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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

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Schutz der nationale" Arbeit.

mehr verdient als bisher, so ist der ganze landwirtschaftliche Kredit ge¬
hoben. Heute aber hat fast kein Bauer mehr Kredit,- weil alle Welt weiß, daß
er nichts mehr verdient. Warum waren denn sonst die Bauern wohlhabend?
Weil sie geschützt waren, und zwar uicht durch einen geringen Zoll, sondern
durch einen sehr hohen, nämlich durch den Mangel an Dampfschiffen und
Eisenbahnen! Damals konnte der inländische Markt nicht mit fremden land¬
wirtschaftlichen Produkten überfüllt werden. Damit soll nicht gesagt sein, daß
nicht die neuern Verkehrsverhältnisse ein Segen seien, aber amerikanische Dampf¬
schiffe und russische Bahnen zahlen uns keine Steuern, sondern unsre Bauern,
und darum müssen sie geschützt werden.

Mit der Verminderung der Steuern ist garnichts gethan. Es ist schon
oben nachgewiesen, daß dem Bauer nicht nur der Betrag der Steuern, sondern
daß ihm viel mehr fehlt. So ist es aber allcrwiirts. Es ist ja sehr wohl¬
gethan, wenn man den untersten Klassen die Steuern erläßt, aber geholfen ist
ihnen damit nicht; denn dieselbe Ursache, welche ihnen das Bezahlen der Steuern
erschwert, erschwert ihnen überhaupt daS Bezahlen und somit die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse, es ist der Mangel an Arbeit. Dadurch, daß wir immer
von der erdrückenden Last der Steuern, namentlich des Militärbudgets, sprechen,
verdecken wir die wahre Notlage. Nicht die Verausgabung des
Stenerbctrages ist das, was das deutsche Volk drückt, sondern der
Mangel einer weitaus größern Einnahme. Wenn heute die deutsche
Nation gar keine Steuern mehr zu zahlen hätte, so wäre ihr dennoch anrichten
geholfen. Nicht das, was sie an die Staatskasse, sondern das, was sie an's
Ausland bezahlt, bewirkt ihre Verarmung.

Obwohl die direkte Steuer die richtigste, weil natürlichste, ist, so ist sie doch
in einem armen Staate die härteste. Sie muß unter allen Umständen bezahlt
werden, nicht aber immer die indirekte. Die indirekten Steuern aber führen,
wenn sie hoch genug, wenn sie wirkliche Schutzzölle sind, am schnellsten zur
Ermöglichung der direkten Steuern. Bei 50 Pfennigen Zoll auf eine Uhr zahlt
jeder, der eine Uhr kauft, 50 Pfennige indirekte Steuern, und diese Steuer bleibt.
Bei 50 Prozent Wertzoll gehen in kurzer Zeit keine Uhren mehr vom Auslande
ein, es entwickelt sich im Lande eine Uhrenindustrie, die indirekte Steuer fällt
mit dem Wachsen dieser Industrie weg, sie wird zunächst der Staatskasse nichts
mehr einbringen, aber anch dem Konsumenten nicht mehr zur Last fallen, weil
die heimische Konkurrenz die Preise drückt. Aber der Industriezweig wird
steuerfähig geworden sein. Darum wenn die Zölle hoch genug siud, so
führen sie zur Steuerkraft des Landes, und dann sind direkte Steuern
am Platze.

Deutschland ist den sogenannten freihändlerischen Weg leider seit vielen,
vielen Jahren gegangen. Wehe aber denen, die es diesen Weg ferner führen,
er führt zu gänzlicher Verarmung, dann aber auch wieder zum politischen


Schutz der nationale» Arbeit.

mehr verdient als bisher, so ist der ganze landwirtschaftliche Kredit ge¬
hoben. Heute aber hat fast kein Bauer mehr Kredit,- weil alle Welt weiß, daß
er nichts mehr verdient. Warum waren denn sonst die Bauern wohlhabend?
Weil sie geschützt waren, und zwar uicht durch einen geringen Zoll, sondern
durch einen sehr hohen, nämlich durch den Mangel an Dampfschiffen und
Eisenbahnen! Damals konnte der inländische Markt nicht mit fremden land¬
wirtschaftlichen Produkten überfüllt werden. Damit soll nicht gesagt sein, daß
nicht die neuern Verkehrsverhältnisse ein Segen seien, aber amerikanische Dampf¬
schiffe und russische Bahnen zahlen uns keine Steuern, sondern unsre Bauern,
und darum müssen sie geschützt werden.

Mit der Verminderung der Steuern ist garnichts gethan. Es ist schon
oben nachgewiesen, daß dem Bauer nicht nur der Betrag der Steuern, sondern
daß ihm viel mehr fehlt. So ist es aber allcrwiirts. Es ist ja sehr wohl¬
gethan, wenn man den untersten Klassen die Steuern erläßt, aber geholfen ist
ihnen damit nicht; denn dieselbe Ursache, welche ihnen das Bezahlen der Steuern
erschwert, erschwert ihnen überhaupt daS Bezahlen und somit die Befriedigung
ihrer Bedürfnisse, es ist der Mangel an Arbeit. Dadurch, daß wir immer
von der erdrückenden Last der Steuern, namentlich des Militärbudgets, sprechen,
verdecken wir die wahre Notlage. Nicht die Verausgabung des
Stenerbctrages ist das, was das deutsche Volk drückt, sondern der
Mangel einer weitaus größern Einnahme. Wenn heute die deutsche
Nation gar keine Steuern mehr zu zahlen hätte, so wäre ihr dennoch anrichten
geholfen. Nicht das, was sie an die Staatskasse, sondern das, was sie an's
Ausland bezahlt, bewirkt ihre Verarmung.

Obwohl die direkte Steuer die richtigste, weil natürlichste, ist, so ist sie doch
in einem armen Staate die härteste. Sie muß unter allen Umständen bezahlt
werden, nicht aber immer die indirekte. Die indirekten Steuern aber führen,
wenn sie hoch genug, wenn sie wirkliche Schutzzölle sind, am schnellsten zur
Ermöglichung der direkten Steuern. Bei 50 Pfennigen Zoll auf eine Uhr zahlt
jeder, der eine Uhr kauft, 50 Pfennige indirekte Steuern, und diese Steuer bleibt.
Bei 50 Prozent Wertzoll gehen in kurzer Zeit keine Uhren mehr vom Auslande
ein, es entwickelt sich im Lande eine Uhrenindustrie, die indirekte Steuer fällt
mit dem Wachsen dieser Industrie weg, sie wird zunächst der Staatskasse nichts
mehr einbringen, aber anch dem Konsumenten nicht mehr zur Last fallen, weil
die heimische Konkurrenz die Preise drückt. Aber der Industriezweig wird
steuerfähig geworden sein. Darum wenn die Zölle hoch genug siud, so
führen sie zur Steuerkraft des Landes, und dann sind direkte Steuern
am Platze.

Deutschland ist den sogenannten freihändlerischen Weg leider seit vielen,
vielen Jahren gegangen. Wehe aber denen, die es diesen Weg ferner führen,
er führt zu gänzlicher Verarmung, dann aber auch wieder zum politischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/357>, abgerufen am 25.08.2024.