Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die österreichischen Auponprocesse.

Sie müssen daher den Einlösungskurs ihrer Kupons allezeit etwas über dem
Kurs der Wechsel auf kurze Sicht halte". Wie viel dies etwa betrüge, hätten
die Vörseuautoritüten zu arbitriren, die mit diesem sachverständigen Gutachten
den verurteilenden Richterspruch zu ergänzen berufen wären.

Ganz ähnlich wie die Lage der Deutschen, ist auch die der Franzosen
gegenüber den österreichischen Eisenbahngesellschaften. Auch in Frankreich ist
durch Gesetz eine Änderung der Währungsverhültnisse eingetreten. Seit dem
Gesetz vom 7. Germinal des Jahres 9 bestand daselbst die Doppelwährung, und
hieran wurde auch durch die lateinische Münzkonvcution nichts geändert. Dem
Schuldner, welcher in Franken zu zahlen hatte, stand das Recht zu, sich von
seiner Verpflichtung durch eine gewisse Leistung in Gold oder in Silber zu
befreien, und jedermann war berechtigt, Silberbarren gegen Vergütung der
Prägungskostcu in Münzen prägen zu lassen. Diese französische Doppelwährung
ist aber durch das auf Grund des Gesetzes vom 5. August 1876 erlassene Dekret
der Regierung vom 6. August desselben Jahres, mit dem die Silberprägung
für Rechnung von Privaten in Frankreich eingestellt wurde, wesentlich geändert
worden. Die natürliche Folge hiervon ist, daß man sich gegenwärtig Silber¬
franken nicht mehr gegen Hingabe des frühern Silberquautums verschaffen kann,
sondern mir gegen Erlegung des Goldagios, daß also derjenige, welcher in
effektiven Francs Zahlung zu leisten hat, dadurch, daß ihm die Möglichkeit be¬
nommen worden ist, sein Silber in Francs prägen zu lassen, das den Francs
derzeit anhaftende Goldagio tragen muß. Da somit die Gleichheit der in öster¬
reichischer Silberwährung angesagten Zinsen von 6 Gulden mit dem Betrage
von 12,50 Francs nicht mehr besteht, so können nach der Entscheidung der
österreichischen Gerichte die Bahnen auch nicht angehalten werden, ihre Kupons
in Paris mit diesem Betrage einzulösen. Bekker ist in dieser Frage etwas un¬
schlüssig; indes liegt dieselbe nach unsrer Meinung ganz wie in Deutschland, und
anch die Entscheidung muß daher die gleiche sein: Zahlung des Äquivalents der
Guldeusumme, aber etwas über dem Tageskurs.

Anders in England. Beliebiger nationalen Währnngsändernngen und Um-
rechnungsgesetzen ist der Ausländer gewiß nicht ohne weiteres unterworfen, aber
er ist verpflichtet, soweit ähnliches nicht ins Spiel kommt, sein Versprechen zu
halten. In England ist nun keine Währungsänderung eingetreten, der Aus¬
länder, welcher eine bestimmte Summe von Pfund Sterling versprochen hat,
ist darum auch heute noch zur Zahlung derselben gezwungen, so gut wie jeder,
der eine Lieferung Getreide verspricht, seine Zusage erfüllen muß. Das Gold
mag im Werte gestiegen sein, gleichviel; auch das Getreide muß geliefert werden,
mag es kosten, was es will. Alle Bahnen, mit Ausnahme der Lemberg-
Czcrnvwitzer, haben daher auch niemals mir den Versuch einer Weigerung der
Goldzahlung im vollen Betrage der Zusage gemacht, soweit letztre England
angeht.


Die österreichischen Auponprocesse.

Sie müssen daher den Einlösungskurs ihrer Kupons allezeit etwas über dem
Kurs der Wechsel auf kurze Sicht halte». Wie viel dies etwa betrüge, hätten
die Vörseuautoritüten zu arbitriren, die mit diesem sachverständigen Gutachten
den verurteilenden Richterspruch zu ergänzen berufen wären.

Ganz ähnlich wie die Lage der Deutschen, ist auch die der Franzosen
gegenüber den österreichischen Eisenbahngesellschaften. Auch in Frankreich ist
durch Gesetz eine Änderung der Währungsverhültnisse eingetreten. Seit dem
Gesetz vom 7. Germinal des Jahres 9 bestand daselbst die Doppelwährung, und
hieran wurde auch durch die lateinische Münzkonvcution nichts geändert. Dem
Schuldner, welcher in Franken zu zahlen hatte, stand das Recht zu, sich von
seiner Verpflichtung durch eine gewisse Leistung in Gold oder in Silber zu
befreien, und jedermann war berechtigt, Silberbarren gegen Vergütung der
Prägungskostcu in Münzen prägen zu lassen. Diese französische Doppelwährung
ist aber durch das auf Grund des Gesetzes vom 5. August 1876 erlassene Dekret
der Regierung vom 6. August desselben Jahres, mit dem die Silberprägung
für Rechnung von Privaten in Frankreich eingestellt wurde, wesentlich geändert
worden. Die natürliche Folge hiervon ist, daß man sich gegenwärtig Silber¬
franken nicht mehr gegen Hingabe des frühern Silberquautums verschaffen kann,
sondern mir gegen Erlegung des Goldagios, daß also derjenige, welcher in
effektiven Francs Zahlung zu leisten hat, dadurch, daß ihm die Möglichkeit be¬
nommen worden ist, sein Silber in Francs prägen zu lassen, das den Francs
derzeit anhaftende Goldagio tragen muß. Da somit die Gleichheit der in öster¬
reichischer Silberwährung angesagten Zinsen von 6 Gulden mit dem Betrage
von 12,50 Francs nicht mehr besteht, so können nach der Entscheidung der
österreichischen Gerichte die Bahnen auch nicht angehalten werden, ihre Kupons
in Paris mit diesem Betrage einzulösen. Bekker ist in dieser Frage etwas un¬
schlüssig; indes liegt dieselbe nach unsrer Meinung ganz wie in Deutschland, und
anch die Entscheidung muß daher die gleiche sein: Zahlung des Äquivalents der
Guldeusumme, aber etwas über dem Tageskurs.

Anders in England. Beliebiger nationalen Währnngsändernngen und Um-
rechnungsgesetzen ist der Ausländer gewiß nicht ohne weiteres unterworfen, aber
er ist verpflichtet, soweit ähnliches nicht ins Spiel kommt, sein Versprechen zu
halten. In England ist nun keine Währungsänderung eingetreten, der Aus¬
länder, welcher eine bestimmte Summe von Pfund Sterling versprochen hat,
ist darum auch heute noch zur Zahlung derselben gezwungen, so gut wie jeder,
der eine Lieferung Getreide verspricht, seine Zusage erfüllen muß. Das Gold
mag im Werte gestiegen sein, gleichviel; auch das Getreide muß geliefert werden,
mag es kosten, was es will. Alle Bahnen, mit Ausnahme der Lemberg-
Czcrnvwitzer, haben daher auch niemals mir den Versuch einer Weigerung der
Goldzahlung im vollen Betrage der Zusage gemacht, soweit letztre England
angeht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86147"/>
          <fw type="header" place="top"> Die österreichischen Auponprocesse.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_59" prev="#ID_58"> Sie müssen daher den Einlösungskurs ihrer Kupons allezeit etwas über dem<lb/>
Kurs der Wechsel auf kurze Sicht halte». Wie viel dies etwa betrüge, hätten<lb/>
die Vörseuautoritüten zu arbitriren, die mit diesem sachverständigen Gutachten<lb/>
den verurteilenden Richterspruch zu ergänzen berufen wären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_60"> Ganz ähnlich wie die Lage der Deutschen, ist auch die der Franzosen<lb/>
gegenüber den österreichischen Eisenbahngesellschaften. Auch in Frankreich ist<lb/>
durch Gesetz eine Änderung der Währungsverhültnisse eingetreten. Seit dem<lb/>
Gesetz vom 7. Germinal des Jahres 9 bestand daselbst die Doppelwährung, und<lb/>
hieran wurde auch durch die lateinische Münzkonvcution nichts geändert. Dem<lb/>
Schuldner, welcher in Franken zu zahlen hatte, stand das Recht zu, sich von<lb/>
seiner Verpflichtung durch eine gewisse Leistung in Gold oder in Silber zu<lb/>
befreien, und jedermann war berechtigt, Silberbarren gegen Vergütung der<lb/>
Prägungskostcu in Münzen prägen zu lassen. Diese französische Doppelwährung<lb/>
ist aber durch das auf Grund des Gesetzes vom 5. August 1876 erlassene Dekret<lb/>
der Regierung vom 6. August desselben Jahres, mit dem die Silberprägung<lb/>
für Rechnung von Privaten in Frankreich eingestellt wurde, wesentlich geändert<lb/>
worden. Die natürliche Folge hiervon ist, daß man sich gegenwärtig Silber¬<lb/>
franken nicht mehr gegen Hingabe des frühern Silberquautums verschaffen kann,<lb/>
sondern mir gegen Erlegung des Goldagios, daß also derjenige, welcher in<lb/>
effektiven Francs Zahlung zu leisten hat, dadurch, daß ihm die Möglichkeit be¬<lb/>
nommen worden ist, sein Silber in Francs prägen zu lassen, das den Francs<lb/>
derzeit anhaftende Goldagio tragen muß. Da somit die Gleichheit der in öster¬<lb/>
reichischer Silberwährung angesagten Zinsen von 6 Gulden mit dem Betrage<lb/>
von 12,50 Francs nicht mehr besteht, so können nach der Entscheidung der<lb/>
österreichischen Gerichte die Bahnen auch nicht angehalten werden, ihre Kupons<lb/>
in Paris mit diesem Betrage einzulösen. Bekker ist in dieser Frage etwas un¬<lb/>
schlüssig; indes liegt dieselbe nach unsrer Meinung ganz wie in Deutschland, und<lb/>
anch die Entscheidung muß daher die gleiche sein: Zahlung des Äquivalents der<lb/>
Guldeusumme, aber etwas über dem Tageskurs.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_61"> Anders in England. Beliebiger nationalen Währnngsändernngen und Um-<lb/>
rechnungsgesetzen ist der Ausländer gewiß nicht ohne weiteres unterworfen, aber<lb/>
er ist verpflichtet, soweit ähnliches nicht ins Spiel kommt, sein Versprechen zu<lb/>
halten. In England ist nun keine Währungsänderung eingetreten, der Aus¬<lb/>
länder, welcher eine bestimmte Summe von Pfund Sterling versprochen hat,<lb/>
ist darum auch heute noch zur Zahlung derselben gezwungen, so gut wie jeder,<lb/>
der eine Lieferung Getreide verspricht, seine Zusage erfüllen muß. Das Gold<lb/>
mag im Werte gestiegen sein, gleichviel; auch das Getreide muß geliefert werden,<lb/>
mag es kosten, was es will. Alle Bahnen, mit Ausnahme der Lemberg-<lb/>
Czcrnvwitzer, haben daher auch niemals mir den Versuch einer Weigerung der<lb/>
Goldzahlung im vollen Betrage der Zusage gemacht, soweit letztre England<lb/>
angeht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] Die österreichischen Auponprocesse. Sie müssen daher den Einlösungskurs ihrer Kupons allezeit etwas über dem Kurs der Wechsel auf kurze Sicht halte». Wie viel dies etwa betrüge, hätten die Vörseuautoritüten zu arbitriren, die mit diesem sachverständigen Gutachten den verurteilenden Richterspruch zu ergänzen berufen wären. Ganz ähnlich wie die Lage der Deutschen, ist auch die der Franzosen gegenüber den österreichischen Eisenbahngesellschaften. Auch in Frankreich ist durch Gesetz eine Änderung der Währungsverhültnisse eingetreten. Seit dem Gesetz vom 7. Germinal des Jahres 9 bestand daselbst die Doppelwährung, und hieran wurde auch durch die lateinische Münzkonvcution nichts geändert. Dem Schuldner, welcher in Franken zu zahlen hatte, stand das Recht zu, sich von seiner Verpflichtung durch eine gewisse Leistung in Gold oder in Silber zu befreien, und jedermann war berechtigt, Silberbarren gegen Vergütung der Prägungskostcu in Münzen prägen zu lassen. Diese französische Doppelwährung ist aber durch das auf Grund des Gesetzes vom 5. August 1876 erlassene Dekret der Regierung vom 6. August desselben Jahres, mit dem die Silberprägung für Rechnung von Privaten in Frankreich eingestellt wurde, wesentlich geändert worden. Die natürliche Folge hiervon ist, daß man sich gegenwärtig Silber¬ franken nicht mehr gegen Hingabe des frühern Silberquautums verschaffen kann, sondern mir gegen Erlegung des Goldagios, daß also derjenige, welcher in effektiven Francs Zahlung zu leisten hat, dadurch, daß ihm die Möglichkeit be¬ nommen worden ist, sein Silber in Francs prägen zu lassen, das den Francs derzeit anhaftende Goldagio tragen muß. Da somit die Gleichheit der in öster¬ reichischer Silberwährung angesagten Zinsen von 6 Gulden mit dem Betrage von 12,50 Francs nicht mehr besteht, so können nach der Entscheidung der österreichischen Gerichte die Bahnen auch nicht angehalten werden, ihre Kupons in Paris mit diesem Betrage einzulösen. Bekker ist in dieser Frage etwas un¬ schlüssig; indes liegt dieselbe nach unsrer Meinung ganz wie in Deutschland, und anch die Entscheidung muß daher die gleiche sein: Zahlung des Äquivalents der Guldeusumme, aber etwas über dem Tageskurs. Anders in England. Beliebiger nationalen Währnngsändernngen und Um- rechnungsgesetzen ist der Ausländer gewiß nicht ohne weiteres unterworfen, aber er ist verpflichtet, soweit ähnliches nicht ins Spiel kommt, sein Versprechen zu halten. In England ist nun keine Währungsänderung eingetreten, der Aus¬ länder, welcher eine bestimmte Summe von Pfund Sterling versprochen hat, ist darum auch heute noch zur Zahlung derselben gezwungen, so gut wie jeder, der eine Lieferung Getreide verspricht, seine Zusage erfüllen muß. Das Gold mag im Werte gestiegen sein, gleichviel; auch das Getreide muß geliefert werden, mag es kosten, was es will. Alle Bahnen, mit Ausnahme der Lemberg- Czcrnvwitzer, haben daher auch niemals mir den Versuch einer Weigerung der Goldzahlung im vollen Betrage der Zusage gemacht, soweit letztre England angeht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/26>, abgerufen am 26.06.2024.