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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Österreichisches.

bekennt, wen" er uus schmunzelnd den Vernichtungskrieg der verbündeten Slawen
und Franzosen gegen das Deutschtum an die Wand malt.

Solcher Bosheit gegenüber muß auf die Deutschösterreicher das energische
Auftreten verschiedner Berliner Organe gegen die Deutschen in Siebenbürgen
und deren Freunde in Deutschland einen eignen Eindruck machen. Wir ver¬
kennen nicht im mindesten die politischen und die Anstandsrücksichten, welche dabei
im Spiele sind, und sagen uns außerdem, daß wir garnicht in der Lage sind,
alle Beweggründe der Haltung der deutschen Regierung in einer bestimmten
Frage zu erkennen. Aber wenn jedes ermutigende Wort seitens der Stammes¬
genossen schon als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden
Staates herb verwiesen wird, und wenn ein Pester Offiziosus sich in einem
-- wie angenommen wird, der deutschen Regierung nahestehenden -- Blatte so
weit versteigen darf, die siebenbürger Sachsen als Feinde des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses hinzustellen, weil sie auf dem bestehen, was ihnen bei der
Einverleibung in den 1867 neu konstituirten ungarischen Staat feierlich gewähr¬
leistet worden ist, dann muß das auf die hartbedrängten Deutschen im äußersten
Südosten und endlich auf alle Deutschen Österreichs eine sehr niederschlagende
Wirkung ausüben. Sie verlangen ja nichts von dem stammverwandten Nachbar,
es ist die elendeste Verleumdung, wenn die "Struppigen" (um mit Hebbel zu
reden) nicht ermüden, sie des Liebäugelns mit der Kornblume zu zeihen --
dieser, allerdings ein wenig geschmackvolleren Form bedienen sich jetzt die De¬
nunzianten, welche früher die "Preußcnseuche" erfunden hatten; es giebt be¬
sonnene Personen genug, welche das Treffende in dem geflügelten Worte von
den "Herbstzeitlosen" fühlten. Allein, mag die heutige Situation wesentlich durch
Verschuldungen der deutschen Liberalen geschaffen worden sein, der Kampf wird
gegenwärtig mit so ungleichen Waffen geführt, daß die Feinde aller Deutschen
nicht noch der moralischen Unterstützung der Deutschen außerhalb Österreichs
bedürfen. Unter allen Umständen haben an dem, was man den Cisleithaniern
vorwerfen kann, die Bewohner des Königsbodens keinen Anteil, und die äußerste
Perfidie ist es, den evangelischen Geistlichen Herrschgelüste unterzuschieben, für
welche die Verteidigung der Nationalität lediglich als Maske diene. Die Ge¬
rechtsame der Kirche sind eben das letzte Vollwerk der deutschen Schule und
damit des Deutschtums in Siebenbürgen.

In Wien hat soeben wieder eine Redeschlacht ausgetobt, die einen entsetz¬
lichen Eindruck macht. Die Linke verweigert das Budget und bringt zur Recht¬
fertigung alle ihre Beschwerden vor, die Rechte hat fast ebensoviel zu klagen,
unterstützt aber die Regierung in der Erwartung, daß diese sich in allem fügsam
zeigen werde, und in der Furcht, daß diesem Ministerium wieder ein zentrali-
stisches folgen könne. Dieses Schauspiel wiederholt sich nun Jahr für Jcchr>
aber mit jeder Wiederholung ist die Erbitterung größer, wird der Ton rücksichts¬
loser, wird man immer weniger wählerisch in gegenseitiger Schmähung und


Österreichisches.

bekennt, wen» er uus schmunzelnd den Vernichtungskrieg der verbündeten Slawen
und Franzosen gegen das Deutschtum an die Wand malt.

Solcher Bosheit gegenüber muß auf die Deutschösterreicher das energische
Auftreten verschiedner Berliner Organe gegen die Deutschen in Siebenbürgen
und deren Freunde in Deutschland einen eignen Eindruck machen. Wir ver¬
kennen nicht im mindesten die politischen und die Anstandsrücksichten, welche dabei
im Spiele sind, und sagen uns außerdem, daß wir garnicht in der Lage sind,
alle Beweggründe der Haltung der deutschen Regierung in einer bestimmten
Frage zu erkennen. Aber wenn jedes ermutigende Wort seitens der Stammes¬
genossen schon als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden
Staates herb verwiesen wird, und wenn ein Pester Offiziosus sich in einem
— wie angenommen wird, der deutschen Regierung nahestehenden — Blatte so
weit versteigen darf, die siebenbürger Sachsen als Feinde des deutsch-öster¬
reichischen Bündnisses hinzustellen, weil sie auf dem bestehen, was ihnen bei der
Einverleibung in den 1867 neu konstituirten ungarischen Staat feierlich gewähr¬
leistet worden ist, dann muß das auf die hartbedrängten Deutschen im äußersten
Südosten und endlich auf alle Deutschen Österreichs eine sehr niederschlagende
Wirkung ausüben. Sie verlangen ja nichts von dem stammverwandten Nachbar,
es ist die elendeste Verleumdung, wenn die „Struppigen" (um mit Hebbel zu
reden) nicht ermüden, sie des Liebäugelns mit der Kornblume zu zeihen —
dieser, allerdings ein wenig geschmackvolleren Form bedienen sich jetzt die De¬
nunzianten, welche früher die „Preußcnseuche" erfunden hatten; es giebt be¬
sonnene Personen genug, welche das Treffende in dem geflügelten Worte von
den „Herbstzeitlosen" fühlten. Allein, mag die heutige Situation wesentlich durch
Verschuldungen der deutschen Liberalen geschaffen worden sein, der Kampf wird
gegenwärtig mit so ungleichen Waffen geführt, daß die Feinde aller Deutschen
nicht noch der moralischen Unterstützung der Deutschen außerhalb Österreichs
bedürfen. Unter allen Umständen haben an dem, was man den Cisleithaniern
vorwerfen kann, die Bewohner des Königsbodens keinen Anteil, und die äußerste
Perfidie ist es, den evangelischen Geistlichen Herrschgelüste unterzuschieben, für
welche die Verteidigung der Nationalität lediglich als Maske diene. Die Ge¬
rechtsame der Kirche sind eben das letzte Vollwerk der deutschen Schule und
damit des Deutschtums in Siebenbürgen.

In Wien hat soeben wieder eine Redeschlacht ausgetobt, die einen entsetz¬
lichen Eindruck macht. Die Linke verweigert das Budget und bringt zur Recht¬
fertigung alle ihre Beschwerden vor, die Rechte hat fast ebensoviel zu klagen,
unterstützt aber die Regierung in der Erwartung, daß diese sich in allem fügsam
zeigen werde, und in der Furcht, daß diesem Ministerium wieder ein zentrali-
stisches folgen könne. Dieses Schauspiel wiederholt sich nun Jahr für Jcchr>
aber mit jeder Wiederholung ist die Erbitterung größer, wird der Ton rücksichts¬
loser, wird man immer weniger wählerisch in gegenseitiger Schmähung und


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[0589] Österreichisches. bekennt, wen» er uus schmunzelnd den Vernichtungskrieg der verbündeten Slawen und Franzosen gegen das Deutschtum an die Wand malt. Solcher Bosheit gegenüber muß auf die Deutschösterreicher das energische Auftreten verschiedner Berliner Organe gegen die Deutschen in Siebenbürgen und deren Freunde in Deutschland einen eignen Eindruck machen. Wir ver¬ kennen nicht im mindesten die politischen und die Anstandsrücksichten, welche dabei im Spiele sind, und sagen uns außerdem, daß wir garnicht in der Lage sind, alle Beweggründe der Haltung der deutschen Regierung in einer bestimmten Frage zu erkennen. Aber wenn jedes ermutigende Wort seitens der Stammes¬ genossen schon als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates herb verwiesen wird, und wenn ein Pester Offiziosus sich in einem — wie angenommen wird, der deutschen Regierung nahestehenden — Blatte so weit versteigen darf, die siebenbürger Sachsen als Feinde des deutsch-öster¬ reichischen Bündnisses hinzustellen, weil sie auf dem bestehen, was ihnen bei der Einverleibung in den 1867 neu konstituirten ungarischen Staat feierlich gewähr¬ leistet worden ist, dann muß das auf die hartbedrängten Deutschen im äußersten Südosten und endlich auf alle Deutschen Österreichs eine sehr niederschlagende Wirkung ausüben. Sie verlangen ja nichts von dem stammverwandten Nachbar, es ist die elendeste Verleumdung, wenn die „Struppigen" (um mit Hebbel zu reden) nicht ermüden, sie des Liebäugelns mit der Kornblume zu zeihen — dieser, allerdings ein wenig geschmackvolleren Form bedienen sich jetzt die De¬ nunzianten, welche früher die „Preußcnseuche" erfunden hatten; es giebt be¬ sonnene Personen genug, welche das Treffende in dem geflügelten Worte von den „Herbstzeitlosen" fühlten. Allein, mag die heutige Situation wesentlich durch Verschuldungen der deutschen Liberalen geschaffen worden sein, der Kampf wird gegenwärtig mit so ungleichen Waffen geführt, daß die Feinde aller Deutschen nicht noch der moralischen Unterstützung der Deutschen außerhalb Österreichs bedürfen. Unter allen Umständen haben an dem, was man den Cisleithaniern vorwerfen kann, die Bewohner des Königsbodens keinen Anteil, und die äußerste Perfidie ist es, den evangelischen Geistlichen Herrschgelüste unterzuschieben, für welche die Verteidigung der Nationalität lediglich als Maske diene. Die Ge¬ rechtsame der Kirche sind eben das letzte Vollwerk der deutschen Schule und damit des Deutschtums in Siebenbürgen. In Wien hat soeben wieder eine Redeschlacht ausgetobt, die einen entsetz¬ lichen Eindruck macht. Die Linke verweigert das Budget und bringt zur Recht¬ fertigung alle ihre Beschwerden vor, die Rechte hat fast ebensoviel zu klagen, unterstützt aber die Regierung in der Erwartung, daß diese sich in allem fügsam zeigen werde, und in der Furcht, daß diesem Ministerium wieder ein zentrali- stisches folgen könne. Dieses Schauspiel wiederholt sich nun Jahr für Jcchr> aber mit jeder Wiederholung ist die Erbitterung größer, wird der Ton rücksichts¬ loser, wird man immer weniger wählerisch in gegenseitiger Schmähung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/589>, abgerufen am 03.07.2024.