Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bunsens Freunde und die Wahrheit.

reich und Preußen damals einig warm,) Preußen habe, als es geglaubt, Öster¬
reich werde mit Rußland gehen, aktiv für die Westmächte auftreten wollen, wenn
man ihm cnglischerscits Garantien gegen Rußland, Österreich und Frankreich,
sowie freie Hand in Deutschland gewährt hätte. So zur Zeit der zweiten Sen¬
dung des Grafen Pourtales nach London. Damals habe Bunsen eine Denk¬
schrift verfaßt und an Manteuffel abgesendet, in welcher er enthusiastisch über
die Möglichkeit einer Kriegführung zur Zerstücklung Rußlands und Vergröße¬
rung Preußens phantasirt habe. Dieselbe sei in Berlin in den Tagen, wo man
hier die Front verändert, angekommen und nicht bloß dem Könige, sondern auch
den Russen gezeigt worden, die darauf Abberufung Bunsens, über dessen Pläne
selbst Clarendon anßer sich gewesen, verlangt hätten, während man ihn in London
gedrängt habe, Preußen solle seine "Versprechungen" gut machen. Bunsen habe
infolge dessen die Weisung erhalten, aufs Land zu gehen, habe aber protestirt
und vorherige Untersuchung gefordert, indem er erklärt habe, Clarendon wisse
nichts von jener Denkschrift, er sei vielmehr über seine, Bunsens, Verteidigung
der neuesten Wendung der preußischen Politik aufgebracht gewesen. Nun sei
Graf Gruben von Berlin "ach London geschickt worden und habe in Osborne
House im Beisein Clarendvns und Bunsens erklärt, der König von Preußen
weigere sich, weitere Schritte gegen Nußland zu thun, weil er tief verwundet
sei durch das Ansinnen, sich erkaufen zu lassen, was sich allerdings, seit er,
Gruben, hier sei, als ein durch Bunsen veranlaßtes Mißverständnis herausge¬
stellt habe. Bunsen habe darauf seinen Sohn an den König gesandt, damit er
ihn vor diesem rechtfertige, und Friedrich Wilhelm habe ihm darnach einen höchst
freundlichen, herzlichen Brief geschrieben, in welchem er von seiner eignen un¬
glücklichen Lage gesprochen. Zugleich aber sei ihm vom Ministerium die Wei¬
sung zugegangen, einen sechsmonatlichen Urlaub zur Wiederherstellung seiner Ge¬
sundheit zu nehmen, denn seine Stellung in London sei kompromittirend. Wieder
habe Bunsen vorherige Untersuchung verlangt, damit der Urlaub nicht zur
Schuldigerklärung vor ganz Europa werde, und als die einzige Antwort
darauf gewesen, er solle sofort aufs Land gehen, habe er seine Resignation ein¬
geschickt.

Nach der Widerlegung in der "Deutschen Revue"verhielt es sich mit der
Sache wesentlich anders. Als Menschikoff in dem Streite über die heiligen
Stätten dem Sultan eine Note zur Unterzeichnung vorgelegt, dieser seine Unter¬
schrift versagt und der Kaiser Nikolaus darauf die Donaufürstentümer als Pfand
besetzt hatte, verständigten sich die in Wien zu einer Konferenz zusammengetretenen
Gesandten von Österreich, Frankreich, England und Preußen am 31. Juli 1853



*) Dieselbe enthält übrigens einen bösen Druckfehler. Auf der letzten Zeile der eigent-
lichen Widerlegung soll es anstatt vermittelt doch wohl heißen: vereitelt. Der Zn-
snnnnenbang ergiebt es.
Bunsens Freunde und die Wahrheit.

reich und Preußen damals einig warm,) Preußen habe, als es geglaubt, Öster¬
reich werde mit Rußland gehen, aktiv für die Westmächte auftreten wollen, wenn
man ihm cnglischerscits Garantien gegen Rußland, Österreich und Frankreich,
sowie freie Hand in Deutschland gewährt hätte. So zur Zeit der zweiten Sen¬
dung des Grafen Pourtales nach London. Damals habe Bunsen eine Denk¬
schrift verfaßt und an Manteuffel abgesendet, in welcher er enthusiastisch über
die Möglichkeit einer Kriegführung zur Zerstücklung Rußlands und Vergröße¬
rung Preußens phantasirt habe. Dieselbe sei in Berlin in den Tagen, wo man
hier die Front verändert, angekommen und nicht bloß dem Könige, sondern auch
den Russen gezeigt worden, die darauf Abberufung Bunsens, über dessen Pläne
selbst Clarendon anßer sich gewesen, verlangt hätten, während man ihn in London
gedrängt habe, Preußen solle seine „Versprechungen" gut machen. Bunsen habe
infolge dessen die Weisung erhalten, aufs Land zu gehen, habe aber protestirt
und vorherige Untersuchung gefordert, indem er erklärt habe, Clarendon wisse
nichts von jener Denkschrift, er sei vielmehr über seine, Bunsens, Verteidigung
der neuesten Wendung der preußischen Politik aufgebracht gewesen. Nun sei
Graf Gruben von Berlin »ach London geschickt worden und habe in Osborne
House im Beisein Clarendvns und Bunsens erklärt, der König von Preußen
weigere sich, weitere Schritte gegen Nußland zu thun, weil er tief verwundet
sei durch das Ansinnen, sich erkaufen zu lassen, was sich allerdings, seit er,
Gruben, hier sei, als ein durch Bunsen veranlaßtes Mißverständnis herausge¬
stellt habe. Bunsen habe darauf seinen Sohn an den König gesandt, damit er
ihn vor diesem rechtfertige, und Friedrich Wilhelm habe ihm darnach einen höchst
freundlichen, herzlichen Brief geschrieben, in welchem er von seiner eignen un¬
glücklichen Lage gesprochen. Zugleich aber sei ihm vom Ministerium die Wei¬
sung zugegangen, einen sechsmonatlichen Urlaub zur Wiederherstellung seiner Ge¬
sundheit zu nehmen, denn seine Stellung in London sei kompromittirend. Wieder
habe Bunsen vorherige Untersuchung verlangt, damit der Urlaub nicht zur
Schuldigerklärung vor ganz Europa werde, und als die einzige Antwort
darauf gewesen, er solle sofort aufs Land gehen, habe er seine Resignation ein¬
geschickt.

Nach der Widerlegung in der „Deutschen Revue"verhielt es sich mit der
Sache wesentlich anders. Als Menschikoff in dem Streite über die heiligen
Stätten dem Sultan eine Note zur Unterzeichnung vorgelegt, dieser seine Unter¬
schrift versagt und der Kaiser Nikolaus darauf die Donaufürstentümer als Pfand
besetzt hatte, verständigten sich die in Wien zu einer Konferenz zusammengetretenen
Gesandten von Österreich, Frankreich, England und Preußen am 31. Juli 1853



*) Dieselbe enthält übrigens einen bösen Druckfehler. Auf der letzten Zeile der eigent-
lichen Widerlegung soll es anstatt vermittelt doch wohl heißen: vereitelt. Der Zn-
snnnnenbang ergiebt es.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0378" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86499"/>
          <fw type="header" place="top"> Bunsens Freunde und die Wahrheit.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1585" prev="#ID_1584"> reich und Preußen damals einig warm,) Preußen habe, als es geglaubt, Öster¬<lb/>
reich werde mit Rußland gehen, aktiv für die Westmächte auftreten wollen, wenn<lb/>
man ihm cnglischerscits Garantien gegen Rußland, Österreich und Frankreich,<lb/>
sowie freie Hand in Deutschland gewährt hätte. So zur Zeit der zweiten Sen¬<lb/>
dung des Grafen Pourtales nach London. Damals habe Bunsen eine Denk¬<lb/>
schrift verfaßt und an Manteuffel abgesendet, in welcher er enthusiastisch über<lb/>
die Möglichkeit einer Kriegführung zur Zerstücklung Rußlands und Vergröße¬<lb/>
rung Preußens phantasirt habe. Dieselbe sei in Berlin in den Tagen, wo man<lb/>
hier die Front verändert, angekommen und nicht bloß dem Könige, sondern auch<lb/>
den Russen gezeigt worden, die darauf Abberufung Bunsens, über dessen Pläne<lb/>
selbst Clarendon anßer sich gewesen, verlangt hätten, während man ihn in London<lb/>
gedrängt habe, Preußen solle seine &#x201E;Versprechungen" gut machen. Bunsen habe<lb/>
infolge dessen die Weisung erhalten, aufs Land zu gehen, habe aber protestirt<lb/>
und vorherige Untersuchung gefordert, indem er erklärt habe, Clarendon wisse<lb/>
nichts von jener Denkschrift, er sei vielmehr über seine, Bunsens, Verteidigung<lb/>
der neuesten Wendung der preußischen Politik aufgebracht gewesen. Nun sei<lb/>
Graf Gruben von Berlin »ach London geschickt worden und habe in Osborne<lb/>
House im Beisein Clarendvns und Bunsens erklärt, der König von Preußen<lb/>
weigere sich, weitere Schritte gegen Nußland zu thun, weil er tief verwundet<lb/>
sei durch das Ansinnen, sich erkaufen zu lassen, was sich allerdings, seit er,<lb/>
Gruben, hier sei, als ein durch Bunsen veranlaßtes Mißverständnis herausge¬<lb/>
stellt habe. Bunsen habe darauf seinen Sohn an den König gesandt, damit er<lb/>
ihn vor diesem rechtfertige, und Friedrich Wilhelm habe ihm darnach einen höchst<lb/>
freundlichen, herzlichen Brief geschrieben, in welchem er von seiner eignen un¬<lb/>
glücklichen Lage gesprochen. Zugleich aber sei ihm vom Ministerium die Wei¬<lb/>
sung zugegangen, einen sechsmonatlichen Urlaub zur Wiederherstellung seiner Ge¬<lb/>
sundheit zu nehmen, denn seine Stellung in London sei kompromittirend. Wieder<lb/>
habe Bunsen vorherige Untersuchung verlangt, damit der Urlaub nicht zur<lb/>
Schuldigerklärung vor ganz Europa werde, und als die einzige Antwort<lb/>
darauf gewesen, er solle sofort aufs Land gehen, habe er seine Resignation ein¬<lb/>
geschickt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1586" next="#ID_1587"> Nach der Widerlegung in der &#x201E;Deutschen Revue"verhielt es sich mit der<lb/>
Sache wesentlich anders. Als Menschikoff in dem Streite über die heiligen<lb/>
Stätten dem Sultan eine Note zur Unterzeichnung vorgelegt, dieser seine Unter¬<lb/>
schrift versagt und der Kaiser Nikolaus darauf die Donaufürstentümer als Pfand<lb/>
besetzt hatte, verständigten sich die in Wien zu einer Konferenz zusammengetretenen<lb/>
Gesandten von Österreich, Frankreich, England und Preußen am 31. Juli 1853</p><lb/>
          <note xml:id="FID_23" place="foot"> *) Dieselbe enthält übrigens einen bösen Druckfehler. Auf der letzten Zeile der eigent-<lb/>
lichen Widerlegung soll es anstatt vermittelt doch wohl heißen: vereitelt. Der Zn-<lb/>
snnnnenbang ergiebt es.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0378] Bunsens Freunde und die Wahrheit. reich und Preußen damals einig warm,) Preußen habe, als es geglaubt, Öster¬ reich werde mit Rußland gehen, aktiv für die Westmächte auftreten wollen, wenn man ihm cnglischerscits Garantien gegen Rußland, Österreich und Frankreich, sowie freie Hand in Deutschland gewährt hätte. So zur Zeit der zweiten Sen¬ dung des Grafen Pourtales nach London. Damals habe Bunsen eine Denk¬ schrift verfaßt und an Manteuffel abgesendet, in welcher er enthusiastisch über die Möglichkeit einer Kriegführung zur Zerstücklung Rußlands und Vergröße¬ rung Preußens phantasirt habe. Dieselbe sei in Berlin in den Tagen, wo man hier die Front verändert, angekommen und nicht bloß dem Könige, sondern auch den Russen gezeigt worden, die darauf Abberufung Bunsens, über dessen Pläne selbst Clarendon anßer sich gewesen, verlangt hätten, während man ihn in London gedrängt habe, Preußen solle seine „Versprechungen" gut machen. Bunsen habe infolge dessen die Weisung erhalten, aufs Land zu gehen, habe aber protestirt und vorherige Untersuchung gefordert, indem er erklärt habe, Clarendon wisse nichts von jener Denkschrift, er sei vielmehr über seine, Bunsens, Verteidigung der neuesten Wendung der preußischen Politik aufgebracht gewesen. Nun sei Graf Gruben von Berlin »ach London geschickt worden und habe in Osborne House im Beisein Clarendvns und Bunsens erklärt, der König von Preußen weigere sich, weitere Schritte gegen Nußland zu thun, weil er tief verwundet sei durch das Ansinnen, sich erkaufen zu lassen, was sich allerdings, seit er, Gruben, hier sei, als ein durch Bunsen veranlaßtes Mißverständnis herausge¬ stellt habe. Bunsen habe darauf seinen Sohn an den König gesandt, damit er ihn vor diesem rechtfertige, und Friedrich Wilhelm habe ihm darnach einen höchst freundlichen, herzlichen Brief geschrieben, in welchem er von seiner eignen un¬ glücklichen Lage gesprochen. Zugleich aber sei ihm vom Ministerium die Wei¬ sung zugegangen, einen sechsmonatlichen Urlaub zur Wiederherstellung seiner Ge¬ sundheit zu nehmen, denn seine Stellung in London sei kompromittirend. Wieder habe Bunsen vorherige Untersuchung verlangt, damit der Urlaub nicht zur Schuldigerklärung vor ganz Europa werde, und als die einzige Antwort darauf gewesen, er solle sofort aufs Land gehen, habe er seine Resignation ein¬ geschickt. Nach der Widerlegung in der „Deutschen Revue"verhielt es sich mit der Sache wesentlich anders. Als Menschikoff in dem Streite über die heiligen Stätten dem Sultan eine Note zur Unterzeichnung vorgelegt, dieser seine Unter¬ schrift versagt und der Kaiser Nikolaus darauf die Donaufürstentümer als Pfand besetzt hatte, verständigten sich die in Wien zu einer Konferenz zusammengetretenen Gesandten von Österreich, Frankreich, England und Preußen am 31. Juli 1853 *) Dieselbe enthält übrigens einen bösen Druckfehler. Auf der letzten Zeile der eigent- lichen Widerlegung soll es anstatt vermittelt doch wohl heißen: vereitelt. Der Zn- snnnnenbang ergiebt es.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/378
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/378>, abgerufen am 28.09.2024.