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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrjvülräger,

abhängen, die Weisung ergehen lassen, nichts von dem Skandal mitzuteilen,
falls die Reporter ihn bringen sollten.

Amadeus, du bist gescheidt, du bist zu gescheidt, sagte der Alte. Aber
bedenke: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Soll ich meines Bruders
Samen verleugnen?

Ich bitte dich, Vater, sprich doch nicht so antediluvianisch. Man ist doch
jetzt wirklich zu aufgeklärt, um solche Gründe anzuführen. Die Gebote der
Klugheit sind das, Mas man in früheren Zeiten göttliche Gesetze nannte. Es
kommt ja in manchen Fällen ans dasselbe heraus, aber ich höre es ungern,
Menu du so ungebildet sprichst.

Aber, Amadeus, sollen wir uns denn in der allernächsten Verwandtschaft
nicht einander unterstützen und zusammenhalten? Unser Volk ist über alle Länder
zerstreut, und es ist nötig, daß wir alle zusammenhalten und alle für einen
und einer für alle einstehen, wenn wir uns uicht wollen unterdrücken lassen von
den Gojim. Und nun gar in unsrer eignen Familie, wo es sich handelt um
Fleisch von unserm Fleisch und Blut von unserm Blut, sollen wir da nicht
umsomehr eng zusammenstehen?

Wenn es nützt, sonst nicht. ED nützt der Chepa nicht, und uns auch nicht,
wenn wir sie als Cousine begrüßen. Sie ist eine der ersten Sängerinnen und
macht ein brillantes Geschäft, sie hat uns gar nicht nötig. Wir aber gehören
zur Aristokratie, und für uns ist die Verwandtschaft mit einer spanischen Sängerin,
die wegen eines gestohlenen Halsbandes verklagt wird, in hohem Grade kom-
promittirend. Wenn wir unsre vornehmen Verbindungen aufgeben wollen,
um zärtliche Verwandte zu sein gegen diese ganze Rotte Korah -- wozu in
aller Welt Gottes habe ich mir dann die Mühe gegeben, mich taufen zu
lassen?

Amadeus, Amadeus, dn bist gescheidt, du bist zu gescheidt, aber laß dich
nicht vom Hochmut verführen. Wir sind nicht reich geworden durch Hochmut.
Es gefällt mir nicht, daß du zu den vornehmen Leuten gehst und mit ihnen
auf wilden Pferden reitest und mit ihnen in den Klubs Hazardspicle spielst und
sitzest vorn in der Oper und klatschest zuerst und siehst dich um, ob die andern
auch klatschen. Das ist kein Geschäft, bei dem zu verdienen ist, das ist ein Ge¬
schäft, das dir nur eintragen kann Neid und Streit mit den übermütigen Offi¬
zieren, die nichts darnach fragen, ob sie sich im Duell schieszcu. Du bist mein
einziger Sohn und mein einziges Kind. Laß du die vornehmen Leute zu dir
kommen. Du kannst es. Sie kommen auch zu mir. Sie haben uns nötig. Wir
haben sie nicht nötig. Sie müssen uns schon kommen. Bin ich gegangen und
habe mir geholt die Orden? Man hat sie mir gebracht. Bin ich gegangen und
habe gebeten den stolzen Grafen von Hüningen, mir zu geben seine schöne Tochter
Hhazinth zur Schwieger oder hat er sie gebracht auf dem Präsentirteller, weil
er merkte, daß du das Mädchen liebtest?


Bakchen und Thyrjvülräger,

abhängen, die Weisung ergehen lassen, nichts von dem Skandal mitzuteilen,
falls die Reporter ihn bringen sollten.

Amadeus, du bist gescheidt, du bist zu gescheidt, sagte der Alte. Aber
bedenke: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Soll ich meines Bruders
Samen verleugnen?

Ich bitte dich, Vater, sprich doch nicht so antediluvianisch. Man ist doch
jetzt wirklich zu aufgeklärt, um solche Gründe anzuführen. Die Gebote der
Klugheit sind das, Mas man in früheren Zeiten göttliche Gesetze nannte. Es
kommt ja in manchen Fällen ans dasselbe heraus, aber ich höre es ungern,
Menu du so ungebildet sprichst.

Aber, Amadeus, sollen wir uns denn in der allernächsten Verwandtschaft
nicht einander unterstützen und zusammenhalten? Unser Volk ist über alle Länder
zerstreut, und es ist nötig, daß wir alle zusammenhalten und alle für einen
und einer für alle einstehen, wenn wir uns uicht wollen unterdrücken lassen von
den Gojim. Und nun gar in unsrer eignen Familie, wo es sich handelt um
Fleisch von unserm Fleisch und Blut von unserm Blut, sollen wir da nicht
umsomehr eng zusammenstehen?

Wenn es nützt, sonst nicht. ED nützt der Chepa nicht, und uns auch nicht,
wenn wir sie als Cousine begrüßen. Sie ist eine der ersten Sängerinnen und
macht ein brillantes Geschäft, sie hat uns gar nicht nötig. Wir aber gehören
zur Aristokratie, und für uns ist die Verwandtschaft mit einer spanischen Sängerin,
die wegen eines gestohlenen Halsbandes verklagt wird, in hohem Grade kom-
promittirend. Wenn wir unsre vornehmen Verbindungen aufgeben wollen,
um zärtliche Verwandte zu sein gegen diese ganze Rotte Korah — wozu in
aller Welt Gottes habe ich mir dann die Mühe gegeben, mich taufen zu
lassen?

Amadeus, Amadeus, dn bist gescheidt, du bist zu gescheidt, aber laß dich
nicht vom Hochmut verführen. Wir sind nicht reich geworden durch Hochmut.
Es gefällt mir nicht, daß du zu den vornehmen Leuten gehst und mit ihnen
auf wilden Pferden reitest und mit ihnen in den Klubs Hazardspicle spielst und
sitzest vorn in der Oper und klatschest zuerst und siehst dich um, ob die andern
auch klatschen. Das ist kein Geschäft, bei dem zu verdienen ist, das ist ein Ge¬
schäft, das dir nur eintragen kann Neid und Streit mit den übermütigen Offi¬
zieren, die nichts darnach fragen, ob sie sich im Duell schieszcu. Du bist mein
einziger Sohn und mein einziges Kind. Laß du die vornehmen Leute zu dir
kommen. Du kannst es. Sie kommen auch zu mir. Sie haben uns nötig. Wir
haben sie nicht nötig. Sie müssen uns schon kommen. Bin ich gegangen und
habe mir geholt die Orden? Man hat sie mir gebracht. Bin ich gegangen und
habe gebeten den stolzen Grafen von Hüningen, mir zu geben seine schöne Tochter
Hhazinth zur Schwieger oder hat er sie gebracht auf dem Präsentirteller, weil
er merkte, daß du das Mädchen liebtest?


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[0533] Bakchen und Thyrjvülräger, abhängen, die Weisung ergehen lassen, nichts von dem Skandal mitzuteilen, falls die Reporter ihn bringen sollten. Amadeus, du bist gescheidt, du bist zu gescheidt, sagte der Alte. Aber bedenke: Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Soll ich meines Bruders Samen verleugnen? Ich bitte dich, Vater, sprich doch nicht so antediluvianisch. Man ist doch jetzt wirklich zu aufgeklärt, um solche Gründe anzuführen. Die Gebote der Klugheit sind das, Mas man in früheren Zeiten göttliche Gesetze nannte. Es kommt ja in manchen Fällen ans dasselbe heraus, aber ich höre es ungern, Menu du so ungebildet sprichst. Aber, Amadeus, sollen wir uns denn in der allernächsten Verwandtschaft nicht einander unterstützen und zusammenhalten? Unser Volk ist über alle Länder zerstreut, und es ist nötig, daß wir alle zusammenhalten und alle für einen und einer für alle einstehen, wenn wir uns uicht wollen unterdrücken lassen von den Gojim. Und nun gar in unsrer eignen Familie, wo es sich handelt um Fleisch von unserm Fleisch und Blut von unserm Blut, sollen wir da nicht umsomehr eng zusammenstehen? Wenn es nützt, sonst nicht. ED nützt der Chepa nicht, und uns auch nicht, wenn wir sie als Cousine begrüßen. Sie ist eine der ersten Sängerinnen und macht ein brillantes Geschäft, sie hat uns gar nicht nötig. Wir aber gehören zur Aristokratie, und für uns ist die Verwandtschaft mit einer spanischen Sängerin, die wegen eines gestohlenen Halsbandes verklagt wird, in hohem Grade kom- promittirend. Wenn wir unsre vornehmen Verbindungen aufgeben wollen, um zärtliche Verwandte zu sein gegen diese ganze Rotte Korah — wozu in aller Welt Gottes habe ich mir dann die Mühe gegeben, mich taufen zu lassen? Amadeus, Amadeus, dn bist gescheidt, du bist zu gescheidt, aber laß dich nicht vom Hochmut verführen. Wir sind nicht reich geworden durch Hochmut. Es gefällt mir nicht, daß du zu den vornehmen Leuten gehst und mit ihnen auf wilden Pferden reitest und mit ihnen in den Klubs Hazardspicle spielst und sitzest vorn in der Oper und klatschest zuerst und siehst dich um, ob die andern auch klatschen. Das ist kein Geschäft, bei dem zu verdienen ist, das ist ein Ge¬ schäft, das dir nur eintragen kann Neid und Streit mit den übermütigen Offi¬ zieren, die nichts darnach fragen, ob sie sich im Duell schieszcu. Du bist mein einziger Sohn und mein einziges Kind. Laß du die vornehmen Leute zu dir kommen. Du kannst es. Sie kommen auch zu mir. Sie haben uns nötig. Wir haben sie nicht nötig. Sie müssen uns schon kommen. Bin ich gegangen und habe mir geholt die Orden? Man hat sie mir gebracht. Bin ich gegangen und habe gebeten den stolzen Grafen von Hüningen, mir zu geben seine schöne Tochter Hhazinth zur Schwieger oder hat er sie gebracht auf dem Präsentirteller, weil er merkte, daß du das Mädchen liebtest?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/533>, abgerufen am 26.06.2024.