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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die österreichischen Kupcmprocesse,

Handelsvertrags von 1878 die Beschlagnahme des Betriebsmatcrials eine Zeit¬
lang verboten war, um dann durch Vereinbarung vom 31, December 1879
Mieder freigegeben zu werden.

Einige Gesellschaften sind dem Konflikt aus dem Wege gegangen, sie zahlen
im Auslande die ursprünglich festgesetzten Summen, so die Staatseisenbahn¬
gesellschaft und die österreichische Südbahn, deren Obligationen zum gröszern
Teile an erster Stelle auf Francs gestellt sind, die aber beide auch Obligationen
auf österreichische Silbergnldcn und alternativ auf Thaler (Staatsbahn) oder
auf Thaler und Francs und englische Pfund (Südbahn) ausgegeben haben.
Zinszahlung und Einlösung aufgelöster Stücke ist bisher in Deutschland ohne
jede Beaustcmdung in Gold erfolgt. Ebenso hat sich Aussig-Teplitz dem deutschen
Münzgesetz gefügt. Alle andern Gesellschaften aber zahlen zwar auf den Plätzen
und in der Währung des Auslandes, aber nur, als ob Zinszahlung und Ein¬
lösung ausschließlich in österreichischer Silberwührung festgesetzt wäre, unter Be¬
rücksichtigung des für diese bestehenden Tageskurses.

Auf der Seite dieser streikenden Gesellschaften handelt es sich um ein Kapital
von über 600 Millionen Gulden, also um einen normalen jährlichen Aufwand
für Zinsen und Amortisation von über 30 Millionen Gulden. Die Mehr¬
forderung der deutschen Gläubiger beläuft sich aber auf circa 8 Millionen
Silbergnldcn. Man sieht, die Mehrforderung oder -- wie die Deutschen be¬
haupten -- die Minderzahlung ist eine bedeutende, und eS kann daher nicht
Wunder nehmen, daß die Processe sich zahlreich einstellten. Better schildert vor¬
trefflich, wie durch den Widerstreit der gerichtlichen Erkenntnisse die Parteien
erst recht aufeinander erbittert wurden. Nachdem die Gerichte je für ihre
Landsleute entschieden haben, ist jede Seite fest durchdrungen von dem Glauben
an das eigne Recht und betrachtet das Verhalten der andern als ein wider¬
rechtliches und, da die Nichtjuristen das leicht untereinander wirren, auch als
ein böswilliges. Die Waggonarrestirungen sind den Oesterreichern sehr unbe-
anem geworden, sie sehen darin eine dem Recht ebenso sehr wie den allgemeinen
Verkehrsinteresscn zuwiderlaufende Chikane; die deutschen Gläubiger schelten über
Schwindel und Betrug.

Ruhme der österreichische Heißporn, daß es noch Richter in Oesterreich
gebe, und schwören einzelne Deutsche, die gerade einen Arrestprozeß durchgeführt
haben, ähnlich begeistert auf die Weisheit ihres Reichsoberhandels- und ihres
Reichsgerichts, so liegt in all diesem Lobe klar die Verurteilung des fremden
Gerichts; der Oesterreicher glaubt nicht ein die deutschen Gerichte, der Deutsche
erst recht nicht an die österreichischen. Die Presse hat ebenfalls meist nur Öl ins
Feuer gegossen, und so ist hüben und drüben viel böses Blut erzeugt worden.
Beide Teile haben sich oft in eine unnötige Hitze hineingeredet und hineingeschrieben.
So heißt es in den Akten des großen Währnngsprocesses der Kaiser Franz-
Josef-Bahn: "Nun so sei denn der vorliegende Proceß und mit ihm eine der


Die österreichischen Kupcmprocesse,

Handelsvertrags von 1878 die Beschlagnahme des Betriebsmatcrials eine Zeit¬
lang verboten war, um dann durch Vereinbarung vom 31, December 1879
Mieder freigegeben zu werden.

Einige Gesellschaften sind dem Konflikt aus dem Wege gegangen, sie zahlen
im Auslande die ursprünglich festgesetzten Summen, so die Staatseisenbahn¬
gesellschaft und die österreichische Südbahn, deren Obligationen zum gröszern
Teile an erster Stelle auf Francs gestellt sind, die aber beide auch Obligationen
auf österreichische Silbergnldcn und alternativ auf Thaler (Staatsbahn) oder
auf Thaler und Francs und englische Pfund (Südbahn) ausgegeben haben.
Zinszahlung und Einlösung aufgelöster Stücke ist bisher in Deutschland ohne
jede Beaustcmdung in Gold erfolgt. Ebenso hat sich Aussig-Teplitz dem deutschen
Münzgesetz gefügt. Alle andern Gesellschaften aber zahlen zwar auf den Plätzen
und in der Währung des Auslandes, aber nur, als ob Zinszahlung und Ein¬
lösung ausschließlich in österreichischer Silberwührung festgesetzt wäre, unter Be¬
rücksichtigung des für diese bestehenden Tageskurses.

Auf der Seite dieser streikenden Gesellschaften handelt es sich um ein Kapital
von über 600 Millionen Gulden, also um einen normalen jährlichen Aufwand
für Zinsen und Amortisation von über 30 Millionen Gulden. Die Mehr¬
forderung der deutschen Gläubiger beläuft sich aber auf circa 8 Millionen
Silbergnldcn. Man sieht, die Mehrforderung oder — wie die Deutschen be¬
haupten — die Minderzahlung ist eine bedeutende, und eS kann daher nicht
Wunder nehmen, daß die Processe sich zahlreich einstellten. Better schildert vor¬
trefflich, wie durch den Widerstreit der gerichtlichen Erkenntnisse die Parteien
erst recht aufeinander erbittert wurden. Nachdem die Gerichte je für ihre
Landsleute entschieden haben, ist jede Seite fest durchdrungen von dem Glauben
an das eigne Recht und betrachtet das Verhalten der andern als ein wider¬
rechtliches und, da die Nichtjuristen das leicht untereinander wirren, auch als
ein böswilliges. Die Waggonarrestirungen sind den Oesterreichern sehr unbe-
anem geworden, sie sehen darin eine dem Recht ebenso sehr wie den allgemeinen
Verkehrsinteresscn zuwiderlaufende Chikane; die deutschen Gläubiger schelten über
Schwindel und Betrug.

Ruhme der österreichische Heißporn, daß es noch Richter in Oesterreich
gebe, und schwören einzelne Deutsche, die gerade einen Arrestprozeß durchgeführt
haben, ähnlich begeistert auf die Weisheit ihres Reichsoberhandels- und ihres
Reichsgerichts, so liegt in all diesem Lobe klar die Verurteilung des fremden
Gerichts; der Oesterreicher glaubt nicht ein die deutschen Gerichte, der Deutsche
erst recht nicht an die österreichischen. Die Presse hat ebenfalls meist nur Öl ins
Feuer gegossen, und so ist hüben und drüben viel böses Blut erzeugt worden.
Beide Teile haben sich oft in eine unnötige Hitze hineingeredet und hineingeschrieben.
So heißt es in den Akten des großen Währnngsprocesses der Kaiser Franz-
Josef-Bahn: „Nun so sei denn der vorliegende Proceß und mit ihm eine der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/21>, abgerufen am 26.06.2024.