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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

ein Ende nehmen. Sie ermüdeten ihn, und er hatte Gedanken, die ihn störten.
Besonders sehnte er sich darnach, von seinem Sohne das Ende der angefangenen
Geschichte zu vernehmen. Obwohl er den Tod der Familie ans Cuba schon
früher erfahren hatte, beschäftigte ihn das traurige Ende der nächsten Verwandten
lebhaft und schmerzlich, als er jetzt die Umstände erfuhr, unter welchen die Kata¬
strophe stattgefunden hatte, und er war in hohem Maße gespannt, über seine
Nichte etwas zu erfahren.

Diese Gedanken überfielen ihn wieder mit voller Gewalt, sobald er die
Küchenangelegcnheit erledigt hatte. Er kürzte die Gespräche mit den Gratu-
lirenden nach Möglichkeit ab, schickte endlich eine Schaar von Damen und Herren,
welche keinen andern Grund als den der Verwandtschaft zum Gratuliren hatten,
fort und zog sich in ein entlegenes Zimmer zurück. Dann schickte er einen Diener
aus, um den jungen Freiherrn zu holen, welchen er seit einer Stunde schon
nicht mehr gesehen hatte.

Aber zu seiner Verwunderung mußte er hören, daß Herr Baron Amadeus
ausgefahren sei.

Verdrießlich stieß der alte Freiherr einen Haufen von Depeschen und Briefen
zurück, welche zur Feier seines Geburtstages eingelaufen waren, und nahm die
Kursberichte ans London zur Hand, um doch etwas Solides vor sich zu haben.




Elftes Aapitel.
Auf fremder Erde.

Ich habe den bunten Faden gesponnen, mit welchem ich
dachte, unsre Geschicke zusaimnengcknllpft zu haben;

Ich habe den gefüllten Becher ausgeschüttet, welcher mit dem
Tschangchu-Blatte gewürzt war und mit dem ich gehofft
hatte, dir Bescheid zu thun;

Ich sitze an dem Strome unsrer gegenseitigen Zuneigung,
aber ich sehe die nicht, welche die Wonne meiner Angen
ist, denn sie wohnt in einer fernen Wolke.


Die Freuden und Sorgen des Vormittags, das Gespräch mit so viel ver¬
schiedenen Menschen hatten den alten Mann müde gemacht, und ehe er noch
vollständig die Berichte über die letzten Vorgänge an den Börsen von London
und Paris mit einander verglichen hatte, sank sein Haupt auf die mit Gold, mit
emaillirter wilden Tieren und mit starrer Seide geschmückte Brust herab, und
seine Augen schlossen sich. Die gegenwärtigen Dinge verschwamme" allmählich mit
Phantastischen Vorstellungen. Er fühlte sich gleich einem kleinen Kinde am Gängel¬
bande geführt, und dies Gängelband war von gewässerter Seide. Er bemühte
sich vergebens, zu entdecken, von welchem Orden es das Band war, da es ihm


Bakchen und Thyrsosträger.

ein Ende nehmen. Sie ermüdeten ihn, und er hatte Gedanken, die ihn störten.
Besonders sehnte er sich darnach, von seinem Sohne das Ende der angefangenen
Geschichte zu vernehmen. Obwohl er den Tod der Familie ans Cuba schon
früher erfahren hatte, beschäftigte ihn das traurige Ende der nächsten Verwandten
lebhaft und schmerzlich, als er jetzt die Umstände erfuhr, unter welchen die Kata¬
strophe stattgefunden hatte, und er war in hohem Maße gespannt, über seine
Nichte etwas zu erfahren.

Diese Gedanken überfielen ihn wieder mit voller Gewalt, sobald er die
Küchenangelegcnheit erledigt hatte. Er kürzte die Gespräche mit den Gratu-
lirenden nach Möglichkeit ab, schickte endlich eine Schaar von Damen und Herren,
welche keinen andern Grund als den der Verwandtschaft zum Gratuliren hatten,
fort und zog sich in ein entlegenes Zimmer zurück. Dann schickte er einen Diener
aus, um den jungen Freiherrn zu holen, welchen er seit einer Stunde schon
nicht mehr gesehen hatte.

Aber zu seiner Verwunderung mußte er hören, daß Herr Baron Amadeus
ausgefahren sei.

Verdrießlich stieß der alte Freiherr einen Haufen von Depeschen und Briefen
zurück, welche zur Feier seines Geburtstages eingelaufen waren, und nahm die
Kursberichte ans London zur Hand, um doch etwas Solides vor sich zu haben.




Elftes Aapitel.
Auf fremder Erde.

Ich habe den bunten Faden gesponnen, mit welchem ich
dachte, unsre Geschicke zusaimnengcknllpft zu haben;

Ich habe den gefüllten Becher ausgeschüttet, welcher mit dem
Tschangchu-Blatte gewürzt war und mit dem ich gehofft
hatte, dir Bescheid zu thun;

Ich sitze an dem Strome unsrer gegenseitigen Zuneigung,
aber ich sehe die nicht, welche die Wonne meiner Angen
ist, denn sie wohnt in einer fernen Wolke.


Die Freuden und Sorgen des Vormittags, das Gespräch mit so viel ver¬
schiedenen Menschen hatten den alten Mann müde gemacht, und ehe er noch
vollständig die Berichte über die letzten Vorgänge an den Börsen von London
und Paris mit einander verglichen hatte, sank sein Haupt auf die mit Gold, mit
emaillirter wilden Tieren und mit starrer Seide geschmückte Brust herab, und
seine Augen schlossen sich. Die gegenwärtigen Dinge verschwamme» allmählich mit
Phantastischen Vorstellungen. Er fühlte sich gleich einem kleinen Kinde am Gängel¬
bande geführt, und dies Gängelband war von gewässerter Seide. Er bemühte
sich vergebens, zu entdecken, von welchem Orden es das Band war, da es ihm


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[0531] Bakchen und Thyrsosträger. ein Ende nehmen. Sie ermüdeten ihn, und er hatte Gedanken, die ihn störten. Besonders sehnte er sich darnach, von seinem Sohne das Ende der angefangenen Geschichte zu vernehmen. Obwohl er den Tod der Familie ans Cuba schon früher erfahren hatte, beschäftigte ihn das traurige Ende der nächsten Verwandten lebhaft und schmerzlich, als er jetzt die Umstände erfuhr, unter welchen die Kata¬ strophe stattgefunden hatte, und er war in hohem Maße gespannt, über seine Nichte etwas zu erfahren. Diese Gedanken überfielen ihn wieder mit voller Gewalt, sobald er die Küchenangelegcnheit erledigt hatte. Er kürzte die Gespräche mit den Gratu- lirenden nach Möglichkeit ab, schickte endlich eine Schaar von Damen und Herren, welche keinen andern Grund als den der Verwandtschaft zum Gratuliren hatten, fort und zog sich in ein entlegenes Zimmer zurück. Dann schickte er einen Diener aus, um den jungen Freiherrn zu holen, welchen er seit einer Stunde schon nicht mehr gesehen hatte. Aber zu seiner Verwunderung mußte er hören, daß Herr Baron Amadeus ausgefahren sei. Verdrießlich stieß der alte Freiherr einen Haufen von Depeschen und Briefen zurück, welche zur Feier seines Geburtstages eingelaufen waren, und nahm die Kursberichte ans London zur Hand, um doch etwas Solides vor sich zu haben. Elftes Aapitel. Auf fremder Erde. Ich habe den bunten Faden gesponnen, mit welchem ich dachte, unsre Geschicke zusaimnengcknllpft zu haben; Ich habe den gefüllten Becher ausgeschüttet, welcher mit dem Tschangchu-Blatte gewürzt war und mit dem ich gehofft hatte, dir Bescheid zu thun; Ich sitze an dem Strome unsrer gegenseitigen Zuneigung, aber ich sehe die nicht, welche die Wonne meiner Angen ist, denn sie wohnt in einer fernen Wolke. Die Freuden und Sorgen des Vormittags, das Gespräch mit so viel ver¬ schiedenen Menschen hatten den alten Mann müde gemacht, und ehe er noch vollständig die Berichte über die letzten Vorgänge an den Börsen von London und Paris mit einander verglichen hatte, sank sein Haupt auf die mit Gold, mit emaillirter wilden Tieren und mit starrer Seide geschmückte Brust herab, und seine Augen schlossen sich. Die gegenwärtigen Dinge verschwamme» allmählich mit Phantastischen Vorstellungen. Er fühlte sich gleich einem kleinen Kinde am Gängel¬ bande geführt, und dies Gängelband war von gewässerter Seide. Er bemühte sich vergebens, zu entdecken, von welchem Orden es das Band war, da es ihm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/531>, abgerufen am 26.06.2024.