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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

sich zu seinem Vater nach Glasgow begeben wollte, brach plötzlich eine Krankheit
bei ihm ans, die er offenbar einer verräterischen That verdankte, die jedoch von
der Königin als Blattern bezeichnet wurde. Während aber der König totkrank
in Glasgow lag, feierte die Königin mit Bothwell auf den Schlössern von
Drumond und Tullibardine Orgien, bei welchen Scham und Anstand leere Be¬
griffe waren. Kurze Zeit darauf beging sie eine neue Schandthat. Sie schleppte
ihr kaum sieben Monate altes Söhnchen mitten im tiefsten Winter von Stirling
nach Edinburg und gab ihm hier ein Gift ein, das freilich nicht tötlich wirkte.
In Edinburg wurde darauf der Mordplau geschmiedet, Daruley aus Glasgow
zu holen, um ihn in dem Hanse auf Kirk of Field durch eine Pulverexplosion
zu töten. Den schnödesten Verrat im Herzen kam Maria zu Darnley, spielte
die Versöhnte und führte den Gemahl mit sich nach Edinburg. Dort kam es
zu der ungeheuren That. Während Maria ans einem Hochzeitsfest sich belustigte,
brachte ihr Geliebter, Bothwell, den König um. Anfänglich zeigte sich Maria
gleichgiltig. Erst später heuchelte sie Trauer und schloß sich ein. Zum Scheine
wurde auf die Entdeckung des Thäters eine Belohnung ausgesetzt, aber in der
That wurde nichts gethan, um deu Verbrechern auf die Spur zu kommen. Ja
"Bvthwell erhielt einstweilen die Güter Darnleys, anch schenkte sie ihm die
Waffen, Pferde und Kleider desselben, die übrigen Gegenstände des Ermordete"
erhielt teils ebenfalls Bvthwell, teils die andern Mörder, oder die Feinde des
Grafen von Lennox, des Vaters Darnleys. Es war gerade, als wenn alles
konfiszirt worden wäre."

In dieser Weise geht die Schilderung der Detootio BuchananS weiter. Maria
läßt sich endlich von Bothwcll, nachdem er in possenhafter Weise von jedem
Verdachte freigesprochen worden ist, zum Scheine entführen und reicht dann dem
längst ersehnten Manne die Hand zur Ehe.

Nach der vsttzotio wäre der Beweis geliefert, daß Maria eine Leidenschaft
zu Bothwell gefaßt hatte und diesen benutzte, um den ungeliebten Darnley, den
sie seit Niccios Ermordung bitter haßte, zu beseitigen. Was die voteotio sagte,
wurde aber auf guten Glauben angenommen. Bald wurde sie geradezu als
Quelle benutzt. So finden wir sie z. B. fast wörtlich in einem in jenen Jahren
geschriebenen Geschichtswerke wieder, den Uizinoires et"z l'U-stAt- as ?rare<z sou8
(Umriss IX. In Wörtlicher Wiedergabe finden wir sie auch in der seiner Zeit
hochberühmten Ksium 8c.ottieg.rum Historm von George Bnchcmcin, welche im
Jahre 1582 in Edinburg erschien. Ebenso wird der Einfluß der vetootio bei
einem berühmten zeitgenössischen Autor, der uoch bis auf deu heutige" Tag für
eine sehr glaubwürdige Quelle bezüglich Marias gilt, ersichtlich, in der Historv
ok tue Reformation in Lootlmiä vou John Knox. Doch hat es Knox ver¬
standen, auch ohne Hilfe der veteetio zu verleumden und die Thatsachen zu
Ungunsten Marias zu entstellen. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß der
große Reformator die katholische Königl" vo" Herzensgrund haßte, daß er


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Die Lösung der Maria Stuart-Frage.

sich zu seinem Vater nach Glasgow begeben wollte, brach plötzlich eine Krankheit
bei ihm ans, die er offenbar einer verräterischen That verdankte, die jedoch von
der Königin als Blattern bezeichnet wurde. Während aber der König totkrank
in Glasgow lag, feierte die Königin mit Bothwell auf den Schlössern von
Drumond und Tullibardine Orgien, bei welchen Scham und Anstand leere Be¬
griffe waren. Kurze Zeit darauf beging sie eine neue Schandthat. Sie schleppte
ihr kaum sieben Monate altes Söhnchen mitten im tiefsten Winter von Stirling
nach Edinburg und gab ihm hier ein Gift ein, das freilich nicht tötlich wirkte.
In Edinburg wurde darauf der Mordplau geschmiedet, Daruley aus Glasgow
zu holen, um ihn in dem Hanse auf Kirk of Field durch eine Pulverexplosion
zu töten. Den schnödesten Verrat im Herzen kam Maria zu Darnley, spielte
die Versöhnte und führte den Gemahl mit sich nach Edinburg. Dort kam es
zu der ungeheuren That. Während Maria ans einem Hochzeitsfest sich belustigte,
brachte ihr Geliebter, Bothwell, den König um. Anfänglich zeigte sich Maria
gleichgiltig. Erst später heuchelte sie Trauer und schloß sich ein. Zum Scheine
wurde auf die Entdeckung des Thäters eine Belohnung ausgesetzt, aber in der
That wurde nichts gethan, um deu Verbrechern auf die Spur zu kommen. Ja
„Bvthwell erhielt einstweilen die Güter Darnleys, anch schenkte sie ihm die
Waffen, Pferde und Kleider desselben, die übrigen Gegenstände des Ermordete»
erhielt teils ebenfalls Bvthwell, teils die andern Mörder, oder die Feinde des
Grafen von Lennox, des Vaters Darnleys. Es war gerade, als wenn alles
konfiszirt worden wäre."

In dieser Weise geht die Schilderung der Detootio BuchananS weiter. Maria
läßt sich endlich von Bothwcll, nachdem er in possenhafter Weise von jedem
Verdachte freigesprochen worden ist, zum Scheine entführen und reicht dann dem
längst ersehnten Manne die Hand zur Ehe.

Nach der vsttzotio wäre der Beweis geliefert, daß Maria eine Leidenschaft
zu Bothwell gefaßt hatte und diesen benutzte, um den ungeliebten Darnley, den
sie seit Niccios Ermordung bitter haßte, zu beseitigen. Was die voteotio sagte,
wurde aber auf guten Glauben angenommen. Bald wurde sie geradezu als
Quelle benutzt. So finden wir sie z. B. fast wörtlich in einem in jenen Jahren
geschriebenen Geschichtswerke wieder, den Uizinoires et«z l'U-stAt- as ?rare<z sou8
(Umriss IX. In Wörtlicher Wiedergabe finden wir sie auch in der seiner Zeit
hochberühmten Ksium 8c.ottieg.rum Historm von George Bnchcmcin, welche im
Jahre 1582 in Edinburg erschien. Ebenso wird der Einfluß der vetootio bei
einem berühmten zeitgenössischen Autor, der uoch bis auf deu heutige» Tag für
eine sehr glaubwürdige Quelle bezüglich Marias gilt, ersichtlich, in der Historv
ok tue Reformation in Lootlmiä vou John Knox. Doch hat es Knox ver¬
standen, auch ohne Hilfe der veteetio zu verleumden und die Thatsachen zu
Ungunsten Marias zu entstellen. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß der
große Reformator die katholische Königl» vo» Herzensgrund haßte, daß er


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[0129] Die Lösung der Maria Stuart-Frage. sich zu seinem Vater nach Glasgow begeben wollte, brach plötzlich eine Krankheit bei ihm ans, die er offenbar einer verräterischen That verdankte, die jedoch von der Königin als Blattern bezeichnet wurde. Während aber der König totkrank in Glasgow lag, feierte die Königin mit Bothwell auf den Schlössern von Drumond und Tullibardine Orgien, bei welchen Scham und Anstand leere Be¬ griffe waren. Kurze Zeit darauf beging sie eine neue Schandthat. Sie schleppte ihr kaum sieben Monate altes Söhnchen mitten im tiefsten Winter von Stirling nach Edinburg und gab ihm hier ein Gift ein, das freilich nicht tötlich wirkte. In Edinburg wurde darauf der Mordplau geschmiedet, Daruley aus Glasgow zu holen, um ihn in dem Hanse auf Kirk of Field durch eine Pulverexplosion zu töten. Den schnödesten Verrat im Herzen kam Maria zu Darnley, spielte die Versöhnte und führte den Gemahl mit sich nach Edinburg. Dort kam es zu der ungeheuren That. Während Maria ans einem Hochzeitsfest sich belustigte, brachte ihr Geliebter, Bothwell, den König um. Anfänglich zeigte sich Maria gleichgiltig. Erst später heuchelte sie Trauer und schloß sich ein. Zum Scheine wurde auf die Entdeckung des Thäters eine Belohnung ausgesetzt, aber in der That wurde nichts gethan, um deu Verbrechern auf die Spur zu kommen. Ja „Bvthwell erhielt einstweilen die Güter Darnleys, anch schenkte sie ihm die Waffen, Pferde und Kleider desselben, die übrigen Gegenstände des Ermordete» erhielt teils ebenfalls Bvthwell, teils die andern Mörder, oder die Feinde des Grafen von Lennox, des Vaters Darnleys. Es war gerade, als wenn alles konfiszirt worden wäre." In dieser Weise geht die Schilderung der Detootio BuchananS weiter. Maria läßt sich endlich von Bothwcll, nachdem er in possenhafter Weise von jedem Verdachte freigesprochen worden ist, zum Scheine entführen und reicht dann dem längst ersehnten Manne die Hand zur Ehe. Nach der vsttzotio wäre der Beweis geliefert, daß Maria eine Leidenschaft zu Bothwell gefaßt hatte und diesen benutzte, um den ungeliebten Darnley, den sie seit Niccios Ermordung bitter haßte, zu beseitigen. Was die voteotio sagte, wurde aber auf guten Glauben angenommen. Bald wurde sie geradezu als Quelle benutzt. So finden wir sie z. B. fast wörtlich in einem in jenen Jahren geschriebenen Geschichtswerke wieder, den Uizinoires et«z l'U-stAt- as ?rare<z sou8 (Umriss IX. In Wörtlicher Wiedergabe finden wir sie auch in der seiner Zeit hochberühmten Ksium 8c.ottieg.rum Historm von George Bnchcmcin, welche im Jahre 1582 in Edinburg erschien. Ebenso wird der Einfluß der vetootio bei einem berühmten zeitgenössischen Autor, der uoch bis auf deu heutige» Tag für eine sehr glaubwürdige Quelle bezüglich Marias gilt, ersichtlich, in der Historv ok tue Reformation in Lootlmiä vou John Knox. Doch hat es Knox ver¬ standen, auch ohne Hilfe der veteetio zu verleumden und die Thatsachen zu Ungunsten Marias zu entstellen. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß der große Reformator die katholische Königl» vo» Herzensgrund haßte, daß er Grenzboten 1. 1»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/129>, abgerufen am 22.07.2024.