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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Sie erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich.

mit denen, die Duclerc ihm erteilt, im Widerspruche stünden. Der ^cups stellt
das in Abrede, indem er hinzufügt, seit dem Abbrüche der Unterhandlungen,
die zwischen Frankreich und England in Betreff der ägyptischen Angelegenheit
stattgefunden, und seit der Erklärung Duclercs, daß Frankreich die Freiheit
seiner Aktion wieder aufnehme, sei zwischen Tissot und Lord Granville keinerlei
Erörterung in Betreff Ägyptens wieder vorgekommen. Ferner gehört hierher
die Nachricht, daß Gladstone in der Unterredung, die er am 27. vorigen Monats
bei seiner Durchreise durch Paris mit Grevy und Challemel-Lacour hatte,
den Wunsch an den Tag legte, der gegenwärtigen Spannung zwischen England
und Frankreich ein Ende zu machen. Man glaubt, daß der Beginn neuer
Unterhandlungen betreffs der ägyptischen Frage nahe bevorsteht, und zwar
würden sich dieselben nicht, wie bisher, auf der Grundlage eines Kondominiums
bewegen, sondern sich um ein neues Arrangement drehen, welches Frankreich
eine günstigere Stellung als bisher einräumen solle.

Die friedfertige Gesinnung des, neuen französischen Ministeriums dürfte
eine kräftige Verfolgung der Kolonialpolitik, die wir neulich besprachen, nicht
ausschließen. Zunächst wird man die Congofrage zu lösen versuchen. Im
französischen Parlament ist ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der Herrn
de Brazza mit einem recht stattlichen Arsenal von Waffen zu seiner Expedition
im Congothale versehen soll. Geht die Maßregel, für welche die Dringlichkeit
beansprucht wurde, durch, so wird derselbe mit 108 000 Perkussionsgewehren,
20 000 Säbeln, 2000 Zentnern Schießpulver, 10 Millionen Zündhütchen,
200 Zelten und 1000 Äxten ausgestattet werden und über eine ganze Kom¬
pagnie algerischer Scharfschützen verfügen. Ein englisches Blatt bemerkt dazu:
"Es liegt auf der Hand, daß die französische Regierung sich entschlossen hat,
dem sogenannten "Vertrage," den König Makoto und Brazza unterzeichnet haben,
um jeden Preis Achtung zu verschaffen. Hat die Regierung wohl die wahr¬
scheinlichen Folgen einer militärischen Invasion reiflich erwogen, die mit einer
Katastrophe enden kann und unausbleiblich den Fortschritt der Zivilisation und
des Handels in dem erst kürzlich dem europäischen Einfluß eröffneten Lande
verzögern wird?" Wir können die sittliche Entrüstung, die sich hierin aus¬
spricht, nicht teilen. Oder ist England etwa allein befugt, seiner Industrie und
seinem Handel neue Absatzquellen zu erobern? Und steht ihm etwa die Ver¬
breitung von Zivilisation in Afrika oder irgendwo sonst in erster Linie? Wer
wollte das behaupten?




Grenzboten I. 1883.70
Sie erste Woche des neuen Ministeriums in Frankreich.

mit denen, die Duclerc ihm erteilt, im Widerspruche stünden. Der ^cups stellt
das in Abrede, indem er hinzufügt, seit dem Abbrüche der Unterhandlungen,
die zwischen Frankreich und England in Betreff der ägyptischen Angelegenheit
stattgefunden, und seit der Erklärung Duclercs, daß Frankreich die Freiheit
seiner Aktion wieder aufnehme, sei zwischen Tissot und Lord Granville keinerlei
Erörterung in Betreff Ägyptens wieder vorgekommen. Ferner gehört hierher
die Nachricht, daß Gladstone in der Unterredung, die er am 27. vorigen Monats
bei seiner Durchreise durch Paris mit Grevy und Challemel-Lacour hatte,
den Wunsch an den Tag legte, der gegenwärtigen Spannung zwischen England
und Frankreich ein Ende zu machen. Man glaubt, daß der Beginn neuer
Unterhandlungen betreffs der ägyptischen Frage nahe bevorsteht, und zwar
würden sich dieselben nicht, wie bisher, auf der Grundlage eines Kondominiums
bewegen, sondern sich um ein neues Arrangement drehen, welches Frankreich
eine günstigere Stellung als bisher einräumen solle.

Die friedfertige Gesinnung des, neuen französischen Ministeriums dürfte
eine kräftige Verfolgung der Kolonialpolitik, die wir neulich besprachen, nicht
ausschließen. Zunächst wird man die Congofrage zu lösen versuchen. Im
französischen Parlament ist ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der Herrn
de Brazza mit einem recht stattlichen Arsenal von Waffen zu seiner Expedition
im Congothale versehen soll. Geht die Maßregel, für welche die Dringlichkeit
beansprucht wurde, durch, so wird derselbe mit 108 000 Perkussionsgewehren,
20 000 Säbeln, 2000 Zentnern Schießpulver, 10 Millionen Zündhütchen,
200 Zelten und 1000 Äxten ausgestattet werden und über eine ganze Kom¬
pagnie algerischer Scharfschützen verfügen. Ein englisches Blatt bemerkt dazu:
„Es liegt auf der Hand, daß die französische Regierung sich entschlossen hat,
dem sogenannten »Vertrage,« den König Makoto und Brazza unterzeichnet haben,
um jeden Preis Achtung zu verschaffen. Hat die Regierung wohl die wahr¬
scheinlichen Folgen einer militärischen Invasion reiflich erwogen, die mit einer
Katastrophe enden kann und unausbleiblich den Fortschritt der Zivilisation und
des Handels in dem erst kürzlich dem europäischen Einfluß eröffneten Lande
verzögern wird?" Wir können die sittliche Entrüstung, die sich hierin aus¬
spricht, nicht teilen. Oder ist England etwa allein befugt, seiner Industrie und
seinem Handel neue Absatzquellen zu erobern? Und steht ihm etwa die Ver¬
breitung von Zivilisation in Afrika oder irgendwo sonst in erster Linie? Wer
wollte das behaupten?




Grenzboten I. 1883.70
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/561>, abgerufen am 03.07.2024.