Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der zweite pariser Rrach,

ja nichts gewesen als ein bloßes glattes Geschäft, an dem sich ein sonder¬
licher Gewinn natürlich nicht hätte machen lassen. Vielmehr war die Haupt-
"Konversions"-Bedingung die, daß nnr das Konvcrsionstonsvrtinm die
neuen Titel vom Staate im Verhältnisse von 75 zu 100 erhalten sollte,
während jenes seinerseits sowohl hinsichtlich des Rückkaufs- als des Nenvcr-
kaufspreises völlig freie Hand hatte. Und thatsächlich war auch beschlossen,
nicht weniger als 80 Prozent für die gezählten 75 vom Publikum wieder herein¬
zuziehen.

Alsbald, als nnr die vorläufige" Abmachungen zwischen dem Finanzminister
und Rothschild vorlagen und keineswegs noch die Genehmigung der Kammer
feststand, begann an allen Börsen die sinnloseste Agiotage, und in Frankfurt,
Amsterdam, Wien u. s. w. handelte man die noch garnicht kreirte Rente zu 83^,
ganz so, wie 57 Jahre später die ungarische! Andrerseits wurde die alte fünf-
prozentige Reute durch das Konsvrtinm zurückgekauft, und zwar zum Kurs
von 106 bis 110, zu welchen Kursen unter der Hand und ohne daß die
übrigen Kousortialbeteiligten irgendetwas davon ahnten. Rothschild kolossale
Beträge auf Zeit verkaufte, so zugleich auf das Mißlingen des ganzen von ihm
laneirten Projektes spekulircnd.

Thatsächlich mißlang das Projekt, die französische Pairskammer verwarf
dasselbe, und das Ministerium Villöle kam zum Sturz. Es gab damals
Stimmen, und es scheint nicht, als Hütten sie Unrecht gehabt, welche behaupteten,
daß Rothschild selbst, nachdem er sich in kolossalster Weise für das Mißlingen
engagirt, dieses Mißlingen thatsächlich durch Bestechung von Kammermitgliedern
herbeigeführt habe. Denn die Entscheidung war, nachdem die Deputirtenkammer
für das Projekt gestimmt hatte, fast schon sicher für das Projekt, sodaß die
übrigen Kvnsortialmitglieder fest an das Gelingen glaubten, während in der
That auch nur eine ganz kleine Majorität der Pairskammer das Ganze zum
Sturz brachte. Der Gewinn Rothschilds war ungeheuer. Neue Reute, die er
unter der Hand natürlich ebenfalls zum höchsten Kurse massenhaft verkauft
holte, brauchte er nicht zu liefern, da sie nicht erschien. Alte Rente hatte er in
ungeheuern Beträgen verkauft zu 104 bis 110; uun konnte ec selbst davon kaufen,
wieviel er wollte, zu 98, da seine uneingeweihten Konsortialbeteiligten zu jedem
Preise losschlagen mußten. Aber diese letztern blieben furchtbar sitzen, und mehrere
derselben verloren den größten Teil ihres Vermögens. Es war gewissermaßen
die Nemesis sür solche perfide Handlungsweise, welche Rothschild sechs Jahre
später traf, als er die letzte Anleihe Karls X. im Betrage von 78 Millionen
zum Kurse von 102 bis 107 übernommen hatte und dabei dnrch die Ordonnanzen
und deren Folgen überrascht wurde. Die Rente fiel im Augenblick um fast
30 Prozent. Da aber Rothschild damals schon stark genug war, um nicht ver¬
kaufen zu müssen, und da er ebenfalls schon den Meistbetrag der Anleihe an
seine "Geschäftsfreunde" abgegeben hatte, so war es auch diesmal nicht er, der


Der zweite pariser Rrach,

ja nichts gewesen als ein bloßes glattes Geschäft, an dem sich ein sonder¬
licher Gewinn natürlich nicht hätte machen lassen. Vielmehr war die Haupt-
„Konversions"-Bedingung die, daß nnr das Konvcrsionstonsvrtinm die
neuen Titel vom Staate im Verhältnisse von 75 zu 100 erhalten sollte,
während jenes seinerseits sowohl hinsichtlich des Rückkaufs- als des Nenvcr-
kaufspreises völlig freie Hand hatte. Und thatsächlich war auch beschlossen,
nicht weniger als 80 Prozent für die gezählten 75 vom Publikum wieder herein¬
zuziehen.

Alsbald, als nnr die vorläufige» Abmachungen zwischen dem Finanzminister
und Rothschild vorlagen und keineswegs noch die Genehmigung der Kammer
feststand, begann an allen Börsen die sinnloseste Agiotage, und in Frankfurt,
Amsterdam, Wien u. s. w. handelte man die noch garnicht kreirte Rente zu 83^,
ganz so, wie 57 Jahre später die ungarische! Andrerseits wurde die alte fünf-
prozentige Reute durch das Konsvrtinm zurückgekauft, und zwar zum Kurs
von 106 bis 110, zu welchen Kursen unter der Hand und ohne daß die
übrigen Kousortialbeteiligten irgendetwas davon ahnten. Rothschild kolossale
Beträge auf Zeit verkaufte, so zugleich auf das Mißlingen des ganzen von ihm
laneirten Projektes spekulircnd.

Thatsächlich mißlang das Projekt, die französische Pairskammer verwarf
dasselbe, und das Ministerium Villöle kam zum Sturz. Es gab damals
Stimmen, und es scheint nicht, als Hütten sie Unrecht gehabt, welche behaupteten,
daß Rothschild selbst, nachdem er sich in kolossalster Weise für das Mißlingen
engagirt, dieses Mißlingen thatsächlich durch Bestechung von Kammermitgliedern
herbeigeführt habe. Denn die Entscheidung war, nachdem die Deputirtenkammer
für das Projekt gestimmt hatte, fast schon sicher für das Projekt, sodaß die
übrigen Kvnsortialmitglieder fest an das Gelingen glaubten, während in der
That auch nur eine ganz kleine Majorität der Pairskammer das Ganze zum
Sturz brachte. Der Gewinn Rothschilds war ungeheuer. Neue Reute, die er
unter der Hand natürlich ebenfalls zum höchsten Kurse massenhaft verkauft
holte, brauchte er nicht zu liefern, da sie nicht erschien. Alte Rente hatte er in
ungeheuern Beträgen verkauft zu 104 bis 110; uun konnte ec selbst davon kaufen,
wieviel er wollte, zu 98, da seine uneingeweihten Konsortialbeteiligten zu jedem
Preise losschlagen mußten. Aber diese letztern blieben furchtbar sitzen, und mehrere
derselben verloren den größten Teil ihres Vermögens. Es war gewissermaßen
die Nemesis sür solche perfide Handlungsweise, welche Rothschild sechs Jahre
später traf, als er die letzte Anleihe Karls X. im Betrage von 78 Millionen
zum Kurse von 102 bis 107 übernommen hatte und dabei dnrch die Ordonnanzen
und deren Folgen überrascht wurde. Die Rente fiel im Augenblick um fast
30 Prozent. Da aber Rothschild damals schon stark genug war, um nicht ver¬
kaufen zu müssen, und da er ebenfalls schon den Meistbetrag der Anleihe an
seine „Geschäftsfreunde" abgegeben hatte, so war es auch diesmal nicht er, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151906"/>
          <fw type="header" place="top"> Der zweite pariser Rrach,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_988" prev="#ID_987"> ja nichts gewesen als ein bloßes glattes Geschäft, an dem sich ein sonder¬<lb/>
licher Gewinn natürlich nicht hätte machen lassen. Vielmehr war die Haupt-<lb/>
&#x201E;Konversions"-Bedingung die, daß nnr das Konvcrsionstonsvrtinm die<lb/>
neuen Titel vom Staate im Verhältnisse von 75 zu 100 erhalten sollte,<lb/>
während jenes seinerseits sowohl hinsichtlich des Rückkaufs- als des Nenvcr-<lb/>
kaufspreises völlig freie Hand hatte. Und thatsächlich war auch beschlossen,<lb/>
nicht weniger als 80 Prozent für die gezählten 75 vom Publikum wieder herein¬<lb/>
zuziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_989"> Alsbald, als nnr die vorläufige» Abmachungen zwischen dem Finanzminister<lb/>
und Rothschild vorlagen und keineswegs noch die Genehmigung der Kammer<lb/>
feststand, begann an allen Börsen die sinnloseste Agiotage, und in Frankfurt,<lb/>
Amsterdam, Wien u. s. w. handelte man die noch garnicht kreirte Rente zu 83^,<lb/>
ganz so, wie 57 Jahre später die ungarische! Andrerseits wurde die alte fünf-<lb/>
prozentige Reute durch das Konsvrtinm zurückgekauft, und zwar zum Kurs<lb/>
von 106 bis 110, zu welchen Kursen unter der Hand und ohne daß die<lb/>
übrigen Kousortialbeteiligten irgendetwas davon ahnten. Rothschild kolossale<lb/>
Beträge auf Zeit verkaufte, so zugleich auf das Mißlingen des ganzen von ihm<lb/>
laneirten Projektes spekulircnd.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_990" next="#ID_991"> Thatsächlich mißlang das Projekt, die französische Pairskammer verwarf<lb/>
dasselbe, und das Ministerium Villöle kam zum Sturz. Es gab damals<lb/>
Stimmen, und es scheint nicht, als Hütten sie Unrecht gehabt, welche behaupteten,<lb/>
daß Rothschild selbst, nachdem er sich in kolossalster Weise für das Mißlingen<lb/>
engagirt, dieses Mißlingen thatsächlich durch Bestechung von Kammermitgliedern<lb/>
herbeigeführt habe. Denn die Entscheidung war, nachdem die Deputirtenkammer<lb/>
für das Projekt gestimmt hatte, fast schon sicher für das Projekt, sodaß die<lb/>
übrigen Kvnsortialmitglieder fest an das Gelingen glaubten, während in der<lb/>
That auch nur eine ganz kleine Majorität der Pairskammer das Ganze zum<lb/>
Sturz brachte. Der Gewinn Rothschilds war ungeheuer. Neue Reute, die er<lb/>
unter der Hand natürlich ebenfalls zum höchsten Kurse massenhaft verkauft<lb/>
holte, brauchte er nicht zu liefern, da sie nicht erschien. Alte Rente hatte er in<lb/>
ungeheuern Beträgen verkauft zu 104 bis 110; uun konnte ec selbst davon kaufen,<lb/>
wieviel er wollte, zu 98, da seine uneingeweihten Konsortialbeteiligten zu jedem<lb/>
Preise losschlagen mußten. Aber diese letztern blieben furchtbar sitzen, und mehrere<lb/>
derselben verloren den größten Teil ihres Vermögens. Es war gewissermaßen<lb/>
die Nemesis sür solche perfide Handlungsweise, welche Rothschild sechs Jahre<lb/>
später traf, als er die letzte Anleihe Karls X. im Betrage von 78 Millionen<lb/>
zum Kurse von 102 bis 107 übernommen hatte und dabei dnrch die Ordonnanzen<lb/>
und deren Folgen überrascht wurde. Die Rente fiel im Augenblick um fast<lb/>
30 Prozent. Da aber Rothschild damals schon stark genug war, um nicht ver¬<lb/>
kaufen zu müssen, und da er ebenfalls schon den Meistbetrag der Anleihe an<lb/>
seine &#x201E;Geschäftsfreunde" abgegeben hatte, so war es auch diesmal nicht er, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0298] Der zweite pariser Rrach, ja nichts gewesen als ein bloßes glattes Geschäft, an dem sich ein sonder¬ licher Gewinn natürlich nicht hätte machen lassen. Vielmehr war die Haupt- „Konversions"-Bedingung die, daß nnr das Konvcrsionstonsvrtinm die neuen Titel vom Staate im Verhältnisse von 75 zu 100 erhalten sollte, während jenes seinerseits sowohl hinsichtlich des Rückkaufs- als des Nenvcr- kaufspreises völlig freie Hand hatte. Und thatsächlich war auch beschlossen, nicht weniger als 80 Prozent für die gezählten 75 vom Publikum wieder herein¬ zuziehen. Alsbald, als nnr die vorläufige» Abmachungen zwischen dem Finanzminister und Rothschild vorlagen und keineswegs noch die Genehmigung der Kammer feststand, begann an allen Börsen die sinnloseste Agiotage, und in Frankfurt, Amsterdam, Wien u. s. w. handelte man die noch garnicht kreirte Rente zu 83^, ganz so, wie 57 Jahre später die ungarische! Andrerseits wurde die alte fünf- prozentige Reute durch das Konsvrtinm zurückgekauft, und zwar zum Kurs von 106 bis 110, zu welchen Kursen unter der Hand und ohne daß die übrigen Kousortialbeteiligten irgendetwas davon ahnten. Rothschild kolossale Beträge auf Zeit verkaufte, so zugleich auf das Mißlingen des ganzen von ihm laneirten Projektes spekulircnd. Thatsächlich mißlang das Projekt, die französische Pairskammer verwarf dasselbe, und das Ministerium Villöle kam zum Sturz. Es gab damals Stimmen, und es scheint nicht, als Hütten sie Unrecht gehabt, welche behaupteten, daß Rothschild selbst, nachdem er sich in kolossalster Weise für das Mißlingen engagirt, dieses Mißlingen thatsächlich durch Bestechung von Kammermitgliedern herbeigeführt habe. Denn die Entscheidung war, nachdem die Deputirtenkammer für das Projekt gestimmt hatte, fast schon sicher für das Projekt, sodaß die übrigen Kvnsortialmitglieder fest an das Gelingen glaubten, während in der That auch nur eine ganz kleine Majorität der Pairskammer das Ganze zum Sturz brachte. Der Gewinn Rothschilds war ungeheuer. Neue Reute, die er unter der Hand natürlich ebenfalls zum höchsten Kurse massenhaft verkauft holte, brauchte er nicht zu liefern, da sie nicht erschien. Alte Rente hatte er in ungeheuern Beträgen verkauft zu 104 bis 110; uun konnte ec selbst davon kaufen, wieviel er wollte, zu 98, da seine uneingeweihten Konsortialbeteiligten zu jedem Preise losschlagen mußten. Aber diese letztern blieben furchtbar sitzen, und mehrere derselben verloren den größten Teil ihres Vermögens. Es war gewissermaßen die Nemesis sür solche perfide Handlungsweise, welche Rothschild sechs Jahre später traf, als er die letzte Anleihe Karls X. im Betrage von 78 Millionen zum Kurse von 102 bis 107 übernommen hatte und dabei dnrch die Ordonnanzen und deren Folgen überrascht wurde. Die Rente fiel im Augenblick um fast 30 Prozent. Da aber Rothschild damals schon stark genug war, um nicht ver¬ kaufen zu müssen, und da er ebenfalls schon den Meistbetrag der Anleihe an seine „Geschäftsfreunde" abgegeben hatte, so war es auch diesmal nicht er, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/298
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_151310/298>, abgerufen am 23.07.2024.