Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.Die Grasen von Altenschwerdt. Plane teilnahm, spielten mir eine geringe Rolle neben dem Anteil, den er als Wir werden etwas Diplomatie gebrauchen, um der Einwilligung meines Die Grasen von Altenschwerdt. Plane teilnahm, spielten mir eine geringe Rolle neben dem Anteil, den er als Wir werden etwas Diplomatie gebrauchen, um der Einwilligung meines <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0492" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152294"/> <fw type="header" place="top"> Die Grasen von Altenschwerdt.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1876" prev="#ID_1875"> Plane teilnahm, spielten mir eine geringe Rolle neben dem Anteil, den er als<lb/> Beobachter der Szene nahm. Dorothea beugte sich über die Zeichnung und<lb/> stützte den Arm auf den grauen Block, der vor langer, langer Zeit einmal auf<lb/> rätselhafte Weise sein gewaltiges Gewicht hier niedergelassen hatte. Dann blickte<lb/> sie wieder auf und berglich die Karte mit der von der Natur gegebenen Lage<lb/> des Landstrichs. Ihr jugeudfrischcs Gesicht war ganz Leben und Energie, und<lb/> ihre blitzenden Augen streiften beherrschend über den weiten Bruch hin, der öde<lb/> und unwirklich seine Fläche weithin bis zu den dunkeln Waldungen im Hinter¬<lb/> grunde erstreckte. Auf diesem Gebiete, das bis jetzt wohl nur die übermächtige<lb/> Kraft der Naturereignisse kennen gelernt hatte und unter dem nebligen Himmel<lb/> trotzig und düster dalag, stand das junge Mädchen in Eberhardts Augen wie<lb/> ein wohlthätiger, Heller Geist, der den Kampf mit den erdgebornen Titanen<lb/> aufnehmen will, stand sie wie die Repräsentantin der Kultur, die den Elementen<lb/> die Bedingungen menschlichen Daseins abringe. Er begriff die Verehrung, mit<lb/> der der blasse Geistliche in dies schöne Gesicht sah, und er glaubte seine eignen<lb/> Empfindungen in dem Benehmen dieses schüchternen und eckigen Mannes wieder-<lb/> gespiegelt zu sehen. Wenn er beobachtete, wie dem jungen Prediger jedes Wort<lb/> und jeder Blick Dorotheens ein Gegenstand herzlicher Beachtung, wie ihm die<lb/> Bewegung ihres Fingers auf der Zeichnung gleichsam der Wink des Schicksals<lb/> war und wie ihm die ganze Kolonie samt allen armen Tagelöhnern, samt dem<lb/> großen weiten Bruch mit seinen Wasserpfützen und knorrigen Eichen und samt<lb/> dem weiten Himmelsbogen, der sich silbergrau darüber spannte, den höchsten<lb/> Wert offenbar nur durch ihr Interesse daran hatte, so glaubte er darin ein<lb/> blasses Abbild der eignen Gefühle zu erblicken, welche sich im Wachen wie im<lb/> Traume auf eine einzige angebetete Persönlichkeit richteten und allen andern<lb/> Anforderungen der Welt zum Trotz immer wieder zu diesem Brennpunkt seines<lb/> Denkens zurückkehrten. Schmerzlich und doch wonnig zog es durch seine Brust.<lb/> Er hätte den Prediger umarmen mögen für sein liebevolles Eingehen in<lb/> Dorotheens Ideen, und konnte doch nicht ganz ohne Eifersucht bemerken, daß<lb/> beider Gedanken sich auf ein und dasselbe Ziel richteten. ' Er wünschte,<lb/> der einzige Vertraute Dorotheens in deren edelsinnige» Plänen zu sein,<lb/> und konnte doch hier im Hauche der Waldluft und angesichts der freien Natur,<lb/> gegenüber dem offenen Antlitz des jungen Mädchens, das so ganz von reinster<lb/> Menschenliebe und Thatkraft glühte, keiner andern Idee folgen als der eines<lb/> Wirkens für den guten Zweck.</p><lb/> <p xml:id="ID_1877" next="#ID_1878"> Wir werden etwas Diplomatie gebrauchen, um der Einwilligung meines<lb/> Vaters sicherer zu sein, sagte Dorothea lächelnd auf Eberhard: blickend. Wir<lb/> wollen den Grafen von Franeker für unsern Plan gewinnen. Er soll dem<lb/> Vater zuerst von den Vorteilen dieser Kolonie sprechen und selbst dabei interessirt<lb/> erscheinen. Das wird umso leichter sein, als seine Besitzung nicht weit von<lb/> hier liegt. Lassen Sie mir diese Karte gütigst, Herr Pfarrer. Ich will sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0492]
Die Grasen von Altenschwerdt.
Plane teilnahm, spielten mir eine geringe Rolle neben dem Anteil, den er als
Beobachter der Szene nahm. Dorothea beugte sich über die Zeichnung und
stützte den Arm auf den grauen Block, der vor langer, langer Zeit einmal auf
rätselhafte Weise sein gewaltiges Gewicht hier niedergelassen hatte. Dann blickte
sie wieder auf und berglich die Karte mit der von der Natur gegebenen Lage
des Landstrichs. Ihr jugeudfrischcs Gesicht war ganz Leben und Energie, und
ihre blitzenden Augen streiften beherrschend über den weiten Bruch hin, der öde
und unwirklich seine Fläche weithin bis zu den dunkeln Waldungen im Hinter¬
grunde erstreckte. Auf diesem Gebiete, das bis jetzt wohl nur die übermächtige
Kraft der Naturereignisse kennen gelernt hatte und unter dem nebligen Himmel
trotzig und düster dalag, stand das junge Mädchen in Eberhardts Augen wie
ein wohlthätiger, Heller Geist, der den Kampf mit den erdgebornen Titanen
aufnehmen will, stand sie wie die Repräsentantin der Kultur, die den Elementen
die Bedingungen menschlichen Daseins abringe. Er begriff die Verehrung, mit
der der blasse Geistliche in dies schöne Gesicht sah, und er glaubte seine eignen
Empfindungen in dem Benehmen dieses schüchternen und eckigen Mannes wieder-
gespiegelt zu sehen. Wenn er beobachtete, wie dem jungen Prediger jedes Wort
und jeder Blick Dorotheens ein Gegenstand herzlicher Beachtung, wie ihm die
Bewegung ihres Fingers auf der Zeichnung gleichsam der Wink des Schicksals
war und wie ihm die ganze Kolonie samt allen armen Tagelöhnern, samt dem
großen weiten Bruch mit seinen Wasserpfützen und knorrigen Eichen und samt
dem weiten Himmelsbogen, der sich silbergrau darüber spannte, den höchsten
Wert offenbar nur durch ihr Interesse daran hatte, so glaubte er darin ein
blasses Abbild der eignen Gefühle zu erblicken, welche sich im Wachen wie im
Traume auf eine einzige angebetete Persönlichkeit richteten und allen andern
Anforderungen der Welt zum Trotz immer wieder zu diesem Brennpunkt seines
Denkens zurückkehrten. Schmerzlich und doch wonnig zog es durch seine Brust.
Er hätte den Prediger umarmen mögen für sein liebevolles Eingehen in
Dorotheens Ideen, und konnte doch nicht ganz ohne Eifersucht bemerken, daß
beider Gedanken sich auf ein und dasselbe Ziel richteten. ' Er wünschte,
der einzige Vertraute Dorotheens in deren edelsinnige» Plänen zu sein,
und konnte doch hier im Hauche der Waldluft und angesichts der freien Natur,
gegenüber dem offenen Antlitz des jungen Mädchens, das so ganz von reinster
Menschenliebe und Thatkraft glühte, keiner andern Idee folgen als der eines
Wirkens für den guten Zweck.
Wir werden etwas Diplomatie gebrauchen, um der Einwilligung meines
Vaters sicherer zu sein, sagte Dorothea lächelnd auf Eberhard: blickend. Wir
wollen den Grafen von Franeker für unsern Plan gewinnen. Er soll dem
Vater zuerst von den Vorteilen dieser Kolonie sprechen und selbst dabei interessirt
erscheinen. Das wird umso leichter sein, als seine Besitzung nicht weit von
hier liegt. Lassen Sie mir diese Karte gütigst, Herr Pfarrer. Ich will sie
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