Am Strande wird es kühler werden, entgegnete sie. Ich merke schon die<lb/>
frischere Luft.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2296"> Der Graf hatte vou seinem Hause aus das Kommen des Wagens bemerkt<lb/>
und ging dem Besuche bis um die Gartenthür entgegen. Es konnte nicht vor<lb/>
dem Hause selbst vorgefahren werden, und er bot dem Baron den Arm, um<lb/>
ihn durch den Garten hinauszuführen. Dorothea schüttelte er die Hand, und<lb/>
ein Blick vertrauten Einverständnisses, der an die letzte Unterredung zwischen<lb/>
beiden erinnerte, ward zwischen ihnen ausgetauscht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2297"> Es ist eine verwettcrte Geschichte mit dem Podagra, sagte Baron Sextus,<lb/>
links auf den Arm seines Freundes, rechts auf seineu Rohrstock gestützt, indem<lb/>
er bergan stieg. Aber ich denke, die Geschichte ist nun wohl so ziemlich wieder<lb/>
vorbei. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich darnach sehne, wieder zu<lb/>
Pferde zu sitzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2298"> Wenn es Ihnen hier nicht zu windig ist, sagte der Graf, vor dem Hause<lb/>
anhaltend, so setzen wir uns hier draußen. Was meinen Sie, Herr Nachbar?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0599] Die Grafen von Altenschwerdt. Nach der Ankunft in Fischbeck ging sie eilends auf ihr Zimmer, schloß sich ein und warf sich, die Stirn mit den Händen bedeckend, ratlos und grübelnd ans das Sopha. vierzehntes Uapitel. Gräfin Sibylle würde noch unruhiger gewesen sein, wenn sie hätte sehen können, was sich an diesem selben Nachmittage nur wenige Stunden von ihr entfernt zwischen Dorothea und dem jungen Manne zutrug, den sie einen Usur¬ pator nannte. Baron Sextus hatte, von dem prachtvollen Wetter veranlaßt, ebenfalls eine Ausfahrt unternommen und stattete in Begleitung seiner Tochter dem Grafen einen Besuch ab. Der Gedanke, dies zu thun, war von Dorothea ausgegangen, welche der Meinung war, daß die Höflichkeit gebiete, die vielfachen Besuche des Grafen während des Barons Krankheit sobald als möglich zu erwiedern. Sie saß während der Fahrt mit sehr glücklichem Gesicht neben ihrem Vater, und ihr Blick eilte dem schnellen Gespann voraus. Es war derselbe Weg, den sie mit Eberhardt zu Pferde von der Behausung des Grafen heimwärts gemacht hatte, und es gab eine gewisse Stelle auf diesem Wege, unter dem Laubdach gewisser Bäume, an welcher in dem Augenblick, wo der leichte Wagen vvrüberrollte, ein Erröten und ein Lächeln über das von dem breitrandigen Strohhut beschattete Mädchengesicht huschten. Es ist doch ein bische» wärmer, als ich dachte, sagte der Baron, indem er die von Dorvtheens zierlichen Fingern gehäkelte Decke von seinem leidenden Fuße zurückschob. Am Strande wird es kühler werden, entgegnete sie. Ich merke schon die frischere Luft. Der Graf hatte vou seinem Hause aus das Kommen des Wagens bemerkt und ging dem Besuche bis um die Gartenthür entgegen. Es konnte nicht vor dem Hause selbst vorgefahren werden, und er bot dem Baron den Arm, um ihn durch den Garten hinauszuführen. Dorothea schüttelte er die Hand, und ein Blick vertrauten Einverständnisses, der an die letzte Unterredung zwischen beiden erinnerte, ward zwischen ihnen ausgetauscht. Es ist eine verwettcrte Geschichte mit dem Podagra, sagte Baron Sextus, links auf den Arm seines Freundes, rechts auf seineu Rohrstock gestützt, indem er bergan stieg. Aber ich denke, die Geschichte ist nun wohl so ziemlich wieder vorbei. Ich kann gar nicht beschreiben, wie ich mich darnach sehne, wieder zu Pferde zu sitzen. Wenn es Ihnen hier nicht zu windig ist, sagte der Graf, vor dem Hause anhaltend, so setzen wir uns hier draußen. Was meinen Sie, Herr Nachbar?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/599
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/599>, abgerufen am 01.07.2024.