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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Der Grundkredit in Preußen.

auf Irrtum beruhten. Kein einziges der drei erhofften segensreichen Resultate
ist erreicht worden, nicht einmal das der vorteilhaften Verzinsung der Aktien¬
kapitalien, die sich mit wenigen Ausnahmen eine Reihe schlechter Jahrgänge ge¬
fallen lassen mußten, und deren Besitzer in einzelnen Fällen die üble Erfahrung
gemacht haben, daß sie jahrelang ihre Dividenden gewissermaßen aus dem Ka¬
pitale bezogen hatten. Die Pfandbriefe gelten keineswegs durchweg als solide Papiere.
Nur bei deu wenigen Gesellschaften, die sich einer vorsichtigen und soliden Lei¬
tung erfreuen, sind sie aus dieser Ursache ein beliebtes Aulagepapier geworden,
ohne aber davor geschützt zu sein, daß eine wiederkehrende Deroute der großen
Mehrzahl auch sie in Mitleidenschaft zieht.

Am wenigsten hat der Grundkredit gewonnen. Er hat seinen Zuschnitt zwar
verändert, aber in der That nicht verbessert. Die gut gelegenen Grundstücke
der großen Städte bedürfen für ihre wirklich sichern Hypotheken der Bodcnlredit-
cmstaltcu nicht. Ihre Besitzer gehen diesen aus dem Wege, weil sie die Unkosten,
welche jene verlangen, nicht zu zahlen brauchen. Für eine gute, insbesondre
für eine erste städtische Hypothek ist ein niedriger Zinsfuß erreichbar, der nur
von deu jeweiligen Schwankungen des großen Geldmarktes beeinflußt wird und
zu diesem in einer stetigen Wechselbeziehung steht. Ländliche Hypotheken sind
den Hypothekcngesellschaften immer wenig sympathisch und stehen aus vielen
Gründen für die Geschäftsgebahrung derselben in zweiter oder dritter Linie.
Ihr Hauptgeschäft beschränkt sich auf die weniger guten abgelegenen und am
allermeisten auf die suburbcmen Grundstücke der großen Städte. Bei diesen,
insbesondre bei denjenigen, welche erst bebaut werden, ist sür den Leichtsinn auf
Seiten der Geldsucher ebenso wie für die wucherische Habsucht der Geldgeber
ein üppiges Feld geboten, und man kann sagen, dieses Gebiet der wucherischer
Geldverleihung auf suburbane Grundstücke der großen Städte des Landes ist
das eigentliche Feld für die Thätigkeit der meisten Hypothekenbanken geworden.
Das ist jahrelang nicht hinreichend bekannt gewesen. Man hat in politischen
Kreisen, in der Sphäre der Gesetzgebung diese Gesellschaften geraume Zeit un¬
richtig beurteilt, und vor zwei Jahren wäre beinahe die deutsche Reichsregieruug
bewogen worden, ihnen durch ein Gesetz eine Unterstützung zu gewähren, auf die
sie eine Art legitime" Anspruch zu habe" behaupteten. Glücklicherweise ist der
Entwurf zu einem Gesetze betreffend das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und
ähnliche Schuldverschreibungen, welches der Reichskanzler am 11. März 1879
dem Reichstage vorlegte, im Schoße eine Kommission begraben worden und hat
knie Aussicht auf Wiederaufgrabung, seitdem inzwischen eine bessere Einsicht
Platz gegriffen hat. Mau wollte den damaligen Niedergang der Verhältnisse
teuer Gesellschaften in der Unsicherheit finden, die über das Pfandrecht an den
Hypotheken für die darauf emittirten Schuldverschreibungen bestand. Es hat
sich aber seitdem ergeben, daß dieses Pfandrecht für die Schuldverschreibungen
Milz nebensächlich ist, wenn die Hypotheken wirkliche Sicherheit bieten, und daß


Grenzboten 1. 1882. 18
Der Grundkredit in Preußen.

auf Irrtum beruhten. Kein einziges der drei erhofften segensreichen Resultate
ist erreicht worden, nicht einmal das der vorteilhaften Verzinsung der Aktien¬
kapitalien, die sich mit wenigen Ausnahmen eine Reihe schlechter Jahrgänge ge¬
fallen lassen mußten, und deren Besitzer in einzelnen Fällen die üble Erfahrung
gemacht haben, daß sie jahrelang ihre Dividenden gewissermaßen aus dem Ka¬
pitale bezogen hatten. Die Pfandbriefe gelten keineswegs durchweg als solide Papiere.
Nur bei deu wenigen Gesellschaften, die sich einer vorsichtigen und soliden Lei¬
tung erfreuen, sind sie aus dieser Ursache ein beliebtes Aulagepapier geworden,
ohne aber davor geschützt zu sein, daß eine wiederkehrende Deroute der großen
Mehrzahl auch sie in Mitleidenschaft zieht.

Am wenigsten hat der Grundkredit gewonnen. Er hat seinen Zuschnitt zwar
verändert, aber in der That nicht verbessert. Die gut gelegenen Grundstücke
der großen Städte bedürfen für ihre wirklich sichern Hypotheken der Bodcnlredit-
cmstaltcu nicht. Ihre Besitzer gehen diesen aus dem Wege, weil sie die Unkosten,
welche jene verlangen, nicht zu zahlen brauchen. Für eine gute, insbesondre
für eine erste städtische Hypothek ist ein niedriger Zinsfuß erreichbar, der nur
von deu jeweiligen Schwankungen des großen Geldmarktes beeinflußt wird und
zu diesem in einer stetigen Wechselbeziehung steht. Ländliche Hypotheken sind
den Hypothekcngesellschaften immer wenig sympathisch und stehen aus vielen
Gründen für die Geschäftsgebahrung derselben in zweiter oder dritter Linie.
Ihr Hauptgeschäft beschränkt sich auf die weniger guten abgelegenen und am
allermeisten auf die suburbcmen Grundstücke der großen Städte. Bei diesen,
insbesondre bei denjenigen, welche erst bebaut werden, ist sür den Leichtsinn auf
Seiten der Geldsucher ebenso wie für die wucherische Habsucht der Geldgeber
ein üppiges Feld geboten, und man kann sagen, dieses Gebiet der wucherischer
Geldverleihung auf suburbane Grundstücke der großen Städte des Landes ist
das eigentliche Feld für die Thätigkeit der meisten Hypothekenbanken geworden.
Das ist jahrelang nicht hinreichend bekannt gewesen. Man hat in politischen
Kreisen, in der Sphäre der Gesetzgebung diese Gesellschaften geraume Zeit un¬
richtig beurteilt, und vor zwei Jahren wäre beinahe die deutsche Reichsregieruug
bewogen worden, ihnen durch ein Gesetz eine Unterstützung zu gewähren, auf die
sie eine Art legitime» Anspruch zu habe» behaupteten. Glücklicherweise ist der
Entwurf zu einem Gesetze betreffend das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und
ähnliche Schuldverschreibungen, welches der Reichskanzler am 11. März 1879
dem Reichstage vorlegte, im Schoße eine Kommission begraben worden und hat
knie Aussicht auf Wiederaufgrabung, seitdem inzwischen eine bessere Einsicht
Platz gegriffen hat. Mau wollte den damaligen Niedergang der Verhältnisse
teuer Gesellschaften in der Unsicherheit finden, die über das Pfandrecht an den
Hypotheken für die darauf emittirten Schuldverschreibungen bestand. Es hat
sich aber seitdem ergeben, daß dieses Pfandrecht für die Schuldverschreibungen
Milz nebensächlich ist, wenn die Hypotheken wirkliche Sicherheit bieten, und daß


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[0145] Der Grundkredit in Preußen. auf Irrtum beruhten. Kein einziges der drei erhofften segensreichen Resultate ist erreicht worden, nicht einmal das der vorteilhaften Verzinsung der Aktien¬ kapitalien, die sich mit wenigen Ausnahmen eine Reihe schlechter Jahrgänge ge¬ fallen lassen mußten, und deren Besitzer in einzelnen Fällen die üble Erfahrung gemacht haben, daß sie jahrelang ihre Dividenden gewissermaßen aus dem Ka¬ pitale bezogen hatten. Die Pfandbriefe gelten keineswegs durchweg als solide Papiere. Nur bei deu wenigen Gesellschaften, die sich einer vorsichtigen und soliden Lei¬ tung erfreuen, sind sie aus dieser Ursache ein beliebtes Aulagepapier geworden, ohne aber davor geschützt zu sein, daß eine wiederkehrende Deroute der großen Mehrzahl auch sie in Mitleidenschaft zieht. Am wenigsten hat der Grundkredit gewonnen. Er hat seinen Zuschnitt zwar verändert, aber in der That nicht verbessert. Die gut gelegenen Grundstücke der großen Städte bedürfen für ihre wirklich sichern Hypotheken der Bodcnlredit- cmstaltcu nicht. Ihre Besitzer gehen diesen aus dem Wege, weil sie die Unkosten, welche jene verlangen, nicht zu zahlen brauchen. Für eine gute, insbesondre für eine erste städtische Hypothek ist ein niedriger Zinsfuß erreichbar, der nur von deu jeweiligen Schwankungen des großen Geldmarktes beeinflußt wird und zu diesem in einer stetigen Wechselbeziehung steht. Ländliche Hypotheken sind den Hypothekcngesellschaften immer wenig sympathisch und stehen aus vielen Gründen für die Geschäftsgebahrung derselben in zweiter oder dritter Linie. Ihr Hauptgeschäft beschränkt sich auf die weniger guten abgelegenen und am allermeisten auf die suburbcmen Grundstücke der großen Städte. Bei diesen, insbesondre bei denjenigen, welche erst bebaut werden, ist sür den Leichtsinn auf Seiten der Geldsucher ebenso wie für die wucherische Habsucht der Geldgeber ein üppiges Feld geboten, und man kann sagen, dieses Gebiet der wucherischer Geldverleihung auf suburbane Grundstücke der großen Städte des Landes ist das eigentliche Feld für die Thätigkeit der meisten Hypothekenbanken geworden. Das ist jahrelang nicht hinreichend bekannt gewesen. Man hat in politischen Kreisen, in der Sphäre der Gesetzgebung diese Gesellschaften geraume Zeit un¬ richtig beurteilt, und vor zwei Jahren wäre beinahe die deutsche Reichsregieruug bewogen worden, ihnen durch ein Gesetz eine Unterstützung zu gewähren, auf die sie eine Art legitime» Anspruch zu habe» behaupteten. Glücklicherweise ist der Entwurf zu einem Gesetze betreffend das Faustpfandrecht für Pfandbriefe und ähnliche Schuldverschreibungen, welches der Reichskanzler am 11. März 1879 dem Reichstage vorlegte, im Schoße eine Kommission begraben worden und hat knie Aussicht auf Wiederaufgrabung, seitdem inzwischen eine bessere Einsicht Platz gegriffen hat. Mau wollte den damaligen Niedergang der Verhältnisse teuer Gesellschaften in der Unsicherheit finden, die über das Pfandrecht an den Hypotheken für die darauf emittirten Schuldverschreibungen bestand. Es hat sich aber seitdem ergeben, daß dieses Pfandrecht für die Schuldverschreibungen Milz nebensächlich ist, wenn die Hypotheken wirkliche Sicherheit bieten, und daß Grenzboten 1. 1882. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/145>, abgerufen am 23.07.2024.