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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Die Grafen von Altcnschwcrdt.

sie bis jetzt durch den Eifer ihrer eignen Auseinandersetzung verhindert worden
war, und sah mit Besorgnis, wie sehr der junge Mann bewegt war.

Sie stand auf, schloß ihn in die Arme, drückte einen Kuß auf seine Stirn
und sagte: Ich sehe, wie gut es ist, mein lieber Dietrich, daß wir uns ent¬
schlossen haben, einige Wochen ganz deiner Gesundheit zu leben. Der Aufent¬
halt hier an der See wird dir gut thun. Deine Nerven sind durch die An¬
strengungen deines Berufes angegriffen. Auch ist es uicht meine Absicht, den
Besuch in Schloß Eichhausen zu machen, bevor du gestärkt bist und ein besseres
Aussehen hast.

Erlaube mir, liebe Mama, es scheint mir wohl der Mühe wert, zunächst
deinen Plan im Prinzip zu besprechen. Weißt dn wohl, daß der Gedanke einer
Heirat für mich etwa so erfreulich ist, wie das plötzliche Erscheinen eines
brüllenden Löwen es sein würde, der jetzt hier einträte, um mich zu ver¬
schlingen?

El, welche Phantasie! sagte die Gräfin ärgerlich.

Ich versichere dir, liebe Mama, ich habe ein Gefühl, als sei plötzlich aller
Friede, alle Sicherheit ans der Welt verschwunden. Ein Schrecknis von "och
nicht genan zu erkennender Form grinst mich an. Ich bitte dich, beste Mama,
wozu soviel Klugheit, wozu so viele Pläne? Ich lebe friedlich dahin, ich thue
nichts böses, warum mußt dn mich so erschrecken?

Du bist ein Kind, ich mag dies nicht hören, sagte die Gräfin. Dn kannst
doch nicht immer unvermählt bleiben! Wenn du deinen Weg in der Welt
machen willst, wenn nicht die Bilder deines Ehrgeizes immer bloße Bilder bleiben
sollen, so mußt du für früher oder später eine passende Partie ins Auge fassen.
Ich will nicht hoffen, daß du durch irgend eine zu weit getriebene Tändelei
gebunden bist.

Das nicht, o nein, nichts liegt mir ferner als das. Aber ich will dir gestehen,
liebe Mama, daß niemand wohl ans Erden lebt, der so wenig zum Ehemann
taugt wie ich. Mich ängstigt jeder Gedanke einer Fessel. Ich habe mich in¬
stinktiv schon stets gegen das Eintreten in einen Verein, eine bestimmte Gesell¬
schaft gesträubt, die Ansprüche an mein regelmüßiges Erscheinen stellen könnte.
Mein Klub in Paris ist das einzige Band dieser Art, und dort kann ich kommen
und gehen, wie ich will. Ich bin ein geborner Junggeselle. Ich verehre alle
Frauen, ich erkenne den Liebreiz, die Güte, die Armut überall, in jeder Gestalt
an, aber der Gedanke, mich mit einem einzigen dieser lieblichen Wesen auf
immer zu verbinden, und wäre sie ein Engel mit einer Million -- der Ge¬
danke treibt mir den Schweiß auf die Stirn!

Du bist ein Narr! rief die Gräfin heftig.

Es ist möglich, ich glaube es selbst, aber ich bin einmal so beschaffen. Ja,
ich kann wohl sagen, ich weiß so genan, was ich bin, daß du garnicht nötig
hast, mir darüber etwas zu sagen, antwortete er trotzig.


Die Grafen von Altcnschwcrdt.

sie bis jetzt durch den Eifer ihrer eignen Auseinandersetzung verhindert worden
war, und sah mit Besorgnis, wie sehr der junge Mann bewegt war.

Sie stand auf, schloß ihn in die Arme, drückte einen Kuß auf seine Stirn
und sagte: Ich sehe, wie gut es ist, mein lieber Dietrich, daß wir uns ent¬
schlossen haben, einige Wochen ganz deiner Gesundheit zu leben. Der Aufent¬
halt hier an der See wird dir gut thun. Deine Nerven sind durch die An¬
strengungen deines Berufes angegriffen. Auch ist es uicht meine Absicht, den
Besuch in Schloß Eichhausen zu machen, bevor du gestärkt bist und ein besseres
Aussehen hast.

Erlaube mir, liebe Mama, es scheint mir wohl der Mühe wert, zunächst
deinen Plan im Prinzip zu besprechen. Weißt dn wohl, daß der Gedanke einer
Heirat für mich etwa so erfreulich ist, wie das plötzliche Erscheinen eines
brüllenden Löwen es sein würde, der jetzt hier einträte, um mich zu ver¬
schlingen?

El, welche Phantasie! sagte die Gräfin ärgerlich.

Ich versichere dir, liebe Mama, ich habe ein Gefühl, als sei plötzlich aller
Friede, alle Sicherheit ans der Welt verschwunden. Ein Schrecknis von »och
nicht genan zu erkennender Form grinst mich an. Ich bitte dich, beste Mama,
wozu soviel Klugheit, wozu so viele Pläne? Ich lebe friedlich dahin, ich thue
nichts böses, warum mußt dn mich so erschrecken?

Du bist ein Kind, ich mag dies nicht hören, sagte die Gräfin. Dn kannst
doch nicht immer unvermählt bleiben! Wenn du deinen Weg in der Welt
machen willst, wenn nicht die Bilder deines Ehrgeizes immer bloße Bilder bleiben
sollen, so mußt du für früher oder später eine passende Partie ins Auge fassen.
Ich will nicht hoffen, daß du durch irgend eine zu weit getriebene Tändelei
gebunden bist.

Das nicht, o nein, nichts liegt mir ferner als das. Aber ich will dir gestehen,
liebe Mama, daß niemand wohl ans Erden lebt, der so wenig zum Ehemann
taugt wie ich. Mich ängstigt jeder Gedanke einer Fessel. Ich habe mich in¬
stinktiv schon stets gegen das Eintreten in einen Verein, eine bestimmte Gesell¬
schaft gesträubt, die Ansprüche an mein regelmüßiges Erscheinen stellen könnte.
Mein Klub in Paris ist das einzige Band dieser Art, und dort kann ich kommen
und gehen, wie ich will. Ich bin ein geborner Junggeselle. Ich verehre alle
Frauen, ich erkenne den Liebreiz, die Güte, die Armut überall, in jeder Gestalt
an, aber der Gedanke, mich mit einem einzigen dieser lieblichen Wesen auf
immer zu verbinden, und wäre sie ein Engel mit einer Million — der Ge¬
danke treibt mir den Schweiß auf die Stirn!

Du bist ein Narr! rief die Gräfin heftig.

Es ist möglich, ich glaube es selbst, aber ich bin einmal so beschaffen. Ja,
ich kann wohl sagen, ich weiß so genan, was ich bin, daß du garnicht nötig
hast, mir darüber etwas zu sagen, antwortete er trotzig.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/390>, abgerufen am 23.07.2024.