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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträgcr.

Du könntest es am allerbesten, glaube mir.

Das ist sicher nicht der Fall, mein lieber Balduin. Denn siehst du, ich
bin ein schwerfälliger Mensch, der nur über das schreiben kaun, was völlig bei
ihm zur Ueberzeugung geworden ist. Manche der Literaten aber, die zu euch
gehören, siud Männer, die darin geübt sind, so zu schreiben, wie es dem Zwecke
entspricht, und das ist doch wohl in diesem Falle nötig.

Ja, siehst du, Ephraim, ich habe dn meine Bedenken, Es handelt sich um
die Verwertung eines großen Materials, und ohne aktenmäßige Belege wiirde
die Broschüre keinen Wert haben. Nun sinne ich vergeblich über einen Schrift¬
steller ans meiner nähern Bekanntschaft nach, dem ich ein solches Material an¬
vertrauen möchte. Lovcndal hat ja bedeutenden Einfluß auf die Presse, aber
bei dem jetzigen Parteitreiben ist es doch eine bedenkliche Sache, sich jemand
ganz in die Hände zu geben. Schreib du die Broschüre. Ich verspreche dir die
Unterstützung von Hunderten von Zeitungen.

He! he! sagte der Alte, du meinst mit Goethe:


Dus Zeitungs-Geschlvistcr,
Wie mag sich's gestalten,
Als um die Philister
Zum Narren zu halten.

Ach laß diese Sticheleien, Ephraim, nimm die Sache ernst! Ich lege viel
Wert darauf. Dein Name ist auch ganz unverdächtig und wird Eindruck machen.
Leider ist es ja bei uns so, daß es weniger darauf ankommt, was gesagt wird,
als darauf, von wem es gesagt wird. Ich werde dir deine Bemühung reichlich
vergüten. Du sollst mehr um der Broschüre verdienen als an deinen großen
Werken. Ich zahle dir jedes Honorar, es soll mir auf ein paar Tausend Thaler
nicht ankommen. Ich gebe dir zwei, drei, fünftausend Thaler.

Der Gelehrte blickte vor sich nieder.

Ich zahle dir zehntausend Thaler, wenn du mir eine gute, kräftige, nieder¬
schmetternde Entgegnung auf die Angriffe meiner Feinde schreibst.

Zehntausend Thaler! Das ist viel Geld, sagte Dr. Stahlhcirdt, den kahlen
Kopf schüttelnd. Wenn ich nur wüßte, was ich mit dem Gelde machen sollte.
In seinen Weinen kann ich es nicht anlegen, da ich Wein überhaupt nicht trinke.
Mit Cigarren ist es ebenso. Wollte ich anfangen Pasteten und Lampreten zu
essen, so würde ich mir wohl auf meine alten Tage den Magen verderben. Und
nun gar mir eine Geliebte halten -- das möchte ich weder meiner Clara noch
mir selbst zu Leide thun. Was in aller Welt soll ich mit den zehntausend
Thalern machen?

El, rief der Abgeordnete ""geduldig, so vermache sie doch deinen Kindern,
denen es wahrhaftig nicht zuviel sein würde.

Meinst du? Es kann wohl sein. Ja, wenn ich dächte, daß es den Kindern
Segen brächte, wenn man ihnen unrecht Gut hinterließe, dann. . .


Bakchen und Thyrsosträgcr.

Du könntest es am allerbesten, glaube mir.

Das ist sicher nicht der Fall, mein lieber Balduin. Denn siehst du, ich
bin ein schwerfälliger Mensch, der nur über das schreiben kaun, was völlig bei
ihm zur Ueberzeugung geworden ist. Manche der Literaten aber, die zu euch
gehören, siud Männer, die darin geübt sind, so zu schreiben, wie es dem Zwecke
entspricht, und das ist doch wohl in diesem Falle nötig.

Ja, siehst du, Ephraim, ich habe dn meine Bedenken, Es handelt sich um
die Verwertung eines großen Materials, und ohne aktenmäßige Belege wiirde
die Broschüre keinen Wert haben. Nun sinne ich vergeblich über einen Schrift¬
steller ans meiner nähern Bekanntschaft nach, dem ich ein solches Material an¬
vertrauen möchte. Lovcndal hat ja bedeutenden Einfluß auf die Presse, aber
bei dem jetzigen Parteitreiben ist es doch eine bedenkliche Sache, sich jemand
ganz in die Hände zu geben. Schreib du die Broschüre. Ich verspreche dir die
Unterstützung von Hunderten von Zeitungen.

He! he! sagte der Alte, du meinst mit Goethe:


Dus Zeitungs-Geschlvistcr,
Wie mag sich's gestalten,
Als um die Philister
Zum Narren zu halten.

Ach laß diese Sticheleien, Ephraim, nimm die Sache ernst! Ich lege viel
Wert darauf. Dein Name ist auch ganz unverdächtig und wird Eindruck machen.
Leider ist es ja bei uns so, daß es weniger darauf ankommt, was gesagt wird,
als darauf, von wem es gesagt wird. Ich werde dir deine Bemühung reichlich
vergüten. Du sollst mehr um der Broschüre verdienen als an deinen großen
Werken. Ich zahle dir jedes Honorar, es soll mir auf ein paar Tausend Thaler
nicht ankommen. Ich gebe dir zwei, drei, fünftausend Thaler.

Der Gelehrte blickte vor sich nieder.

Ich zahle dir zehntausend Thaler, wenn du mir eine gute, kräftige, nieder¬
schmetternde Entgegnung auf die Angriffe meiner Feinde schreibst.

Zehntausend Thaler! Das ist viel Geld, sagte Dr. Stahlhcirdt, den kahlen
Kopf schüttelnd. Wenn ich nur wüßte, was ich mit dem Gelde machen sollte.
In seinen Weinen kann ich es nicht anlegen, da ich Wein überhaupt nicht trinke.
Mit Cigarren ist es ebenso. Wollte ich anfangen Pasteten und Lampreten zu
essen, so würde ich mir wohl auf meine alten Tage den Magen verderben. Und
nun gar mir eine Geliebte halten — das möchte ich weder meiner Clara noch
mir selbst zu Leide thun. Was in aller Welt soll ich mit den zehntausend
Thalern machen?

El, rief der Abgeordnete »»geduldig, so vermache sie doch deinen Kindern,
denen es wahrhaftig nicht zuviel sein würde.

Meinst du? Es kann wohl sein. Ja, wenn ich dächte, daß es den Kindern
Segen brächte, wenn man ihnen unrecht Gut hinterließe, dann. . .


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/150>, abgerufen am 26.06.2024.