Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Paul Linda", um dich zu verstehe", deshalb behalte du deine Meinung für dich. Rede So etwa muß sei" Verstand zu ihm gesprochen haben, denn Lindaus litte¬ Lindau wich also von den" Pfade ab, den die Natur ihm vorgezeichnet Ärcnzbolcn I. 1882, 17
Paul Linda», um dich zu verstehe», deshalb behalte du deine Meinung für dich. Rede So etwa muß sei» Verstand zu ihm gesprochen haben, denn Lindaus litte¬ Lindau wich also von den» Pfade ab, den die Natur ihm vorgezeichnet Ärcnzbolcn I. 1882, 17
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0137" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86258"/> <fw type="header" place="top"> Paul Linda»,</fw><lb/> <p xml:id="ID_521" prev="#ID_520"> um dich zu verstehe», deshalb behalte du deine Meinung für dich. Rede<lb/> so, daß die Welt für dich ist, und da du eiuiual Satiriker bist, so geißele uur<lb/> solche Schwache», die der Welt selbst als Schwäche» erscheinen. Schlag Puppe»<lb/> die Köpfe ab, das nimmt die Welt »icht übel, aber hüte dich, Männer z» ver¬<lb/> letzen, die wieder schlagen könnten. Und wo dn es nicht vermeiden kannst,<lb/> Männer anzugreifen, da greife sie wenigstens nicht a» der Stelle an, wo sie<lb/> um empfindlichste» sind, sonder» tadle Eigenschaften, bei denen der Tadel<lb/> harmlos ist. Du kannst in der Litteratur ein großes Licht werde», lieber Paul,<lb/> u»d kannst eine enorme Rente ans deiner Arbeit ziehen, wenn du es verstehst,<lb/> so zu kritisiren, daß es der Menge schmeichelt »»d daß die Bahnwärter'der<lb/> öffeiitliche» Meinung dir halb geneigt sind und sich halb vor deiner scharfen Feder<lb/> fürchten. D» hast G»tzkow eine Schmarre übers Gesicht gezoge», die von der<lb/> Stir» bis zum Kinn läuft, du hast Rudolf Gottschall ein Ohr abgehauen, du<lb/> hast Julian Schmidt ernstlich verletzt, du hast Gustav Freytag eine leichte Streif-<lb/> wunde beigebracht, außerdem noch einige andre Leute angeschossen. Damit ist<lb/> es genug, die Welt weiß, wer du bist, höre jetzt auf und bedenke, daß viele Hunde<lb/> des Hasen Tod sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_522"> So etwa muß sei» Verstand zu ihm gesprochen haben, denn Lindaus litte¬<lb/> rarisches Be»ahnen erlitt eine Wandlung, wie sie einem wohlberatcne» und ver¬<lb/> nünftigen Manne zukam. Er nahm eine Änderung mit seine»: Wappe» vor<lb/> »»d schrieb als Devise hinein: (juiäc-uiä ÄZis, pruäöntor g.»'a,s et ronnie-s linsen.<lb/> Nur für Lindaus Genius war diese vernünftige Wandlung kein gutes Zeiche».<lb/> El» Ge»i»s, der auf die Stimme des alltägliche» Verstandes Hort, kann un¬<lb/> möglich ersten Ranges sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_523" next="#ID_524"> Lindau wich also von den» Pfade ab, den die Natur ihm vorgezeichnet<lb/> hatte, und die Strafe folgte auf dem Fuße. Er mochte sich selber eingeredet<lb/> haben — oder seine Freunde hatten es gethan — er sei ein Dichter. So fing<lb/> er an zu dichten und schrieb eine Reihe von Schauspielen und Lustspielen. Über<lb/> diese Werke zu urteilen, bereitet Schwierigkeiten eigner Art. Es läßt sich nicht<lb/> leugnen, daß auf der eiuen Seite Lindaus Art der Produktion etwas Liebens¬<lb/> würdiges hat. Es giebt Schriftsteller, welche, ehe sie etwas sagen, sich mit<lb/> großen Augen umsehe», ob auch Gott u»d die Welt da sind, um genau zuzu¬<lb/> hören, die dann den Mund weit, weit aufthun, eine Abgeschmacktheit vorbringe»,<lb/> die Hände über dein Bauch falten und mit selbstzufriedenem Blick vor sich hiu<lb/> blinzeln. Das ist z. B. die Art Auerbachs. Bei Linda» ist Wohl das gerade<lb/> Gegenteil der Fall. Wenn er was abgeschmacktes sagt, moauirt er sich innerlich<lb/> über die Leute, denen es imponirt. So keck er auftritt — er ist innerlich be¬<lb/> scheiden. Es ist nicht seine Natur, sich zu überschätze». Er keimt die Welt,<lb/> und er weiß, daß die Dreistigkeit Glück macht. Darum stellt er sich dreist um,<lb/> aber er ist zu gescheidt, »in sich, schwache Stunde» ausgenommen, für etwas<lb/> Großes zu halten. Nach mancher seiner Szene» hat der Zuschauer das Gefühl,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Ärcnzbolcn I. 1882, 17</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Paul Linda»,
um dich zu verstehe», deshalb behalte du deine Meinung für dich. Rede
so, daß die Welt für dich ist, und da du eiuiual Satiriker bist, so geißele uur
solche Schwache», die der Welt selbst als Schwäche» erscheinen. Schlag Puppe»
die Köpfe ab, das nimmt die Welt »icht übel, aber hüte dich, Männer z» ver¬
letzen, die wieder schlagen könnten. Und wo dn es nicht vermeiden kannst,
Männer anzugreifen, da greife sie wenigstens nicht a» der Stelle an, wo sie
um empfindlichste» sind, sonder» tadle Eigenschaften, bei denen der Tadel
harmlos ist. Du kannst in der Litteratur ein großes Licht werde», lieber Paul,
u»d kannst eine enorme Rente ans deiner Arbeit ziehen, wenn du es verstehst,
so zu kritisiren, daß es der Menge schmeichelt »»d daß die Bahnwärter'der
öffeiitliche» Meinung dir halb geneigt sind und sich halb vor deiner scharfen Feder
fürchten. D» hast G»tzkow eine Schmarre übers Gesicht gezoge», die von der
Stir» bis zum Kinn läuft, du hast Rudolf Gottschall ein Ohr abgehauen, du
hast Julian Schmidt ernstlich verletzt, du hast Gustav Freytag eine leichte Streif-
wunde beigebracht, außerdem noch einige andre Leute angeschossen. Damit ist
es genug, die Welt weiß, wer du bist, höre jetzt auf und bedenke, daß viele Hunde
des Hasen Tod sind.
So etwa muß sei» Verstand zu ihm gesprochen haben, denn Lindaus litte¬
rarisches Be»ahnen erlitt eine Wandlung, wie sie einem wohlberatcne» und ver¬
nünftigen Manne zukam. Er nahm eine Änderung mit seine»: Wappe» vor
»»d schrieb als Devise hinein: (juiäc-uiä ÄZis, pruäöntor g.»'a,s et ronnie-s linsen.
Nur für Lindaus Genius war diese vernünftige Wandlung kein gutes Zeiche».
El» Ge»i»s, der auf die Stimme des alltägliche» Verstandes Hort, kann un¬
möglich ersten Ranges sein.
Lindau wich also von den» Pfade ab, den die Natur ihm vorgezeichnet
hatte, und die Strafe folgte auf dem Fuße. Er mochte sich selber eingeredet
haben — oder seine Freunde hatten es gethan — er sei ein Dichter. So fing
er an zu dichten und schrieb eine Reihe von Schauspielen und Lustspielen. Über
diese Werke zu urteilen, bereitet Schwierigkeiten eigner Art. Es läßt sich nicht
leugnen, daß auf der eiuen Seite Lindaus Art der Produktion etwas Liebens¬
würdiges hat. Es giebt Schriftsteller, welche, ehe sie etwas sagen, sich mit
großen Augen umsehe», ob auch Gott u»d die Welt da sind, um genau zuzu¬
hören, die dann den Mund weit, weit aufthun, eine Abgeschmacktheit vorbringe»,
die Hände über dein Bauch falten und mit selbstzufriedenem Blick vor sich hiu
blinzeln. Das ist z. B. die Art Auerbachs. Bei Linda» ist Wohl das gerade
Gegenteil der Fall. Wenn er was abgeschmacktes sagt, moauirt er sich innerlich
über die Leute, denen es imponirt. So keck er auftritt — er ist innerlich be¬
scheiden. Es ist nicht seine Natur, sich zu überschätze». Er keimt die Welt,
und er weiß, daß die Dreistigkeit Glück macht. Darum stellt er sich dreist um,
aber er ist zu gescheidt, »in sich, schwache Stunde» ausgenommen, für etwas
Großes zu halten. Nach mancher seiner Szene» hat der Zuschauer das Gefühl,
Ärcnzbolcn I. 1882, 17
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