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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Lügen Richter und die Armee.

diesem Anlaß dem hochverdienten General mehr oder weniger warme Worte der
Anerkennung, die bestimmt sind, ihn zu weiteren Bleiben zu bestimmen. Von
besonderm Interesse erscheint es dabei, wie von verschiednen liberalen Zeitungen
die Verdienste des Kriegsministers neben der landesüblichen Redensart vom
"tapfern Haudegen" und dergleichen in seiner Redegewandtheit und in dem kon¬
zilianten Wesen gegen die Volksvertretung gefunden werden, mit dem er jedem
Konflikt aus dem Wege gegangen sei. Kein Wort davon, daß der Kriegs¬
minister ein vortrefflicher Organisator, ein hervorragender Verwaltungsbeamter,
eine militärische Kapazität ist. Wahrlich, es ist weit mit dem deutschen öffent¬
lichen Leben bergab gegangen, wenn die Brauchbarkeit eines preußischen Kriegs¬
ministers ganz offen darnach beurteilt wird, ob er nachgiebig genug gegen parla¬
mentarische Anmaßung und Nörgelei sei. Nach solcher Erfahrung wird General
von Kamele gewiß selbst mit manchem seiner warmen Anhänger sich die Frage
vorlegen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er schon früher manchmal we¬
niger "konstitutionell konziliant" aufgetreten, sondern, seiner innern Natur fol¬
gend, mehr "militärisch schneidig" dreingefahren wäre.

Wir Wollen hier davon absehen, in eine weitere Auseinandersetzung darüber
einzutreten, ob es nötig oder auch nur nützlich und angemessen war, mit der
Debatte über die Novelle zum Militärpensionsgesetz die Forderung wegen
Heranziehung der aktiven Offiziere zu der Kommunalbesteuerung derartig zu
vermengen, daß es den Anschein gewinnt, als sollte eins von dem andern ab¬
hängig gemacht werden. Wir weisen in Bezug auf diese Materie nur darauf
hin, daß man den zahlreichen Mitgliedern eines verbreiteten Berufsstandes eine
teilweise nicht unerhebliche finanzielle Last aufbürdet, wenn man sie ohne weiteres
jetzt zu deu Kommnnalabgaben heranzieht, und daß es in diesem Falle doch nur
in der Billigkeit läge, für den Ausfall von dem bisherigen Einkommen durch
Erhöhung des Gehalts einen Ausgleich zu gewähren.

Ebenso fern liegt uns die eingehende Erörterung der zu einer "Frage"
angeschwollenen Art und Weise, nach welcher die Pensionirung der Offiziere
in der Armee gehandhabt wird. Gewiß kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß die hohe Ziffer, welche die zu Pensionen für Offiziere ausgeworfene Summe
jährlich erreicht, allseitig als eine schwere Belastung des staatlichen Ausgabe¬
budgets empfunden wird. Die Ermahnungen des Herrn Windthorst, mit der
Pensionirung von Offizieren vorsichtig vorzugehen, sind deshalb sehr geeignet,
im Lande Wiederhall zu finden, und würden an maßgebender Stelle auch gewiß
beachtet werden, wenn sie nicht eben völlig überflüssig wären. Die Männer,
welche zu den höhern Kvmmandostellnngen in der Armee aufrücken, müssen
nicht allein mit völliger körperlicher und geistiger Frische ein gewisses Maß
Positiver allgemeiner und Fachkenntnisse verbinden, sondern auch, und darauf kann
unsers Erachtens nicht oft und nicht eindringlich genug hingewiesen werden, zur
Ergänzung und Erziehung des Offizierkorps, zur Ausbildung der Truppe im


Lügen Richter und die Armee.

diesem Anlaß dem hochverdienten General mehr oder weniger warme Worte der
Anerkennung, die bestimmt sind, ihn zu weiteren Bleiben zu bestimmen. Von
besonderm Interesse erscheint es dabei, wie von verschiednen liberalen Zeitungen
die Verdienste des Kriegsministers neben der landesüblichen Redensart vom
„tapfern Haudegen" und dergleichen in seiner Redegewandtheit und in dem kon¬
zilianten Wesen gegen die Volksvertretung gefunden werden, mit dem er jedem
Konflikt aus dem Wege gegangen sei. Kein Wort davon, daß der Kriegs¬
minister ein vortrefflicher Organisator, ein hervorragender Verwaltungsbeamter,
eine militärische Kapazität ist. Wahrlich, es ist weit mit dem deutschen öffent¬
lichen Leben bergab gegangen, wenn die Brauchbarkeit eines preußischen Kriegs¬
ministers ganz offen darnach beurteilt wird, ob er nachgiebig genug gegen parla¬
mentarische Anmaßung und Nörgelei sei. Nach solcher Erfahrung wird General
von Kamele gewiß selbst mit manchem seiner warmen Anhänger sich die Frage
vorlegen, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er schon früher manchmal we¬
niger „konstitutionell konziliant" aufgetreten, sondern, seiner innern Natur fol¬
gend, mehr „militärisch schneidig" dreingefahren wäre.

Wir Wollen hier davon absehen, in eine weitere Auseinandersetzung darüber
einzutreten, ob es nötig oder auch nur nützlich und angemessen war, mit der
Debatte über die Novelle zum Militärpensionsgesetz die Forderung wegen
Heranziehung der aktiven Offiziere zu der Kommunalbesteuerung derartig zu
vermengen, daß es den Anschein gewinnt, als sollte eins von dem andern ab¬
hängig gemacht werden. Wir weisen in Bezug auf diese Materie nur darauf
hin, daß man den zahlreichen Mitgliedern eines verbreiteten Berufsstandes eine
teilweise nicht unerhebliche finanzielle Last aufbürdet, wenn man sie ohne weiteres
jetzt zu deu Kommnnalabgaben heranzieht, und daß es in diesem Falle doch nur
in der Billigkeit läge, für den Ausfall von dem bisherigen Einkommen durch
Erhöhung des Gehalts einen Ausgleich zu gewähren.

Ebenso fern liegt uns die eingehende Erörterung der zu einer „Frage"
angeschwollenen Art und Weise, nach welcher die Pensionirung der Offiziere
in der Armee gehandhabt wird. Gewiß kann kein Zweifel darüber bestehen,
daß die hohe Ziffer, welche die zu Pensionen für Offiziere ausgeworfene Summe
jährlich erreicht, allseitig als eine schwere Belastung des staatlichen Ausgabe¬
budgets empfunden wird. Die Ermahnungen des Herrn Windthorst, mit der
Pensionirung von Offizieren vorsichtig vorzugehen, sind deshalb sehr geeignet,
im Lande Wiederhall zu finden, und würden an maßgebender Stelle auch gewiß
beachtet werden, wenn sie nicht eben völlig überflüssig wären. Die Männer,
welche zu den höhern Kvmmandostellnngen in der Armee aufrücken, müssen
nicht allein mit völliger körperlicher und geistiger Frische ein gewisses Maß
Positiver allgemeiner und Fachkenntnisse verbinden, sondern auch, und darauf kann
unsers Erachtens nicht oft und nicht eindringlich genug hingewiesen werden, zur
Ergänzung und Erziehung des Offizierkorps, zur Ausbildung der Truppe im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/478>, abgerufen am 04.07.2024.