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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags.

gegenüber der starke" Neigung der Mehrzahl der Franzosen zu einer schntz-
zöllnerischen Politik -- einer Neigung, die sich durchaus nicht belehren ließ, daß,
nach den Handelsberichten zu schließen, Frankreich und nicht England von dem
bisherigen Handelsverträge den meisten Gewinn gehabt habe.

Das französische Kabinet kam den britischen Kommissären allerdings in
Betreff der Hauptforderung einigermaßen entgegen, indem es eine nicht sehr be¬
deutende Herabsetzung der neuen spezifischen Zölle ans baumwollene Waaren zu¬
gestehen wollte, aber diese Konzession bezog sich hauptsächlich auf die feineren
Gattungen dieser Waaren, wo Frankreich die Konkurrenz Englands wenig oder
gar nicht zu fürchten hat. Noch mehr näherte man sich von seiten der Fran¬
zosen dein Niveau der englischen Ansprüche in Bezug auf die gemischten Wollen-
stoffe. Hier wurde statt des praktisch prohibitiven Zolls, der anfänglich für
wohlfeile Waaren dieser Art aufgestellt worden, eine niedrigere Zollstufe ange¬
boten, doch erschien mich diese den englischen Unterhändlern als bedenkliche Schranke
für die von ihnen vertretenen Interessen und Absichten und somit als unan¬
nehmbar. Keins von beiden Zugeständnissen erreichte das Minimum der eng¬
lischen Ansprüche. Diese liefen auf einen Vertrag hinaus, der womöglich vor¬
teilhafter für die englischen Fabrikanten sein sollte als der bisherige, die Franzosen
aber wollten nur in einen weniger vorteilhaften willigen, sie wollten besser als
in den letzten beiden Jahrzehnten gegen die Macht und die Ausbeutungsgelüste
der britischen Grvßindnstrie geschützt sein. Wenn sie zu diesem Zwecke spezifische
Zölle an die Stelle von Wertzöllen gesetzt wissen wollten, so erklärten sich die
englischen Kommissäre von vornherein dagegen. Jener Plan umfaßte eine große
Anzahl von Artikeln, die, wie z. B. Wollen- und Baumwollenstoffe, unes Qualität
und Wert sehr verschieden sind, und er hatte die sehr deutlich erkennbare Tendenz,
von der Einfuhr der wohlfeileren Gattungen abzuschrecken, bei denen England
Frankreich wie allen andern industriellen Ländern weit voraus ist. Die Eng¬
länder blieben indeß nicht bei ihrer Abneigung vor spezifischen Zöllen, sie erklärten
sich bereit, über solche zu verhandeln, als die französischen Sachverständigen sich
erboten, nachzuweisen, daß der neue Tarif zwar in der Form eine Änderung,
in Geist und Wesen aber ein Äquivalent des alten Wertzvlltarifs sei. Die
letzten Besprechungen der Kommissäre richteten sich infolgedessen auf eine Prüfung
dieser Behauptung, und die englischen Delegirten, zu denen einige bei den be¬
treffenden Industriezweigen beteiligte Fachleute gehörten, gelangten zu der Ansicht,
daß dieselbe nicht begründet sei, sie erklärten einstimmig, daß die neuen Zölle von
den französischen Märkten Waaren fernhalten würden, die jetzt Zutritt zu den¬
selben haben. Eine solche Umgestaltung der Verhältnisse erschien ihnen unzu¬
lässig. Zu Anfang war England bereit, entweder pure den alten Vertrag oder
einen der Wirkung desselben gleichkommenden Zustand gutzuheißen oder auch
einen niedrigern französischen Tarif, erkauft durch englischerseits erfolgte Herab¬
setzung der Zölle auf französische Weine, anzunehmen. Da aber weder das eine


Das Scheitern des englisch-französischen Handelsvertrags.

gegenüber der starke» Neigung der Mehrzahl der Franzosen zu einer schntz-
zöllnerischen Politik — einer Neigung, die sich durchaus nicht belehren ließ, daß,
nach den Handelsberichten zu schließen, Frankreich und nicht England von dem
bisherigen Handelsverträge den meisten Gewinn gehabt habe.

Das französische Kabinet kam den britischen Kommissären allerdings in
Betreff der Hauptforderung einigermaßen entgegen, indem es eine nicht sehr be¬
deutende Herabsetzung der neuen spezifischen Zölle ans baumwollene Waaren zu¬
gestehen wollte, aber diese Konzession bezog sich hauptsächlich auf die feineren
Gattungen dieser Waaren, wo Frankreich die Konkurrenz Englands wenig oder
gar nicht zu fürchten hat. Noch mehr näherte man sich von seiten der Fran¬
zosen dein Niveau der englischen Ansprüche in Bezug auf die gemischten Wollen-
stoffe. Hier wurde statt des praktisch prohibitiven Zolls, der anfänglich für
wohlfeile Waaren dieser Art aufgestellt worden, eine niedrigere Zollstufe ange¬
boten, doch erschien mich diese den englischen Unterhändlern als bedenkliche Schranke
für die von ihnen vertretenen Interessen und Absichten und somit als unan¬
nehmbar. Keins von beiden Zugeständnissen erreichte das Minimum der eng¬
lischen Ansprüche. Diese liefen auf einen Vertrag hinaus, der womöglich vor¬
teilhafter für die englischen Fabrikanten sein sollte als der bisherige, die Franzosen
aber wollten nur in einen weniger vorteilhaften willigen, sie wollten besser als
in den letzten beiden Jahrzehnten gegen die Macht und die Ausbeutungsgelüste
der britischen Grvßindnstrie geschützt sein. Wenn sie zu diesem Zwecke spezifische
Zölle an die Stelle von Wertzöllen gesetzt wissen wollten, so erklärten sich die
englischen Kommissäre von vornherein dagegen. Jener Plan umfaßte eine große
Anzahl von Artikeln, die, wie z. B. Wollen- und Baumwollenstoffe, unes Qualität
und Wert sehr verschieden sind, und er hatte die sehr deutlich erkennbare Tendenz,
von der Einfuhr der wohlfeileren Gattungen abzuschrecken, bei denen England
Frankreich wie allen andern industriellen Ländern weit voraus ist. Die Eng¬
länder blieben indeß nicht bei ihrer Abneigung vor spezifischen Zöllen, sie erklärten
sich bereit, über solche zu verhandeln, als die französischen Sachverständigen sich
erboten, nachzuweisen, daß der neue Tarif zwar in der Form eine Änderung,
in Geist und Wesen aber ein Äquivalent des alten Wertzvlltarifs sei. Die
letzten Besprechungen der Kommissäre richteten sich infolgedessen auf eine Prüfung
dieser Behauptung, und die englischen Delegirten, zu denen einige bei den be¬
treffenden Industriezweigen beteiligte Fachleute gehörten, gelangten zu der Ansicht,
daß dieselbe nicht begründet sei, sie erklärten einstimmig, daß die neuen Zölle von
den französischen Märkten Waaren fernhalten würden, die jetzt Zutritt zu den¬
selben haben. Eine solche Umgestaltung der Verhältnisse erschien ihnen unzu¬
lässig. Zu Anfang war England bereit, entweder pure den alten Vertrag oder
einen der Wirkung desselben gleichkommenden Zustand gutzuheißen oder auch
einen niedrigern französischen Tarif, erkauft durch englischerseits erfolgte Herab¬
setzung der Zölle auf französische Weine, anzunehmen. Da aber weder das eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/118>, abgerufen am 03.07.2024.