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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bunsens Freunde und die Wahrheit.

Umständen auf sich nehmen wolle. Dann kam am 10. März Gruben in Lon¬
don an, der Clarendon eine Mitteilung in dem Sinne machte, daß die Wcst-
mächte gut reden hätten, da sie sicher wären, daß ihr Gebiet nicht der Kriegs¬
schauplatz werden könne. Als er zum Schlüsse erklärte, er habe "nicht nötig
zu sagen, mit welchem Widerwillen der König Vorschläge zurückgewiesen habe, die
Versprechungen von Vergrößern" geu Preußens für den Fall einer Theilnahme
derselben am Kriege gegen Rußland enthalten hätten," erwiderte Clarendon:
"Die englische Regierung hegt zu hohe Verehrung vor Sr. Majestät, um seine
Gefühle nicht zu begreifen, aber sie glaubt auch so viel Achtung zu verdienen,
daß man sie nicht für fähig hält, dergleichen Vorschläge zu machen." Welche
Vergrößerungen Gröden gemeint hat, ob Österreichisch-Schlesien und Mähren
oder polnische Landesteile, die Bunsen, Clarendon und Walewski am 4. März
im Sinne gehabt haben mögen, ist nicht zu ermitteln. Das im zweiten Tele¬
gramm berichtete Ergebnis der Bemühungen Vuusens aber erinnert sehr an den
riclloulus irms. Preußen soll sich einen Krieg mit Rußland aus den Hals ziehen,
und was ist die Gegenleistung? Daß die englische Flotte in die Ostsee gehen
soll, bedeutet wenigstens Schutz der preußische" Küsten vor der russischen See¬
macht. Aber wenn dann noch versprochen wird, England, Frankreich und Öster¬
reich sollen das Interesse Preußens an der Abstellung der Übermacht Rußlands
für ein europäisches erklären, so ist das eine jener Gaben, von denen der Ber¬
liner zu sagen pflegt: "Was ich mir dafür kaufe!" Wie oft schon hat man
die Integrität der Türkei feierlich für ein europäisches Juteresse erklärt, und
was ist dabei herausgekommen?

Das Weitere verlief ungefähr so, wie der Brief des Prinzen es darstellt.
Wenn aber darin viel Wert darauf gelegt wird, daß der König Bunsen einen
höchst freundlichen Brief geschrieben, so erklärt sich letzteres einfach ans der Ge¬
wohnheit Friedrich Wilhelms des Vierten, deu Beamten und den Freund in
einer und derselben Person zu trennen. Man denke an Nadvwitz. Eine Billigung
des unverantwortlichen Verfahrens Bunsens sollte und konnte damit nicht aus-
gesprochen werden.




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Bunsens Freunde und die Wahrheit.

Umständen auf sich nehmen wolle. Dann kam am 10. März Gruben in Lon¬
don an, der Clarendon eine Mitteilung in dem Sinne machte, daß die Wcst-
mächte gut reden hätten, da sie sicher wären, daß ihr Gebiet nicht der Kriegs¬
schauplatz werden könne. Als er zum Schlüsse erklärte, er habe „nicht nötig
zu sagen, mit welchem Widerwillen der König Vorschläge zurückgewiesen habe, die
Versprechungen von Vergrößern« geu Preußens für den Fall einer Theilnahme
derselben am Kriege gegen Rußland enthalten hätten," erwiderte Clarendon:
„Die englische Regierung hegt zu hohe Verehrung vor Sr. Majestät, um seine
Gefühle nicht zu begreifen, aber sie glaubt auch so viel Achtung zu verdienen,
daß man sie nicht für fähig hält, dergleichen Vorschläge zu machen." Welche
Vergrößerungen Gröden gemeint hat, ob Österreichisch-Schlesien und Mähren
oder polnische Landesteile, die Bunsen, Clarendon und Walewski am 4. März
im Sinne gehabt haben mögen, ist nicht zu ermitteln. Das im zweiten Tele¬
gramm berichtete Ergebnis der Bemühungen Vuusens aber erinnert sehr an den
riclloulus irms. Preußen soll sich einen Krieg mit Rußland aus den Hals ziehen,
und was ist die Gegenleistung? Daß die englische Flotte in die Ostsee gehen
soll, bedeutet wenigstens Schutz der preußische» Küsten vor der russischen See¬
macht. Aber wenn dann noch versprochen wird, England, Frankreich und Öster¬
reich sollen das Interesse Preußens an der Abstellung der Übermacht Rußlands
für ein europäisches erklären, so ist das eine jener Gaben, von denen der Ber¬
liner zu sagen pflegt: „Was ich mir dafür kaufe!" Wie oft schon hat man
die Integrität der Türkei feierlich für ein europäisches Juteresse erklärt, und
was ist dabei herausgekommen?

Das Weitere verlief ungefähr so, wie der Brief des Prinzen es darstellt.
Wenn aber darin viel Wert darauf gelegt wird, daß der König Bunsen einen
höchst freundlichen Brief geschrieben, so erklärt sich letzteres einfach ans der Ge¬
wohnheit Friedrich Wilhelms des Vierten, deu Beamten und den Freund in
einer und derselben Person zu trennen. Man denke an Nadvwitz. Eine Billigung
des unverantwortlichen Verfahrens Bunsens sollte und konnte damit nicht aus-
gesprochen werden.




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[0385] Bunsens Freunde und die Wahrheit. Umständen auf sich nehmen wolle. Dann kam am 10. März Gruben in Lon¬ don an, der Clarendon eine Mitteilung in dem Sinne machte, daß die Wcst- mächte gut reden hätten, da sie sicher wären, daß ihr Gebiet nicht der Kriegs¬ schauplatz werden könne. Als er zum Schlüsse erklärte, er habe „nicht nötig zu sagen, mit welchem Widerwillen der König Vorschläge zurückgewiesen habe, die Versprechungen von Vergrößern« geu Preußens für den Fall einer Theilnahme derselben am Kriege gegen Rußland enthalten hätten," erwiderte Clarendon: „Die englische Regierung hegt zu hohe Verehrung vor Sr. Majestät, um seine Gefühle nicht zu begreifen, aber sie glaubt auch so viel Achtung zu verdienen, daß man sie nicht für fähig hält, dergleichen Vorschläge zu machen." Welche Vergrößerungen Gröden gemeint hat, ob Österreichisch-Schlesien und Mähren oder polnische Landesteile, die Bunsen, Clarendon und Walewski am 4. März im Sinne gehabt haben mögen, ist nicht zu ermitteln. Das im zweiten Tele¬ gramm berichtete Ergebnis der Bemühungen Vuusens aber erinnert sehr an den riclloulus irms. Preußen soll sich einen Krieg mit Rußland aus den Hals ziehen, und was ist die Gegenleistung? Daß die englische Flotte in die Ostsee gehen soll, bedeutet wenigstens Schutz der preußische» Küsten vor der russischen See¬ macht. Aber wenn dann noch versprochen wird, England, Frankreich und Öster¬ reich sollen das Interesse Preußens an der Abstellung der Übermacht Rußlands für ein europäisches erklären, so ist das eine jener Gaben, von denen der Ber¬ liner zu sagen pflegt: „Was ich mir dafür kaufe!" Wie oft schon hat man die Integrität der Türkei feierlich für ein europäisches Juteresse erklärt, und was ist dabei herausgekommen? Das Weitere verlief ungefähr so, wie der Brief des Prinzen es darstellt. Wenn aber darin viel Wert darauf gelegt wird, daß der König Bunsen einen höchst freundlichen Brief geschrieben, so erklärt sich letzteres einfach ans der Ge¬ wohnheit Friedrich Wilhelms des Vierten, deu Beamten und den Freund in einer und derselben Person zu trennen. Man denke an Nadvwitz. Eine Billigung des unverantwortlichen Verfahrens Bunsens sollte und konnte damit nicht aus- gesprochen werden. An'uzlwtt'N .!. >L8L,43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/385>, abgerufen am 28.09.2024.