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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakche" und Thyrsosträger.

interessaick auch der Fuchs war und so lange Zeit es in Anspruch nahm, eine
genaue Besichtigung der Hintergebäude mit dem Pferde-, Kuh- und Hundestall
zu halten und zur Probe des neuen Gewehrs nach der Scheibe zu schießen,
endlich kam doch die Zeit des Abendessens heran, und die Fran Förstcrin beschloß
ihre geschäftige Thätigkeit in Küche und Keller damit, daß sie vor dem
Hause, wo die letzten Strahlen der Sonne den Platz erhellten, die Abendtafel
decken ließ.

Mit Heller Stimme rief sie ihre Gesellschaft zusammen, und ihr Ruf scheuchte
das Liebespaar aus seiner glücklichen Einsamkeit ans der nun schon onnkelwerdenden
Galerie empor. Kein Forscherauge und keine indiskrete Frage behelligte die
schüchtern herabsteigenden an diesem glücklichen Erdenfleck. Die Frau Försterin
war viel zu sehr von den Sorgen der Wirtschaft in Anspruch genommen, um
sich darüber zu grämen, daß etwa hinter ihrem Rücken zwei junge Leute sich
küßten, der Förster hatte zu viel mit seinen Jagdburschen, Pferden und Hunden,
sowie mit der Unterhaltung seiner vernünftigen Gäste zu thun, die junge Welt
aber freute sich ihres Lebens ohne den Genossen die Freude zu verderben, denn
gemerkt haben mußten sie wohl Flörchens Zurückbleiben und Ephraims Ver¬
schwinden.

Der weiß gedeckte Tisch vor dem Hause trug herrliches braunes Landbrod,
frische gelbe Waldbutter, dampfende Eierkuchen, rosigen Schinken mit weißem
Saum auf Petersilie gebettet, kalten Rehrückeu, eingemachte Früchte und frisches
Obst, dazu den in großen Gläsern hell schimmernden Wein aus des Försters
eigenem Weinberg, der bei den Kennern der Gegend in gutem Rufe stand als
herzcrwärmend, belebend für das Gehirn und von erfreulicher Wirkung auch für
den kommenden Tag.

Es war noch hell genug, um deutlich sehen zu können, wie gut all die
Dinge aussahen, die so gut schmeckten, und doch verlieh der abendliche Schatten
dem Mahle schon jenen traulichen Reiz, den der strahlende Mittag nicht leidet.
Ephraim saß Flörchen gegenüber und fühlte sich ganz selig. Jede ihrer Be¬
wegungen, jeder ihrer Blicke war für ihn bestimmt. Sie lächelte zu ihm herüber,
wenn sie ihr Glas erhob, und er wußte, sie trinke auf sein Wohl. Der Abendwind
trieb ein paar Härchen auf ihrer Stirn zerstreut umher, und er fühlte in seinen
Fingerspitze:: das Vergnügen, mit diesen Löckchen zu spielen.

Zuerst war er ganz still und noch wie verloren in der Erinnerung an das
genossene Glück, aber bald hoben der Zauber der Umgebung und das siegreiche
Selbstbewußtsein seine Geister zu lebhafter Unterhaltung empor, der gute Eiu-
siedelberger im Glase belebte seine Zunge, und er ward wieder, wie an dem Abend
auf dem Speierer Hof, der munterste Gesellschafter. Weder der witzige Student
noch der schlanbedächtige Gmelin konnten ihm die Stange halten in scherzhaften
Erzählungen und kühnen Wendungen, so daß man sich von neuem wunderte über
den geistreichen Menschen, der vor ein paar Stunden wie ein rechter Tropf beim


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Bakche» und Thyrsosträger.

interessaick auch der Fuchs war und so lange Zeit es in Anspruch nahm, eine
genaue Besichtigung der Hintergebäude mit dem Pferde-, Kuh- und Hundestall
zu halten und zur Probe des neuen Gewehrs nach der Scheibe zu schießen,
endlich kam doch die Zeit des Abendessens heran, und die Fran Förstcrin beschloß
ihre geschäftige Thätigkeit in Küche und Keller damit, daß sie vor dem
Hause, wo die letzten Strahlen der Sonne den Platz erhellten, die Abendtafel
decken ließ.

Mit Heller Stimme rief sie ihre Gesellschaft zusammen, und ihr Ruf scheuchte
das Liebespaar aus seiner glücklichen Einsamkeit ans der nun schon onnkelwerdenden
Galerie empor. Kein Forscherauge und keine indiskrete Frage behelligte die
schüchtern herabsteigenden an diesem glücklichen Erdenfleck. Die Frau Försterin
war viel zu sehr von den Sorgen der Wirtschaft in Anspruch genommen, um
sich darüber zu grämen, daß etwa hinter ihrem Rücken zwei junge Leute sich
küßten, der Förster hatte zu viel mit seinen Jagdburschen, Pferden und Hunden,
sowie mit der Unterhaltung seiner vernünftigen Gäste zu thun, die junge Welt
aber freute sich ihres Lebens ohne den Genossen die Freude zu verderben, denn
gemerkt haben mußten sie wohl Flörchens Zurückbleiben und Ephraims Ver¬
schwinden.

Der weiß gedeckte Tisch vor dem Hause trug herrliches braunes Landbrod,
frische gelbe Waldbutter, dampfende Eierkuchen, rosigen Schinken mit weißem
Saum auf Petersilie gebettet, kalten Rehrückeu, eingemachte Früchte und frisches
Obst, dazu den in großen Gläsern hell schimmernden Wein aus des Försters
eigenem Weinberg, der bei den Kennern der Gegend in gutem Rufe stand als
herzcrwärmend, belebend für das Gehirn und von erfreulicher Wirkung auch für
den kommenden Tag.

Es war noch hell genug, um deutlich sehen zu können, wie gut all die
Dinge aussahen, die so gut schmeckten, und doch verlieh der abendliche Schatten
dem Mahle schon jenen traulichen Reiz, den der strahlende Mittag nicht leidet.
Ephraim saß Flörchen gegenüber und fühlte sich ganz selig. Jede ihrer Be¬
wegungen, jeder ihrer Blicke war für ihn bestimmt. Sie lächelte zu ihm herüber,
wenn sie ihr Glas erhob, und er wußte, sie trinke auf sein Wohl. Der Abendwind
trieb ein paar Härchen auf ihrer Stirn zerstreut umher, und er fühlte in seinen
Fingerspitze:: das Vergnügen, mit diesen Löckchen zu spielen.

Zuerst war er ganz still und noch wie verloren in der Erinnerung an das
genossene Glück, aber bald hoben der Zauber der Umgebung und das siegreiche
Selbstbewußtsein seine Geister zu lebhafter Unterhaltung empor, der gute Eiu-
siedelberger im Glase belebte seine Zunge, und er ward wieder, wie an dem Abend
auf dem Speierer Hof, der munterste Gesellschafter. Weder der witzige Student
noch der schlanbedächtige Gmelin konnten ihm die Stange halten in scherzhaften
Erzählungen und kühnen Wendungen, so daß man sich von neuem wunderte über
den geistreichen Menschen, der vor ein paar Stunden wie ein rechter Tropf beim


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[0363] / Bakche» und Thyrsosträger. interessaick auch der Fuchs war und so lange Zeit es in Anspruch nahm, eine genaue Besichtigung der Hintergebäude mit dem Pferde-, Kuh- und Hundestall zu halten und zur Probe des neuen Gewehrs nach der Scheibe zu schießen, endlich kam doch die Zeit des Abendessens heran, und die Fran Förstcrin beschloß ihre geschäftige Thätigkeit in Küche und Keller damit, daß sie vor dem Hause, wo die letzten Strahlen der Sonne den Platz erhellten, die Abendtafel decken ließ. Mit Heller Stimme rief sie ihre Gesellschaft zusammen, und ihr Ruf scheuchte das Liebespaar aus seiner glücklichen Einsamkeit ans der nun schon onnkelwerdenden Galerie empor. Kein Forscherauge und keine indiskrete Frage behelligte die schüchtern herabsteigenden an diesem glücklichen Erdenfleck. Die Frau Försterin war viel zu sehr von den Sorgen der Wirtschaft in Anspruch genommen, um sich darüber zu grämen, daß etwa hinter ihrem Rücken zwei junge Leute sich küßten, der Förster hatte zu viel mit seinen Jagdburschen, Pferden und Hunden, sowie mit der Unterhaltung seiner vernünftigen Gäste zu thun, die junge Welt aber freute sich ihres Lebens ohne den Genossen die Freude zu verderben, denn gemerkt haben mußten sie wohl Flörchens Zurückbleiben und Ephraims Ver¬ schwinden. Der weiß gedeckte Tisch vor dem Hause trug herrliches braunes Landbrod, frische gelbe Waldbutter, dampfende Eierkuchen, rosigen Schinken mit weißem Saum auf Petersilie gebettet, kalten Rehrückeu, eingemachte Früchte und frisches Obst, dazu den in großen Gläsern hell schimmernden Wein aus des Försters eigenem Weinberg, der bei den Kennern der Gegend in gutem Rufe stand als herzcrwärmend, belebend für das Gehirn und von erfreulicher Wirkung auch für den kommenden Tag. Es war noch hell genug, um deutlich sehen zu können, wie gut all die Dinge aussahen, die so gut schmeckten, und doch verlieh der abendliche Schatten dem Mahle schon jenen traulichen Reiz, den der strahlende Mittag nicht leidet. Ephraim saß Flörchen gegenüber und fühlte sich ganz selig. Jede ihrer Be¬ wegungen, jeder ihrer Blicke war für ihn bestimmt. Sie lächelte zu ihm herüber, wenn sie ihr Glas erhob, und er wußte, sie trinke auf sein Wohl. Der Abendwind trieb ein paar Härchen auf ihrer Stirn zerstreut umher, und er fühlte in seinen Fingerspitze:: das Vergnügen, mit diesen Löckchen zu spielen. Zuerst war er ganz still und noch wie verloren in der Erinnerung an das genossene Glück, aber bald hoben der Zauber der Umgebung und das siegreiche Selbstbewußtsein seine Geister zu lebhafter Unterhaltung empor, der gute Eiu- siedelberger im Glase belebte seine Zunge, und er ward wieder, wie an dem Abend auf dem Speierer Hof, der munterste Gesellschafter. Weder der witzige Student noch der schlanbedächtige Gmelin konnten ihm die Stange halten in scherzhaften Erzählungen und kühnen Wendungen, so daß man sich von neuem wunderte über den geistreichen Menschen, der vor ein paar Stunden wie ein rechter Tropf beim

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/363>, abgerufen am 29.06.2024.