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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die österreichischen Auponprocesse,

Eisenbahngesellschaft aber betreffs derKapital- wie der Zinszahlungen, da auf Obliga¬
tionen und Kupvns vom Jahre 1782 nur das Wort "oder" sich findet. Und ferner:
Wenn die Gesellschaften nicht fest 133 ^/z Thaler versprochen hatten, sondern
nur das nach dem jeweiligen Kurs auf- und niederschwankende Aequivalent von
200 Gulden, warum zahlten sie denn früher immer fest 133^ Thaler, also
meist etwas mehr, als nach dem Tageskurs der entsprechenden Wechsel auf kurze
Sicht nötig war? Doch wohl, weil sie sich zu diesem Mehraufwand verpflichtet
hielten; zum Verschenken waren die Verwaltungen gewiß nicht befugt. Wollen
also die letzteren nicht sich selber beschuldigen, mit der Einlösung zu festem Kurs
rechtswidrig vergeudet zu haben, so müssen sie die Verpflichtungen ihrer Gesell¬
schaften anerkennen. Die Verpflichtungen aber können nur aus den bei der Emission
der Papiere abgegebenen Erklärungen stammen, und derartig verpflichtende Er¬
klärungen sind "Versprechen" und nicht "Belehrungen".

Dieser "Belehrungen" bedurften außerdem auch die Ausländer gewiß nicht,
die in der Lage waren, als Abnehmer der österreichischen Effekten aufzutreten,
am wenigsten die Bankgeschäfte, welche den Verkehr in diesen Papieren zu ver¬
mitteln hatten. Das k. k. Handelsgericht bezichtigt nach Bekker die Verwaltungen
der österreichischen Eisenbahnen, von denen diese Emissionen ausgegangen find,
erstlich grober Unwissenheit in Beziehung gerade auf diejenigen Zustände des
Auslandes, welche für die Gewährung des nachgesuchten Kredits entscheidend sein
mußten, zweitens eines frivolen Leichtsinns, denn als "ordentliche Kaufleute"
mußten.sie wissen, daß die Klauseln, die von ihnen nur als völlig überflüssige
Belehrungen gemeint gewesen sein sollen, im Auslande gar nicht anders denn
als Zusagen und Versprechungen verstanden werden konnten. Der bona, lläss,
dem Hauptprincip des modernen Handels aber widerspricht nichts mehr als eine
derartig spitzfindig willkürliche Wortklauberei, die Unterscheidungen einführt, an
die bei Abschluß des Vertrags niemand gedacht hat, und Auslegungen verteidigt,
die allen berechtigten Erwartungen zuwiderlaufen.

Wenn es ferner in dem Erkenntnis des k. k. Obersten Gerichts- und Kassations-
hvfes heißt: Widersinnig wäre es, anzunehmen, die angeklagte Gesellschaft habe
für ein und dieselbe Darlehenssumme je nach Verschiedenheit des Einlösungsortes
verschiedene, den Normalbetrag von 200 Gulden an Kapital und 5 Gulden an
Zinsen für den halbjährigen Kupon sogar übersteigende Einlösungsbeträge zuge¬
sichert und zusichern wollen, so kann Bekker mit vollem Recht darauf hinweisen,
daß beispielsweise die italienische Regierung ihre Rentenschulden, die Livorneser
und Tvskaner Eisenbahnen ihre Prioritätszinsen lange Jahre hindurch in Italien
in minderwertigem Papier und im Auslande in vollwertigem Gold gezahlt haben.
So ohne weiteres wäre es also nicht "widersinnig" gewesen, wenn die Öster¬
reicher in ihrer Heimat in minderwertigem Silber, im Auslande aber in Gold
ausgezahlt hätten. Auch die eigene Praxis der österreichischen Gesellschaften
widerstreitet dieser Behauptung: Aussig-Teplitz, Staatsbahn und Südbcihn zahlen


Die österreichischen Auponprocesse,

Eisenbahngesellschaft aber betreffs derKapital- wie der Zinszahlungen, da auf Obliga¬
tionen und Kupvns vom Jahre 1782 nur das Wort „oder" sich findet. Und ferner:
Wenn die Gesellschaften nicht fest 133 ^/z Thaler versprochen hatten, sondern
nur das nach dem jeweiligen Kurs auf- und niederschwankende Aequivalent von
200 Gulden, warum zahlten sie denn früher immer fest 133^ Thaler, also
meist etwas mehr, als nach dem Tageskurs der entsprechenden Wechsel auf kurze
Sicht nötig war? Doch wohl, weil sie sich zu diesem Mehraufwand verpflichtet
hielten; zum Verschenken waren die Verwaltungen gewiß nicht befugt. Wollen
also die letzteren nicht sich selber beschuldigen, mit der Einlösung zu festem Kurs
rechtswidrig vergeudet zu haben, so müssen sie die Verpflichtungen ihrer Gesell¬
schaften anerkennen. Die Verpflichtungen aber können nur aus den bei der Emission
der Papiere abgegebenen Erklärungen stammen, und derartig verpflichtende Er¬
klärungen sind „Versprechen" und nicht „Belehrungen".

Dieser „Belehrungen" bedurften außerdem auch die Ausländer gewiß nicht,
die in der Lage waren, als Abnehmer der österreichischen Effekten aufzutreten,
am wenigsten die Bankgeschäfte, welche den Verkehr in diesen Papieren zu ver¬
mitteln hatten. Das k. k. Handelsgericht bezichtigt nach Bekker die Verwaltungen
der österreichischen Eisenbahnen, von denen diese Emissionen ausgegangen find,
erstlich grober Unwissenheit in Beziehung gerade auf diejenigen Zustände des
Auslandes, welche für die Gewährung des nachgesuchten Kredits entscheidend sein
mußten, zweitens eines frivolen Leichtsinns, denn als „ordentliche Kaufleute"
mußten.sie wissen, daß die Klauseln, die von ihnen nur als völlig überflüssige
Belehrungen gemeint gewesen sein sollen, im Auslande gar nicht anders denn
als Zusagen und Versprechungen verstanden werden konnten. Der bona, lläss,
dem Hauptprincip des modernen Handels aber widerspricht nichts mehr als eine
derartig spitzfindig willkürliche Wortklauberei, die Unterscheidungen einführt, an
die bei Abschluß des Vertrags niemand gedacht hat, und Auslegungen verteidigt,
die allen berechtigten Erwartungen zuwiderlaufen.

Wenn es ferner in dem Erkenntnis des k. k. Obersten Gerichts- und Kassations-
hvfes heißt: Widersinnig wäre es, anzunehmen, die angeklagte Gesellschaft habe
für ein und dieselbe Darlehenssumme je nach Verschiedenheit des Einlösungsortes
verschiedene, den Normalbetrag von 200 Gulden an Kapital und 5 Gulden an
Zinsen für den halbjährigen Kupon sogar übersteigende Einlösungsbeträge zuge¬
sichert und zusichern wollen, so kann Bekker mit vollem Recht darauf hinweisen,
daß beispielsweise die italienische Regierung ihre Rentenschulden, die Livorneser
und Tvskaner Eisenbahnen ihre Prioritätszinsen lange Jahre hindurch in Italien
in minderwertigem Papier und im Auslande in vollwertigem Gold gezahlt haben.
So ohne weiteres wäre es also nicht „widersinnig" gewesen, wenn die Öster¬
reicher in ihrer Heimat in minderwertigem Silber, im Auslande aber in Gold
ausgezahlt hätten. Auch die eigene Praxis der österreichischen Gesellschaften
widerstreitet dieser Behauptung: Aussig-Teplitz, Staatsbahn und Südbcihn zahlen


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[0023] Die österreichischen Auponprocesse, Eisenbahngesellschaft aber betreffs derKapital- wie der Zinszahlungen, da auf Obliga¬ tionen und Kupvns vom Jahre 1782 nur das Wort „oder" sich findet. Und ferner: Wenn die Gesellschaften nicht fest 133 ^/z Thaler versprochen hatten, sondern nur das nach dem jeweiligen Kurs auf- und niederschwankende Aequivalent von 200 Gulden, warum zahlten sie denn früher immer fest 133^ Thaler, also meist etwas mehr, als nach dem Tageskurs der entsprechenden Wechsel auf kurze Sicht nötig war? Doch wohl, weil sie sich zu diesem Mehraufwand verpflichtet hielten; zum Verschenken waren die Verwaltungen gewiß nicht befugt. Wollen also die letzteren nicht sich selber beschuldigen, mit der Einlösung zu festem Kurs rechtswidrig vergeudet zu haben, so müssen sie die Verpflichtungen ihrer Gesell¬ schaften anerkennen. Die Verpflichtungen aber können nur aus den bei der Emission der Papiere abgegebenen Erklärungen stammen, und derartig verpflichtende Er¬ klärungen sind „Versprechen" und nicht „Belehrungen". Dieser „Belehrungen" bedurften außerdem auch die Ausländer gewiß nicht, die in der Lage waren, als Abnehmer der österreichischen Effekten aufzutreten, am wenigsten die Bankgeschäfte, welche den Verkehr in diesen Papieren zu ver¬ mitteln hatten. Das k. k. Handelsgericht bezichtigt nach Bekker die Verwaltungen der österreichischen Eisenbahnen, von denen diese Emissionen ausgegangen find, erstlich grober Unwissenheit in Beziehung gerade auf diejenigen Zustände des Auslandes, welche für die Gewährung des nachgesuchten Kredits entscheidend sein mußten, zweitens eines frivolen Leichtsinns, denn als „ordentliche Kaufleute" mußten.sie wissen, daß die Klauseln, die von ihnen nur als völlig überflüssige Belehrungen gemeint gewesen sein sollen, im Auslande gar nicht anders denn als Zusagen und Versprechungen verstanden werden konnten. Der bona, lläss, dem Hauptprincip des modernen Handels aber widerspricht nichts mehr als eine derartig spitzfindig willkürliche Wortklauberei, die Unterscheidungen einführt, an die bei Abschluß des Vertrags niemand gedacht hat, und Auslegungen verteidigt, die allen berechtigten Erwartungen zuwiderlaufen. Wenn es ferner in dem Erkenntnis des k. k. Obersten Gerichts- und Kassations- hvfes heißt: Widersinnig wäre es, anzunehmen, die angeklagte Gesellschaft habe für ein und dieselbe Darlehenssumme je nach Verschiedenheit des Einlösungsortes verschiedene, den Normalbetrag von 200 Gulden an Kapital und 5 Gulden an Zinsen für den halbjährigen Kupon sogar übersteigende Einlösungsbeträge zuge¬ sichert und zusichern wollen, so kann Bekker mit vollem Recht darauf hinweisen, daß beispielsweise die italienische Regierung ihre Rentenschulden, die Livorneser und Tvskaner Eisenbahnen ihre Prioritätszinsen lange Jahre hindurch in Italien in minderwertigem Papier und im Auslande in vollwertigem Gold gezahlt haben. So ohne weiteres wäre es also nicht „widersinnig" gewesen, wenn die Öster¬ reicher in ihrer Heimat in minderwertigem Silber, im Auslande aber in Gold ausgezahlt hätten. Auch die eigene Praxis der österreichischen Gesellschaften widerstreitet dieser Behauptung: Aussig-Teplitz, Staatsbahn und Südbcihn zahlen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/23>, abgerufen am 26.06.2024.