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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der parlamentarische Aonflikt in Frankreich.

Politik der Legitimsten und Bonapartisten verurteile. Von der Existenz einer
orleanistischen Politik wollte er nichts wissen. Der Orleanismns sei, behauptete
er, nur noch ein historischer Begriff, das Wort einer toten Sprache, von Interesse
höchstens für Altertumsforscher; denn die Prinzen des Hauses Orleans hätten
ihn selbst vor aller Welt verleugnet und aufgegeben. Der Redner sagte ferner,
wenn die Regierung wirklich mehr Sicherheit bedürfe, so werde er sich einem
Verbannungsgesetz gegen Individuen, die antirepublikanische Manifeste erließen,
nicht widersetzen, er müsse aber darauf bestehen, daß solche Personen von den
gewöhnlichen Gerichten vorher verurteilt, nicht aber willkürlich ihrer Stellen
beraubt und aus dem Lande vertrieben würden. Der Senat könne nur dann
zu einem Wahrsprüche gegen die Prinzen aufgefordert werden, wenn er sich in
einen obersten Gerichtshof verwandelt habe, der nach dem üblichen Rechte Ver¬
fahren müsse. Die Sache habe übrigens nichts mit einem Vertrauensvotum
für das Kabinet zu schaffen. Es gebe dermalen kein solches, und einem zu¬
künftigen Ministerium, dessen Charakter man nicht kenne, unbeschränkte Gewalt
in der Angelegenheit zu übertragen, könne er sich durchaus nicht entschließen.
Schließlich verwarf die Fraktion das Gesetz mit 30 gegen 5 Stimmen. Die
Beratung der Rechten dauerte mir wenige Minuten. Man erklärte sich eben¬
falls gegen das Gesetz, beschloß aber, sich sowohl bei der Debatte im Ausschusse
als bei der im Plenum möglichst im Hintergründe zu halten und die Opposition
gegen die Anstreibungsmaßregeln den gemäßigten Republikanern zu überlassen,
damit unnötige Verbitterung vermieden werde.

Was hiernach vorauszusehen war, geschah, indem zunächst ein Ausschuß
gewählt wurde, der sich gegen die von der Regierung mit der zweiten Kammer
vereinbarten Maßregeln erklärte, und in den parlamentarischen Kreisen von Paris
herrschte schon am Donnerstag die Meinung vor, das Plenum des Senats
werde dieselben ohne weiteres ablehnen. Andrerseits blieb auch die Negierung
sest und war entschlossen, sich aus keinen Kompromiß einzulassen. Der Melon-ü,
ein Blatt der gemäßigten Republikaner, berichtete nach einem Ministerrate, der
am Dienstag unter Vorsitz Grcvys stattgefunden hatte: "Wie auch die Ab¬
stimmung im Senat ausfallen möge, der Kriegsminister wird dem Präsidenten
der Republik ein Dekret zur Unterzeichnung vorlegen, welches diejenigen der
Prinzen des Hauses Orleans, welche Posten im Heere bekleiden, in Dispvnibilität
versetzt." Ist das richtig, und das Blatt pflegt gut unterrichtet zu sein, so
wird das Kabinet FaWres die Taktik wiederholen, welche von der Regierung
befolgt wurde, als sie der Verwerfung des obenerwähnten Artikels 7 durch den
Senat eiligst die Märzdekrete gegen die Jesuiten folgen ließ. Ein solcher
Schritt aber würde ganz entschieden eine arge Unbilligkeit sein. Es liegt Kar
auf der Hand, daß, während die Verbannuugsklauscln des in Rede stehenden
Gesetzentwurfes der Regierung die Macht verleihen sollen, den Prinzen Na¬
poleon zu beseitigen, falls die Gerichte ihm nichts anhaben können, die andre


Der parlamentarische Aonflikt in Frankreich.

Politik der Legitimsten und Bonapartisten verurteile. Von der Existenz einer
orleanistischen Politik wollte er nichts wissen. Der Orleanismns sei, behauptete
er, nur noch ein historischer Begriff, das Wort einer toten Sprache, von Interesse
höchstens für Altertumsforscher; denn die Prinzen des Hauses Orleans hätten
ihn selbst vor aller Welt verleugnet und aufgegeben. Der Redner sagte ferner,
wenn die Regierung wirklich mehr Sicherheit bedürfe, so werde er sich einem
Verbannungsgesetz gegen Individuen, die antirepublikanische Manifeste erließen,
nicht widersetzen, er müsse aber darauf bestehen, daß solche Personen von den
gewöhnlichen Gerichten vorher verurteilt, nicht aber willkürlich ihrer Stellen
beraubt und aus dem Lande vertrieben würden. Der Senat könne nur dann
zu einem Wahrsprüche gegen die Prinzen aufgefordert werden, wenn er sich in
einen obersten Gerichtshof verwandelt habe, der nach dem üblichen Rechte Ver¬
fahren müsse. Die Sache habe übrigens nichts mit einem Vertrauensvotum
für das Kabinet zu schaffen. Es gebe dermalen kein solches, und einem zu¬
künftigen Ministerium, dessen Charakter man nicht kenne, unbeschränkte Gewalt
in der Angelegenheit zu übertragen, könne er sich durchaus nicht entschließen.
Schließlich verwarf die Fraktion das Gesetz mit 30 gegen 5 Stimmen. Die
Beratung der Rechten dauerte mir wenige Minuten. Man erklärte sich eben¬
falls gegen das Gesetz, beschloß aber, sich sowohl bei der Debatte im Ausschusse
als bei der im Plenum möglichst im Hintergründe zu halten und die Opposition
gegen die Anstreibungsmaßregeln den gemäßigten Republikanern zu überlassen,
damit unnötige Verbitterung vermieden werde.

Was hiernach vorauszusehen war, geschah, indem zunächst ein Ausschuß
gewählt wurde, der sich gegen die von der Regierung mit der zweiten Kammer
vereinbarten Maßregeln erklärte, und in den parlamentarischen Kreisen von Paris
herrschte schon am Donnerstag die Meinung vor, das Plenum des Senats
werde dieselben ohne weiteres ablehnen. Andrerseits blieb auch die Negierung
sest und war entschlossen, sich aus keinen Kompromiß einzulassen. Der Melon-ü,
ein Blatt der gemäßigten Republikaner, berichtete nach einem Ministerrate, der
am Dienstag unter Vorsitz Grcvys stattgefunden hatte: „Wie auch die Ab¬
stimmung im Senat ausfallen möge, der Kriegsminister wird dem Präsidenten
der Republik ein Dekret zur Unterzeichnung vorlegen, welches diejenigen der
Prinzen des Hauses Orleans, welche Posten im Heere bekleiden, in Dispvnibilität
versetzt." Ist das richtig, und das Blatt pflegt gut unterrichtet zu sein, so
wird das Kabinet FaWres die Taktik wiederholen, welche von der Regierung
befolgt wurde, als sie der Verwerfung des obenerwähnten Artikels 7 durch den
Senat eiligst die Märzdekrete gegen die Jesuiten folgen ließ. Ein solcher
Schritt aber würde ganz entschieden eine arge Unbilligkeit sein. Es liegt Kar
auf der Hand, daß, während die Verbannuugsklauscln des in Rede stehenden
Gesetzentwurfes der Regierung die Macht verleihen sollen, den Prinzen Na¬
poleon zu beseitigen, falls die Gerichte ihm nichts anhaben können, die andre


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[0394] Der parlamentarische Aonflikt in Frankreich. Politik der Legitimsten und Bonapartisten verurteile. Von der Existenz einer orleanistischen Politik wollte er nichts wissen. Der Orleanismns sei, behauptete er, nur noch ein historischer Begriff, das Wort einer toten Sprache, von Interesse höchstens für Altertumsforscher; denn die Prinzen des Hauses Orleans hätten ihn selbst vor aller Welt verleugnet und aufgegeben. Der Redner sagte ferner, wenn die Regierung wirklich mehr Sicherheit bedürfe, so werde er sich einem Verbannungsgesetz gegen Individuen, die antirepublikanische Manifeste erließen, nicht widersetzen, er müsse aber darauf bestehen, daß solche Personen von den gewöhnlichen Gerichten vorher verurteilt, nicht aber willkürlich ihrer Stellen beraubt und aus dem Lande vertrieben würden. Der Senat könne nur dann zu einem Wahrsprüche gegen die Prinzen aufgefordert werden, wenn er sich in einen obersten Gerichtshof verwandelt habe, der nach dem üblichen Rechte Ver¬ fahren müsse. Die Sache habe übrigens nichts mit einem Vertrauensvotum für das Kabinet zu schaffen. Es gebe dermalen kein solches, und einem zu¬ künftigen Ministerium, dessen Charakter man nicht kenne, unbeschränkte Gewalt in der Angelegenheit zu übertragen, könne er sich durchaus nicht entschließen. Schließlich verwarf die Fraktion das Gesetz mit 30 gegen 5 Stimmen. Die Beratung der Rechten dauerte mir wenige Minuten. Man erklärte sich eben¬ falls gegen das Gesetz, beschloß aber, sich sowohl bei der Debatte im Ausschusse als bei der im Plenum möglichst im Hintergründe zu halten und die Opposition gegen die Anstreibungsmaßregeln den gemäßigten Republikanern zu überlassen, damit unnötige Verbitterung vermieden werde. Was hiernach vorauszusehen war, geschah, indem zunächst ein Ausschuß gewählt wurde, der sich gegen die von der Regierung mit der zweiten Kammer vereinbarten Maßregeln erklärte, und in den parlamentarischen Kreisen von Paris herrschte schon am Donnerstag die Meinung vor, das Plenum des Senats werde dieselben ohne weiteres ablehnen. Andrerseits blieb auch die Negierung sest und war entschlossen, sich aus keinen Kompromiß einzulassen. Der Melon-ü, ein Blatt der gemäßigten Republikaner, berichtete nach einem Ministerrate, der am Dienstag unter Vorsitz Grcvys stattgefunden hatte: „Wie auch die Ab¬ stimmung im Senat ausfallen möge, der Kriegsminister wird dem Präsidenten der Republik ein Dekret zur Unterzeichnung vorlegen, welches diejenigen der Prinzen des Hauses Orleans, welche Posten im Heere bekleiden, in Dispvnibilität versetzt." Ist das richtig, und das Blatt pflegt gut unterrichtet zu sein, so wird das Kabinet FaWres die Taktik wiederholen, welche von der Regierung befolgt wurde, als sie der Verwerfung des obenerwähnten Artikels 7 durch den Senat eiligst die Märzdekrete gegen die Jesuiten folgen ließ. Ein solcher Schritt aber würde ganz entschieden eine arge Unbilligkeit sein. Es liegt Kar auf der Hand, daß, während die Verbannuugsklauscln des in Rede stehenden Gesetzentwurfes der Regierung die Macht verleihen sollen, den Prinzen Na¬ poleon zu beseitigen, falls die Gerichte ihm nichts anhaben können, die andre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/394>, abgerufen am 23.07.2024.