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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Vie deutsche Flotte.

tionellen festen Gefüge des Offizierkorps der Armee ebenbürtige junge deutsche
Seeoffizierkorps verehrt in dem verstorbenen Prinzen Adalbert seinen Schöpfer.

Als grundlegend für die weitere Entwicklung der Flotte kann das Jahr 1853
angesehen werden, in welchem die Angelegenheiten der Marine vom Kriegs¬
ministerium abgelöst und der nunmehr selbständigen Admiralität übertragen
wurden. In diesem Jahre wurde außerdem dasjenige oldcnburgische Terrain
käuflich erworben, auf welchem der wegen der schweren Zugänglichkeit der Ostsee
so wichtige Kriegshafen Wilhelmshaven erbaut worden ist.

Mit der Heranbildung von Offizieren und Matrosen hielt aber auch die
Vermehrung und Verbesserung der Schiffe, des schwimmenden Materials,
gleichen Schritt. Im Jahre 1860 bestand dieses letztere außer der oben er¬
wähnten Ruderflottille bereits aus 26 Dampfern mit insgesamt 212 Geschützen
und 9 Segelschiffen mit 12S Kanonen. Während des deutsch-dänischen Krieges
1864 erhielt die junge Marine unter dem Kommando des Admirals Jachmann
die Feuertaufe; bei Ausbruch des französischen Krieges, sechs Jahre später, hatte
sie die Stärke von 3 Panzerschiffen, 2 Panzerfahrzeugen, ö gedeckten hölzernen
und 4 Glattdeckskorvetten, 8 Dampfkorvetten erster Klasse, 14 Dampfkorvetten
zweiter Klasse, 3 Segelfregattcn und 4 Briggs erreicht, wozu noch die Ruder¬
flottille trat. Natürlich reichte diese Macht nicht aus, dem weit überlegnen
Feinde auf offener See in rangirter Schlacht die Spitze zu bieten; trotzdem
hat es dem französischen Admiral nicht glücken wollen, die mit Aufwand be¬
deutender Kräfte in Szene gesetzte und mit großem Eklat angekündigte Landung
auf deutschem Boden auszuführen, und das Ausfallgefecht der Nymphe bei
Danzig, wie der Kampf des Meteor mit dem französischen Aviso Bouvet in den
westindischen Gewässern legten Zeugnis ab von der deutschen seemännischen
Tüchtigkeit und waren ganz geeignet, auch dem stärkern Feinde Achtung vor der
jungen Flagge einzuflößen.

Mit der Aufrichtung des neuen deutschen Reiches ging die preußische Ma¬
rine in die deutsche Flotte über. Die Art des weitern Ausbaues, zu welchem
der Segen oder Unsegen der französischen Milliarden die Mittel in reichem
Maße gewährte, mußte zumeist davon abhängen, ob Deutschland sich ent¬
schließen wollte und konnte, mit einem Schlage unter die großen Seemächte
einzutreten, oder ob es zweckdienlicher schien, die deutsche Seemacht lediglich in
genügender Stärke zu formiren, um den Schutz der heimischen Küsten und über¬
seeischen vaterländischen Interessen mit Nachdruck wahrnehmen zu können.
Jedenfalls mußte die Flotte immer zahlreich genug sein, um in kriegerischer
Verwicklung mit Seemächten ersten Ranges durch fortwährende Ausfälle aus
den befestigten Häfen eine dauernde Blokade unsrer Küsten zu verhindern.

Bei der Entscheidung dieser Fragen handelt es sich einerseits um die
Lebensinteressen des deutschen Handels und der deutschen Wehrhaftigkeit, andrer¬
seits um eine riesenhafte Organisation und um die Aufwendung ganz bedeutender


Vie deutsche Flotte.

tionellen festen Gefüge des Offizierkorps der Armee ebenbürtige junge deutsche
Seeoffizierkorps verehrt in dem verstorbenen Prinzen Adalbert seinen Schöpfer.

Als grundlegend für die weitere Entwicklung der Flotte kann das Jahr 1853
angesehen werden, in welchem die Angelegenheiten der Marine vom Kriegs¬
ministerium abgelöst und der nunmehr selbständigen Admiralität übertragen
wurden. In diesem Jahre wurde außerdem dasjenige oldcnburgische Terrain
käuflich erworben, auf welchem der wegen der schweren Zugänglichkeit der Ostsee
so wichtige Kriegshafen Wilhelmshaven erbaut worden ist.

Mit der Heranbildung von Offizieren und Matrosen hielt aber auch die
Vermehrung und Verbesserung der Schiffe, des schwimmenden Materials,
gleichen Schritt. Im Jahre 1860 bestand dieses letztere außer der oben er¬
wähnten Ruderflottille bereits aus 26 Dampfern mit insgesamt 212 Geschützen
und 9 Segelschiffen mit 12S Kanonen. Während des deutsch-dänischen Krieges
1864 erhielt die junge Marine unter dem Kommando des Admirals Jachmann
die Feuertaufe; bei Ausbruch des französischen Krieges, sechs Jahre später, hatte
sie die Stärke von 3 Panzerschiffen, 2 Panzerfahrzeugen, ö gedeckten hölzernen
und 4 Glattdeckskorvetten, 8 Dampfkorvetten erster Klasse, 14 Dampfkorvetten
zweiter Klasse, 3 Segelfregattcn und 4 Briggs erreicht, wozu noch die Ruder¬
flottille trat. Natürlich reichte diese Macht nicht aus, dem weit überlegnen
Feinde auf offener See in rangirter Schlacht die Spitze zu bieten; trotzdem
hat es dem französischen Admiral nicht glücken wollen, die mit Aufwand be¬
deutender Kräfte in Szene gesetzte und mit großem Eklat angekündigte Landung
auf deutschem Boden auszuführen, und das Ausfallgefecht der Nymphe bei
Danzig, wie der Kampf des Meteor mit dem französischen Aviso Bouvet in den
westindischen Gewässern legten Zeugnis ab von der deutschen seemännischen
Tüchtigkeit und waren ganz geeignet, auch dem stärkern Feinde Achtung vor der
jungen Flagge einzuflößen.

Mit der Aufrichtung des neuen deutschen Reiches ging die preußische Ma¬
rine in die deutsche Flotte über. Die Art des weitern Ausbaues, zu welchem
der Segen oder Unsegen der französischen Milliarden die Mittel in reichem
Maße gewährte, mußte zumeist davon abhängen, ob Deutschland sich ent¬
schließen wollte und konnte, mit einem Schlage unter die großen Seemächte
einzutreten, oder ob es zweckdienlicher schien, die deutsche Seemacht lediglich in
genügender Stärke zu formiren, um den Schutz der heimischen Küsten und über¬
seeischen vaterländischen Interessen mit Nachdruck wahrnehmen zu können.
Jedenfalls mußte die Flotte immer zahlreich genug sein, um in kriegerischer
Verwicklung mit Seemächten ersten Ranges durch fortwährende Ausfälle aus
den befestigten Häfen eine dauernde Blokade unsrer Küsten zu verhindern.

Bei der Entscheidung dieser Fragen handelt es sich einerseits um die
Lebensinteressen des deutschen Handels und der deutschen Wehrhaftigkeit, andrer¬
seits um eine riesenhafte Organisation und um die Aufwendung ganz bedeutender


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[0458] Vie deutsche Flotte. tionellen festen Gefüge des Offizierkorps der Armee ebenbürtige junge deutsche Seeoffizierkorps verehrt in dem verstorbenen Prinzen Adalbert seinen Schöpfer. Als grundlegend für die weitere Entwicklung der Flotte kann das Jahr 1853 angesehen werden, in welchem die Angelegenheiten der Marine vom Kriegs¬ ministerium abgelöst und der nunmehr selbständigen Admiralität übertragen wurden. In diesem Jahre wurde außerdem dasjenige oldcnburgische Terrain käuflich erworben, auf welchem der wegen der schweren Zugänglichkeit der Ostsee so wichtige Kriegshafen Wilhelmshaven erbaut worden ist. Mit der Heranbildung von Offizieren und Matrosen hielt aber auch die Vermehrung und Verbesserung der Schiffe, des schwimmenden Materials, gleichen Schritt. Im Jahre 1860 bestand dieses letztere außer der oben er¬ wähnten Ruderflottille bereits aus 26 Dampfern mit insgesamt 212 Geschützen und 9 Segelschiffen mit 12S Kanonen. Während des deutsch-dänischen Krieges 1864 erhielt die junge Marine unter dem Kommando des Admirals Jachmann die Feuertaufe; bei Ausbruch des französischen Krieges, sechs Jahre später, hatte sie die Stärke von 3 Panzerschiffen, 2 Panzerfahrzeugen, ö gedeckten hölzernen und 4 Glattdeckskorvetten, 8 Dampfkorvetten erster Klasse, 14 Dampfkorvetten zweiter Klasse, 3 Segelfregattcn und 4 Briggs erreicht, wozu noch die Ruder¬ flottille trat. Natürlich reichte diese Macht nicht aus, dem weit überlegnen Feinde auf offener See in rangirter Schlacht die Spitze zu bieten; trotzdem hat es dem französischen Admiral nicht glücken wollen, die mit Aufwand be¬ deutender Kräfte in Szene gesetzte und mit großem Eklat angekündigte Landung auf deutschem Boden auszuführen, und das Ausfallgefecht der Nymphe bei Danzig, wie der Kampf des Meteor mit dem französischen Aviso Bouvet in den westindischen Gewässern legten Zeugnis ab von der deutschen seemännischen Tüchtigkeit und waren ganz geeignet, auch dem stärkern Feinde Achtung vor der jungen Flagge einzuflößen. Mit der Aufrichtung des neuen deutschen Reiches ging die preußische Ma¬ rine in die deutsche Flotte über. Die Art des weitern Ausbaues, zu welchem der Segen oder Unsegen der französischen Milliarden die Mittel in reichem Maße gewährte, mußte zumeist davon abhängen, ob Deutschland sich ent¬ schließen wollte und konnte, mit einem Schlage unter die großen Seemächte einzutreten, oder ob es zweckdienlicher schien, die deutsche Seemacht lediglich in genügender Stärke zu formiren, um den Schutz der heimischen Küsten und über¬ seeischen vaterländischen Interessen mit Nachdruck wahrnehmen zu können. Jedenfalls mußte die Flotte immer zahlreich genug sein, um in kriegerischer Verwicklung mit Seemächten ersten Ranges durch fortwährende Ausfälle aus den befestigten Häfen eine dauernde Blokade unsrer Küsten zu verhindern. Bei der Entscheidung dieser Fragen handelt es sich einerseits um die Lebensinteressen des deutschen Handels und der deutschen Wehrhaftigkeit, andrer¬ seits um eine riesenhafte Organisation und um die Aufwendung ganz bedeutender

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/458>, abgerufen am 23.07.2024.