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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdr.

Angesiedelten, der je dächte, der Ackerbau und die Bnmnkultur seien niedrige
Beschäftigungen. Im Gegenteil, es sind hier die besten Talente mit Vorliebe
um den mütterlichen Boden bemüht, und der Mann, welcher seine Farm zu der
schönsten und reichsten Ernte heranbildet, ist hier der Berühmtheit sicher.

Der Shaker bebaut den Boden mit der innigen Überzeugung, daß dies das
edelste Werk sei, welches er ans Erden vollbringen könne, und wenn der Müssig-
günger von Newhork heraufkommt und die grünen Hügel entlang führt, wenn
er in die reinlichen Straßen, an die prächtigen Wiesen, die blühenden Hecken
von Springlake kommt, besonders aber, wenn er die frischen und sanftmütigen
Gesichter der Männer und Frauen, das fremdartige, traurige Licht ihrer liebe¬
vollen Augen sieht, da ergreift ihn ein Etwas wie Heimweh nach einem bessern
Zeitalter, seine Seele wird bewegt wie bei der süßen, ruhigen Musik von fern
her tönender Dorfglocken. Und das ist die erste und stärkste Anziehungskraft
von Springlcckc.

Der Glanz dieses ahnungsvollen Friedens lag auf dem einzeln stehenden
zierlichen Hause und verklärte dessen weißgetünchte Holzwände, grüne Fenster¬
läden, silbern schimmerndes Schindeldach und wohlgepflegten Blumengarten.
Dieser Glanz, der vom Himmel geschenkt zu sein schien, erhellte auch das große,
einfache Gemach im obern Stock, dessen Balkonthür weit offen stand, sodaß
der Blick seiner Bewohner ungehindert hinausschweifen konnte über die Berg¬
spitzen und Hügelreihen in der Ferne, auf den hellen Spiegel des breiten Flusses
und die paradiesischen Gefilde, die sich bis zu dessen Ufer erstrecken.

Eine blasse Frau lag in einem tiefen, weichen Lehnstuhl in der Nähe der
offnen Thür und sog mit matter Brust den erquickenden Atem der Fluren ein,
der die Gerüche von tausend Blumen zu ihr trug. Ihre sanften, blauen Augen
hingen mit sehnsüchtigem Blick an dem rötlich leuchtenden Ader, der, von der
Abendsonne durchglüht, über den violetten Bergen emporstieg, und ihre durch¬
sichtigen, schmalen Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoße.

Zur Rechten neben ihr stand eine ältere Frau mit bräunlicher Gesichts¬
farbe und energischen Zügen in der eigentümlichen Tracht der Shakcrgemeindeiu
eine weiße leinene Haube auf dem Kopfe, welche das Haar verhüllt und das
Gesicht puritanisch einrahmt, ein breiter leinener Kragen ohne Shlips um den
Hals, und ein Musselinkleid von strengem Schnitt und ohne jeden Schmuck außer
blendender Weiße.

Zur Linken neben dem Lehnstuhl der Leidenden stand ein Neger von starkem
Wuchs, durch dessen wolliges Haar sich bereits Silberfäden zogen, und dessen
ehrliches, von vielen Runzeln durchzogenes Gesicht den Ausdruck tiefer Trauer trug.

Eure Gemeinde, Schwester Elisabeth, ist mir eine segensvolle Zuflucht in
meinem verlassenen Dasein gewesen, sagte die Kranke mit einer leisen, süßen
Stimme, die so schwach war, daß ihr Ton kaum zu den Ohren der Anwesenden
drang.


Die Grafen von Altenschwerdr.

Angesiedelten, der je dächte, der Ackerbau und die Bnmnkultur seien niedrige
Beschäftigungen. Im Gegenteil, es sind hier die besten Talente mit Vorliebe
um den mütterlichen Boden bemüht, und der Mann, welcher seine Farm zu der
schönsten und reichsten Ernte heranbildet, ist hier der Berühmtheit sicher.

Der Shaker bebaut den Boden mit der innigen Überzeugung, daß dies das
edelste Werk sei, welches er ans Erden vollbringen könne, und wenn der Müssig-
günger von Newhork heraufkommt und die grünen Hügel entlang führt, wenn
er in die reinlichen Straßen, an die prächtigen Wiesen, die blühenden Hecken
von Springlake kommt, besonders aber, wenn er die frischen und sanftmütigen
Gesichter der Männer und Frauen, das fremdartige, traurige Licht ihrer liebe¬
vollen Augen sieht, da ergreift ihn ein Etwas wie Heimweh nach einem bessern
Zeitalter, seine Seele wird bewegt wie bei der süßen, ruhigen Musik von fern
her tönender Dorfglocken. Und das ist die erste und stärkste Anziehungskraft
von Springlcckc.

Der Glanz dieses ahnungsvollen Friedens lag auf dem einzeln stehenden
zierlichen Hause und verklärte dessen weißgetünchte Holzwände, grüne Fenster¬
läden, silbern schimmerndes Schindeldach und wohlgepflegten Blumengarten.
Dieser Glanz, der vom Himmel geschenkt zu sein schien, erhellte auch das große,
einfache Gemach im obern Stock, dessen Balkonthür weit offen stand, sodaß
der Blick seiner Bewohner ungehindert hinausschweifen konnte über die Berg¬
spitzen und Hügelreihen in der Ferne, auf den hellen Spiegel des breiten Flusses
und die paradiesischen Gefilde, die sich bis zu dessen Ufer erstrecken.

Eine blasse Frau lag in einem tiefen, weichen Lehnstuhl in der Nähe der
offnen Thür und sog mit matter Brust den erquickenden Atem der Fluren ein,
der die Gerüche von tausend Blumen zu ihr trug. Ihre sanften, blauen Augen
hingen mit sehnsüchtigem Blick an dem rötlich leuchtenden Ader, der, von der
Abendsonne durchglüht, über den violetten Bergen emporstieg, und ihre durch¬
sichtigen, schmalen Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoße.

Zur Rechten neben ihr stand eine ältere Frau mit bräunlicher Gesichts¬
farbe und energischen Zügen in der eigentümlichen Tracht der Shakcrgemeindeiu
eine weiße leinene Haube auf dem Kopfe, welche das Haar verhüllt und das
Gesicht puritanisch einrahmt, ein breiter leinener Kragen ohne Shlips um den
Hals, und ein Musselinkleid von strengem Schnitt und ohne jeden Schmuck außer
blendender Weiße.

Zur Linken neben dem Lehnstuhl der Leidenden stand ein Neger von starkem
Wuchs, durch dessen wolliges Haar sich bereits Silberfäden zogen, und dessen
ehrliches, von vielen Runzeln durchzogenes Gesicht den Ausdruck tiefer Trauer trug.

Eure Gemeinde, Schwester Elisabeth, ist mir eine segensvolle Zuflucht in
meinem verlassenen Dasein gewesen, sagte die Kranke mit einer leisen, süßen
Stimme, die so schwach war, daß ihr Ton kaum zu den Ohren der Anwesenden
drang.


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[0053] Die Grafen von Altenschwerdr. Angesiedelten, der je dächte, der Ackerbau und die Bnmnkultur seien niedrige Beschäftigungen. Im Gegenteil, es sind hier die besten Talente mit Vorliebe um den mütterlichen Boden bemüht, und der Mann, welcher seine Farm zu der schönsten und reichsten Ernte heranbildet, ist hier der Berühmtheit sicher. Der Shaker bebaut den Boden mit der innigen Überzeugung, daß dies das edelste Werk sei, welches er ans Erden vollbringen könne, und wenn der Müssig- günger von Newhork heraufkommt und die grünen Hügel entlang führt, wenn er in die reinlichen Straßen, an die prächtigen Wiesen, die blühenden Hecken von Springlake kommt, besonders aber, wenn er die frischen und sanftmütigen Gesichter der Männer und Frauen, das fremdartige, traurige Licht ihrer liebe¬ vollen Augen sieht, da ergreift ihn ein Etwas wie Heimweh nach einem bessern Zeitalter, seine Seele wird bewegt wie bei der süßen, ruhigen Musik von fern her tönender Dorfglocken. Und das ist die erste und stärkste Anziehungskraft von Springlcckc. Der Glanz dieses ahnungsvollen Friedens lag auf dem einzeln stehenden zierlichen Hause und verklärte dessen weißgetünchte Holzwände, grüne Fenster¬ läden, silbern schimmerndes Schindeldach und wohlgepflegten Blumengarten. Dieser Glanz, der vom Himmel geschenkt zu sein schien, erhellte auch das große, einfache Gemach im obern Stock, dessen Balkonthür weit offen stand, sodaß der Blick seiner Bewohner ungehindert hinausschweifen konnte über die Berg¬ spitzen und Hügelreihen in der Ferne, auf den hellen Spiegel des breiten Flusses und die paradiesischen Gefilde, die sich bis zu dessen Ufer erstrecken. Eine blasse Frau lag in einem tiefen, weichen Lehnstuhl in der Nähe der offnen Thür und sog mit matter Brust den erquickenden Atem der Fluren ein, der die Gerüche von tausend Blumen zu ihr trug. Ihre sanften, blauen Augen hingen mit sehnsüchtigem Blick an dem rötlich leuchtenden Ader, der, von der Abendsonne durchglüht, über den violetten Bergen emporstieg, und ihre durch¬ sichtigen, schmalen Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoße. Zur Rechten neben ihr stand eine ältere Frau mit bräunlicher Gesichts¬ farbe und energischen Zügen in der eigentümlichen Tracht der Shakcrgemeindeiu eine weiße leinene Haube auf dem Kopfe, welche das Haar verhüllt und das Gesicht puritanisch einrahmt, ein breiter leinener Kragen ohne Shlips um den Hals, und ein Musselinkleid von strengem Schnitt und ohne jeden Schmuck außer blendender Weiße. Zur Linken neben dem Lehnstuhl der Leidenden stand ein Neger von starkem Wuchs, durch dessen wolliges Haar sich bereits Silberfäden zogen, und dessen ehrliches, von vielen Runzeln durchzogenes Gesicht den Ausdruck tiefer Trauer trug. Eure Gemeinde, Schwester Elisabeth, ist mir eine segensvolle Zuflucht in meinem verlassenen Dasein gewesen, sagte die Kranke mit einer leisen, süßen Stimme, die so schwach war, daß ihr Ton kaum zu den Ohren der Anwesenden drang.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/53>, abgerufen am 28.09.2024.