Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bakchen und ThyrsostrLgor.

frühstückt Ironie lind speist zu Mittag Sarkasmus. Was soll da Gutes Heraus¬
kommen? Vor kurzem schüttete ich ihm mein ganzes Herz aus und bat um
seinen Rat, Ich stand vor ihm wie ein vertrauensvolles Kind und wollte mich
in meiner Hilfsbcdürstigkcit an ihn anlehnen. Denn ich suche eine Frau, und
ich bin so unerfahren in allem, was das bessere Geschlecht betrifft, daß ich für
mich allein keinen Entschluß zu fassen wage. Da kam ich bei ihm aber schön
an. Er riet nur, ich möchte mir um den Knöpfen abzählen, ob ich heiraten sollte
oder nicht.

Sind Sie selbst denn wirtlich so ratlos wie Sie sagen? fragte Comtesse
Hyazinth.

Ganz ratlos, erwiederte der Prinz, Meine einzige Hoffnung ist noch die,
daß sich irgend eine Dame meiner annimmt und mir Rat erteilt, denn ans
Männer setze ich kein Vertrauen mehr, seitdem mein Retter Viktor, auf den ich
Hänser heute, mich so schändlich behandelt hat.

Die Dame, welche dir raten soll, muß aber, damit sie den Fall beurteile"
kann, vorher deine vvllftcindigc Beichte hören, sagte der Graf,

Damen dürfen nicht Beichte hören, nicht einmal unter einander, antwortete er.

Warum nicht? fragte Hyazinth,

Das hat Papst Sixtus V, verboten. Zu dem kamen eines Tages die
Äbtissinnen der römischen Nonnenklöster und stellten ihm vor, wie viel besser es
doch sein würde, wenn diesen Klöstern ein Jndult bewilligt würde, demgemäß
die Frauen dort unter sich beichten könnten. Sie würden dann viel freier und
ungenirter beichten, als sie bis jetzt vor Männern gethan hätten. Ich würde
den Jndult gern erteilen, antwortete der heilige Vater, habe aber ein Bedenken,
Ihr wißt, die Beichte muß geheim gehalten werden, und ich fürchte, das würde
euch Frauen unmöglich sein, O, sagten sie darauf, das brauchen sich Eure
Heiligkeit nicht einzubilden. Wir Frauen können ebensogut ein Geheimnis be¬
wahren wie die Männer, und wohl noch besser, Wohl denn, erwiederte der
kluge Papst, so wartet einen Augenblick, ich werde euch den Bescheid ausfertigen.
Er verließ sie für kurze Zeit und kam dann mit einer Schachtel wieder, in welche
er einen jungen Hänfling gesperrt hatte. Die übergab er ihnen und bat, sie
an einem sichern Orte aufzubewahren. Zugleich versprach er ihnen bei den
heiligen Schlüsseln, ihre Bitte zu erfüllen, wenn sie die Schachtel geheim hielten
und bedrohte sie mit Exkommunikation, falls sie dieselbe öffneten. Dann erteilte
er ihnen seinen Segen und hieß sie die Schachtel am andern Tage wiederbringen.
Als sie nun Tags darauf wiederkamen, überreichten sie die Schachtel mit einiger
Verlegenheit, und als der heilige Vater sie vorsichtig öffnete, war allerdings ein
Vogel darin, aber -- es war ein Zeisig. Da führte er ihnen zu Gemüt, daß es
doch wohl ein zu schweres Ding für sie sein würde, das Beichtgeheimnis zu
bewahren. Hätten sie doch nicht einmal die Schachtel, deren Geheimniß er ihnen
so streng anempfohlen, von einem Tage zum andern verschlossen halten können.


Bakchen und ThyrsostrLgor.

frühstückt Ironie lind speist zu Mittag Sarkasmus. Was soll da Gutes Heraus¬
kommen? Vor kurzem schüttete ich ihm mein ganzes Herz aus und bat um
seinen Rat, Ich stand vor ihm wie ein vertrauensvolles Kind und wollte mich
in meiner Hilfsbcdürstigkcit an ihn anlehnen. Denn ich suche eine Frau, und
ich bin so unerfahren in allem, was das bessere Geschlecht betrifft, daß ich für
mich allein keinen Entschluß zu fassen wage. Da kam ich bei ihm aber schön
an. Er riet nur, ich möchte mir um den Knöpfen abzählen, ob ich heiraten sollte
oder nicht.

Sind Sie selbst denn wirtlich so ratlos wie Sie sagen? fragte Comtesse
Hyazinth.

Ganz ratlos, erwiederte der Prinz, Meine einzige Hoffnung ist noch die,
daß sich irgend eine Dame meiner annimmt und mir Rat erteilt, denn ans
Männer setze ich kein Vertrauen mehr, seitdem mein Retter Viktor, auf den ich
Hänser heute, mich so schändlich behandelt hat.

Die Dame, welche dir raten soll, muß aber, damit sie den Fall beurteile»
kann, vorher deine vvllftcindigc Beichte hören, sagte der Graf,

Damen dürfen nicht Beichte hören, nicht einmal unter einander, antwortete er.

Warum nicht? fragte Hyazinth,

Das hat Papst Sixtus V, verboten. Zu dem kamen eines Tages die
Äbtissinnen der römischen Nonnenklöster und stellten ihm vor, wie viel besser es
doch sein würde, wenn diesen Klöstern ein Jndult bewilligt würde, demgemäß
die Frauen dort unter sich beichten könnten. Sie würden dann viel freier und
ungenirter beichten, als sie bis jetzt vor Männern gethan hätten. Ich würde
den Jndult gern erteilen, antwortete der heilige Vater, habe aber ein Bedenken,
Ihr wißt, die Beichte muß geheim gehalten werden, und ich fürchte, das würde
euch Frauen unmöglich sein, O, sagten sie darauf, das brauchen sich Eure
Heiligkeit nicht einzubilden. Wir Frauen können ebensogut ein Geheimnis be¬
wahren wie die Männer, und wohl noch besser, Wohl denn, erwiederte der
kluge Papst, so wartet einen Augenblick, ich werde euch den Bescheid ausfertigen.
Er verließ sie für kurze Zeit und kam dann mit einer Schachtel wieder, in welche
er einen jungen Hänfling gesperrt hatte. Die übergab er ihnen und bat, sie
an einem sichern Orte aufzubewahren. Zugleich versprach er ihnen bei den
heiligen Schlüsseln, ihre Bitte zu erfüllen, wenn sie die Schachtel geheim hielten
und bedrohte sie mit Exkommunikation, falls sie dieselbe öffneten. Dann erteilte
er ihnen seinen Segen und hieß sie die Schachtel am andern Tage wiederbringen.
Als sie nun Tags darauf wiederkamen, überreichten sie die Schachtel mit einiger
Verlegenheit, und als der heilige Vater sie vorsichtig öffnete, war allerdings ein
Vogel darin, aber — es war ein Zeisig. Da führte er ihnen zu Gemüt, daß es
doch wohl ein zu schweres Ding für sie sein würde, das Beichtgeheimnis zu
bewahren. Hätten sie doch nicht einmal die Schachtel, deren Geheimniß er ihnen
so streng anempfohlen, von einem Tage zum andern verschlossen halten können.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0628" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86749"/>
            <fw type="header" place="top"> Bakchen und ThyrsostrLgor.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2540" prev="#ID_2539"> frühstückt Ironie lind speist zu Mittag Sarkasmus. Was soll da Gutes Heraus¬<lb/>
kommen? Vor kurzem schüttete ich ihm mein ganzes Herz aus und bat um<lb/>
seinen Rat, Ich stand vor ihm wie ein vertrauensvolles Kind und wollte mich<lb/>
in meiner Hilfsbcdürstigkcit an ihn anlehnen. Denn ich suche eine Frau, und<lb/>
ich bin so unerfahren in allem, was das bessere Geschlecht betrifft, daß ich für<lb/>
mich allein keinen Entschluß zu fassen wage. Da kam ich bei ihm aber schön<lb/>
an. Er riet nur, ich möchte mir um den Knöpfen abzählen, ob ich heiraten sollte<lb/>
oder nicht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2541"> Sind Sie selbst denn wirtlich so ratlos wie Sie sagen? fragte Comtesse<lb/>
Hyazinth.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2542"> Ganz ratlos, erwiederte der Prinz, Meine einzige Hoffnung ist noch die,<lb/>
daß sich irgend eine Dame meiner annimmt und mir Rat erteilt, denn ans<lb/>
Männer setze ich kein Vertrauen mehr, seitdem mein Retter Viktor, auf den ich<lb/>
Hänser heute, mich so schändlich behandelt hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2543"> Die Dame, welche dir raten soll, muß aber, damit sie den Fall beurteile»<lb/>
kann, vorher deine vvllftcindigc Beichte hören, sagte der Graf,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2544"> Damen dürfen nicht Beichte hören, nicht einmal unter einander, antwortete er.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2545"> Warum nicht? fragte Hyazinth,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2546"> Das hat Papst Sixtus V, verboten. Zu dem kamen eines Tages die<lb/>
Äbtissinnen der römischen Nonnenklöster und stellten ihm vor, wie viel besser es<lb/>
doch sein würde, wenn diesen Klöstern ein Jndult bewilligt würde, demgemäß<lb/>
die Frauen dort unter sich beichten könnten. Sie würden dann viel freier und<lb/>
ungenirter beichten, als sie bis jetzt vor Männern gethan hätten. Ich würde<lb/>
den Jndult gern erteilen, antwortete der heilige Vater, habe aber ein Bedenken,<lb/>
Ihr wißt, die Beichte muß geheim gehalten werden, und ich fürchte, das würde<lb/>
euch Frauen unmöglich sein, O, sagten sie darauf, das brauchen sich Eure<lb/>
Heiligkeit nicht einzubilden. Wir Frauen können ebensogut ein Geheimnis be¬<lb/>
wahren wie die Männer, und wohl noch besser, Wohl denn, erwiederte der<lb/>
kluge Papst, so wartet einen Augenblick, ich werde euch den Bescheid ausfertigen.<lb/>
Er verließ sie für kurze Zeit und kam dann mit einer Schachtel wieder, in welche<lb/>
er einen jungen Hänfling gesperrt hatte. Die übergab er ihnen und bat, sie<lb/>
an einem sichern Orte aufzubewahren. Zugleich versprach er ihnen bei den<lb/>
heiligen Schlüsseln, ihre Bitte zu erfüllen, wenn sie die Schachtel geheim hielten<lb/>
und bedrohte sie mit Exkommunikation, falls sie dieselbe öffneten. Dann erteilte<lb/>
er ihnen seinen Segen und hieß sie die Schachtel am andern Tage wiederbringen.<lb/>
Als sie nun Tags darauf wiederkamen, überreichten sie die Schachtel mit einiger<lb/>
Verlegenheit, und als der heilige Vater sie vorsichtig öffnete, war allerdings ein<lb/>
Vogel darin, aber &#x2014; es war ein Zeisig. Da führte er ihnen zu Gemüt, daß es<lb/>
doch wohl ein zu schweres Ding für sie sein würde, das Beichtgeheimnis zu<lb/>
bewahren. Hätten sie doch nicht einmal die Schachtel, deren Geheimniß er ihnen<lb/>
so streng anempfohlen, von einem Tage zum andern verschlossen halten können.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0628] Bakchen und ThyrsostrLgor. frühstückt Ironie lind speist zu Mittag Sarkasmus. Was soll da Gutes Heraus¬ kommen? Vor kurzem schüttete ich ihm mein ganzes Herz aus und bat um seinen Rat, Ich stand vor ihm wie ein vertrauensvolles Kind und wollte mich in meiner Hilfsbcdürstigkcit an ihn anlehnen. Denn ich suche eine Frau, und ich bin so unerfahren in allem, was das bessere Geschlecht betrifft, daß ich für mich allein keinen Entschluß zu fassen wage. Da kam ich bei ihm aber schön an. Er riet nur, ich möchte mir um den Knöpfen abzählen, ob ich heiraten sollte oder nicht. Sind Sie selbst denn wirtlich so ratlos wie Sie sagen? fragte Comtesse Hyazinth. Ganz ratlos, erwiederte der Prinz, Meine einzige Hoffnung ist noch die, daß sich irgend eine Dame meiner annimmt und mir Rat erteilt, denn ans Männer setze ich kein Vertrauen mehr, seitdem mein Retter Viktor, auf den ich Hänser heute, mich so schändlich behandelt hat. Die Dame, welche dir raten soll, muß aber, damit sie den Fall beurteile» kann, vorher deine vvllftcindigc Beichte hören, sagte der Graf, Damen dürfen nicht Beichte hören, nicht einmal unter einander, antwortete er. Warum nicht? fragte Hyazinth, Das hat Papst Sixtus V, verboten. Zu dem kamen eines Tages die Äbtissinnen der römischen Nonnenklöster und stellten ihm vor, wie viel besser es doch sein würde, wenn diesen Klöstern ein Jndult bewilligt würde, demgemäß die Frauen dort unter sich beichten könnten. Sie würden dann viel freier und ungenirter beichten, als sie bis jetzt vor Männern gethan hätten. Ich würde den Jndult gern erteilen, antwortete der heilige Vater, habe aber ein Bedenken, Ihr wißt, die Beichte muß geheim gehalten werden, und ich fürchte, das würde euch Frauen unmöglich sein, O, sagten sie darauf, das brauchen sich Eure Heiligkeit nicht einzubilden. Wir Frauen können ebensogut ein Geheimnis be¬ wahren wie die Männer, und wohl noch besser, Wohl denn, erwiederte der kluge Papst, so wartet einen Augenblick, ich werde euch den Bescheid ausfertigen. Er verließ sie für kurze Zeit und kam dann mit einer Schachtel wieder, in welche er einen jungen Hänfling gesperrt hatte. Die übergab er ihnen und bat, sie an einem sichern Orte aufzubewahren. Zugleich versprach er ihnen bei den heiligen Schlüsseln, ihre Bitte zu erfüllen, wenn sie die Schachtel geheim hielten und bedrohte sie mit Exkommunikation, falls sie dieselbe öffneten. Dann erteilte er ihnen seinen Segen und hieß sie die Schachtel am andern Tage wiederbringen. Als sie nun Tags darauf wiederkamen, überreichten sie die Schachtel mit einiger Verlegenheit, und als der heilige Vater sie vorsichtig öffnete, war allerdings ein Vogel darin, aber — es war ein Zeisig. Da führte er ihnen zu Gemüt, daß es doch wohl ein zu schweres Ding für sie sein würde, das Beichtgeheimnis zu bewahren. Hätten sie doch nicht einmal die Schachtel, deren Geheimniß er ihnen so streng anempfohlen, von einem Tage zum andern verschlossen halten können.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/628
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/628>, abgerufen am 26.06.2024.