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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Der Regen,

grad bei aufsteigender Höhe schnell wechseln. Ich habe deshalb die Feuchtigkeits¬
zahlen seit Jahr und Tag ans meinen Wetterberichte" entfernt und freue mich,
daß H, I, Klein in seiner "Allgemeinen Witternngsknude"") rät: "Der Prat
tiker in der Wetterprognose soll sich "in die relative Feuchtigkeit der Luft
garnicht kümmern, und es ist überhaupt zu bedauern, daß sie in den Wetter¬
berichte" noch mitgeschleppt wird.""") Statt dessen schlägt Kiel" die A"we"d""g
des Spektroskops vor.

Ich darf wohl als bekannt voraussetze", daß die Fraueuhoferscheu Linien
des Svnncnspcttrums von Dämpfen herrühren, welche gewisse Lichtstrahle" des
dnrch sie hindnrchlenchtcndc" Souucninner" absorbiren. Doch waren auch einige
zwischen den Linien <ü und I) gelegne Linien als terrestrische bekannt. Man
wußte, daß sie dnrch die Wasserdämpfe der L"se entstehen und umso lebhafter
hervortrete", je gesättigter die Luft ist. Kiel" schlägt nach dem Vorgange vo"
Piazzi Smith die Beobachtung dieser Linien als Regenprophete" vor und teilt
als sichere Erfahrung mit: "Sind die Rcgcnlinien schwach und fein, so ist i"
den nächste" Stunde" kein Regen zu erwarten, siud sie aber sehr dunkel, breit
und verwaschen und fast der D-Linie gleich, so kann man mit großer Sicher¬
heit auf Regen schließen, der in spätestens vier bis sechs Stunden eintreten
wird. Nur bisweilen setzt dieser Regen aus, bei weitem in den meisten Füllen
bietet das Spektroskop eine große Sicherheit in seinen Regcnanzeigen." Jeden¬
falls hat der Apparat vor den vorhergenannten den Vorzug, daß man mit
ihm den Wassergehalt der obern, regenbringenden Schichten prüft.

Die gegenwärtige Meteorologie richtet ihr Augenmerk in erster Linie auf
die Schwereverhültnisse der Luft und auf die infolge dessen entstehende" Strö¬
mungen. Um im kleinen ein Vorbild dessen zu finden, was täglich im großen
stattfindet, brauche ich nicht weit zu schauen. Vor mir steht die Lampe. Die
Luft über meinem Schreibtische ist mit einigem Tabaksrauche gemischt, was den
Vorteil bietet, daß man ihren Gang beobachten kann. Ich sehe, daß sie von
allen Seiten der Lampenglocke zuzieht, in derselben aufsteigt, so an die Decke
gelangt lind dort sich wieder ausbreitet. Die Erwärmung der Luft war die
Ursache der Bewegung gewesen. Die durch die Erwärmung leichter gewordene
Luft war emporgestiegen, während die benachbarte Luft in den aufgelockerten
Raum eindrang. Leider hält der Tabaksrauch nicht lange genug vor, um be¬
obachten zu können, daß die erwärmte Luft sich unter der Decke ausbreitet und
in einiger Entfernung niedersteigt, um zur Lampe zurückzukehren und den Kreis-




*) Leipzig. G. Freytag, 1382. Wir haben das treffliche Biichlei" schon in Ur 41 des
.
D. Red. vorigen Jahrganges angelegentlichst empfohlen.
5") Auch in der Form, wie sie neuerdings in Annoncen empfohlen wird, daß das
Hygrometer mit einem Anaeroidbarometer verbunden wird und komliinirte Werte angiebt,
ist die Sache nicht wesentlich gebessert. Eine mechanische Nehandlnng ist in jedem Falle zu
meiden.
Der Regen,

grad bei aufsteigender Höhe schnell wechseln. Ich habe deshalb die Feuchtigkeits¬
zahlen seit Jahr und Tag ans meinen Wetterberichte» entfernt und freue mich,
daß H, I, Klein in seiner „Allgemeinen Witternngsknude"") rät: „Der Prat
tiker in der Wetterprognose soll sich »in die relative Feuchtigkeit der Luft
garnicht kümmern, und es ist überhaupt zu bedauern, daß sie in den Wetter¬
berichte» noch mitgeschleppt wird.""") Statt dessen schlägt Kiel» die A»we»d»»g
des Spektroskops vor.

Ich darf wohl als bekannt voraussetze», daß die Fraueuhoferscheu Linien
des Svnncnspcttrums von Dämpfen herrühren, welche gewisse Lichtstrahle» des
dnrch sie hindnrchlenchtcndc» Souucninner» absorbiren. Doch waren auch einige
zwischen den Linien <ü und I) gelegne Linien als terrestrische bekannt. Man
wußte, daß sie dnrch die Wasserdämpfe der L»se entstehen und umso lebhafter
hervortrete», je gesättigter die Luft ist. Kiel» schlägt nach dem Vorgange vo»
Piazzi Smith die Beobachtung dieser Linien als Regenprophete» vor und teilt
als sichere Erfahrung mit: „Sind die Rcgcnlinien schwach und fein, so ist i»
den nächste» Stunde» kein Regen zu erwarten, siud sie aber sehr dunkel, breit
und verwaschen und fast der D-Linie gleich, so kann man mit großer Sicher¬
heit auf Regen schließen, der in spätestens vier bis sechs Stunden eintreten
wird. Nur bisweilen setzt dieser Regen aus, bei weitem in den meisten Füllen
bietet das Spektroskop eine große Sicherheit in seinen Regcnanzeigen." Jeden¬
falls hat der Apparat vor den vorhergenannten den Vorzug, daß man mit
ihm den Wassergehalt der obern, regenbringenden Schichten prüft.

Die gegenwärtige Meteorologie richtet ihr Augenmerk in erster Linie auf
die Schwereverhültnisse der Luft und auf die infolge dessen entstehende» Strö¬
mungen. Um im kleinen ein Vorbild dessen zu finden, was täglich im großen
stattfindet, brauche ich nicht weit zu schauen. Vor mir steht die Lampe. Die
Luft über meinem Schreibtische ist mit einigem Tabaksrauche gemischt, was den
Vorteil bietet, daß man ihren Gang beobachten kann. Ich sehe, daß sie von
allen Seiten der Lampenglocke zuzieht, in derselben aufsteigt, so an die Decke
gelangt lind dort sich wieder ausbreitet. Die Erwärmung der Luft war die
Ursache der Bewegung gewesen. Die durch die Erwärmung leichter gewordene
Luft war emporgestiegen, während die benachbarte Luft in den aufgelockerten
Raum eindrang. Leider hält der Tabaksrauch nicht lange genug vor, um be¬
obachten zu können, daß die erwärmte Luft sich unter der Decke ausbreitet und
in einiger Entfernung niedersteigt, um zur Lampe zurückzukehren und den Kreis-




*) Leipzig. G. Freytag, 1382. Wir haben das treffliche Biichlei» schon in Ur 41 des
.
D. Red. vorigen Jahrganges angelegentlichst empfohlen.
5") Auch in der Form, wie sie neuerdings in Annoncen empfohlen wird, daß das
Hygrometer mit einem Anaeroidbarometer verbunden wird und komliinirte Werte angiebt,
ist die Sache nicht wesentlich gebessert. Eine mechanische Nehandlnng ist in jedem Falle zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/360>, abgerufen am 23.07.2024.