Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.Dus verflossene Jahr. dritte im Bunde zu sein. Der Grund war leicht zu sehen. Der Staatszuschuß Von geringerer Bedeutung im Vergleich zu dem Versuch, eiuen Anfang zur Dus verflossene Jahr. dritte im Bunde zu sein. Der Grund war leicht zu sehen. Der Staatszuschuß Von geringerer Bedeutung im Vergleich zu dem Versuch, eiuen Anfang zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0011" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/86132"/> <fw type="header" place="top"> Dus verflossene Jahr.</fw><lb/> <p xml:id="ID_13" prev="#ID_12"> dritte im Bunde zu sein. Der Grund war leicht zu sehen. Der Staatszuschuß<lb/> wäre dem Staate zu gute gekommen, dem Reiche, das sich mit demselben die<lb/> Sympathie der arbeitenden Klassen gewonnen hätte, und dies mußte auf jeden<lb/> Fall hintertrieben werden. Das Centrum will nicht, daß den Arbeitern eine<lb/> Wohlthat vom Staate komme, sie sollen eine Verbesserung ihrer Lage nur der Kirche,<lb/> deu Stiftungen und den Orden Roms verdanken. Die Fortschrittspartei stellte<lb/> der Regierungsvorlage einen eignen Gesetzentwurf gegenüber, der eine Erwei¬<lb/> terung des Haftpflichtgcsetzes sein wollte, aber aus der Regierungsvorlage seine<lb/> Grundgedanken entnahm. Die Versicherungslast sollte nach demselben von den<lb/> Unternehmern allein getragen werden, womit sowohl der Staatszuschuß als der<lb/> Beitrag der Arbeiter wegfiel. Ruch wollte die Partei die Arbeiter bis zur Lohn¬<lb/> höhe von 2000 Mark (die Regierungsvorlage sagte, bis zu 750 Mark) nur<lb/> von den Unternehmern versichert wissen. Dagegen enthielt ihr Entwurf zwar<lb/> die Vorschrift, daß dem Arbeiter für die Leistung der Entschädigung eine Sicher¬<lb/> heit geschaffen werden müsse, dieselbe brauchte aber in nichts zu bestehen als in<lb/> der Versicherung bei einer Privatgesellschaft, womit alle Streitigkeiten über den<lb/> Schaden der Verunglückten auf deu Rechtsweg verwiesen waren. Zuletzt gab<lb/> es im fortschrittliche« Gesetzvorschlag noch einen Artikel, nach welchem der zur<lb/> Entschädigung verpflichtete die Aufhebung oder Minderung der Rente fordern<lb/> konnte, wenn die Verhältnisse sich verändert hatten. Dieser Entwurf hätte das<lb/> Gegenteil von dem zur Folge gehabt, was im Interesse der Humanität und<lb/> der Selbsterhaltungspflicht zu schaffen war, er hätte den Klassenhaß verschärft,<lb/> statt ihn zu mildern, er hätte dem Streite zwischen Arbeitgebern und Arbeit¬<lb/> nehmern neue Nahrung zugeführt. Die Secessionisten verwarfen den Staats¬<lb/> zuschuß und wollten Konkurrenz der Privatgesellschaften neben der Reichsvcr-<lb/> sicheruugsciustalt.</p><lb/> <p xml:id="ID_14" next="#ID_15"> Von geringerer Bedeutung im Vergleich zu dem Versuch, eiuen Anfang zur<lb/> Losung der Arbeiterfrage zu machen, aber immerhin der Erinnerung wert war<lb/> die Rede des Kanzlers, mit der er bei Beratung des Gesetzentwurfs über die<lb/> Vestcueruug der Dienstwohnungen der Ncichsbeamtcn Gelegenheit nahm, die<lb/> Finanzverwaltung Berlins und deu „Fortschrittsring," der die Negie¬<lb/> rung der Reichshauptstadt beeinflußt, einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen.<lb/> Daß die Forschrittspartci, welche mit ebenso viel sittlicher Entrüstung als Ver¬<lb/> logenheit in der Presse wie auf,der Tribüne über den Druck deklamirte, den<lb/> die neuen Getreidezölle auf die ärmeren Klassen üben sollten, vermittelst ihrer<lb/> Werkzeuge in der Berliner Gemeindeverwaltung die Hälfte der direkten Auf¬<lb/> lagen Berlins in Form der Mietstener erhob, obgleich die Unbilligkeit dieser<lb/> Steuer auf der Hand lag und vom Magistrate selbst anerkannt worden war,<lb/> gehörte zu deu Jnkonsequenzen der Partei, an die sie sich nicht gern erinnern<lb/> ließ. Der Kanzler schilderte diese „ehrwürdigen" Mißstände mit der ihm eignen<lb/> Deutlichkeit und führte den Nachweis, daß die Fortschrittspartei, indem sie der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
Dus verflossene Jahr.
dritte im Bunde zu sein. Der Grund war leicht zu sehen. Der Staatszuschuß
wäre dem Staate zu gute gekommen, dem Reiche, das sich mit demselben die
Sympathie der arbeitenden Klassen gewonnen hätte, und dies mußte auf jeden
Fall hintertrieben werden. Das Centrum will nicht, daß den Arbeitern eine
Wohlthat vom Staate komme, sie sollen eine Verbesserung ihrer Lage nur der Kirche,
deu Stiftungen und den Orden Roms verdanken. Die Fortschrittspartei stellte
der Regierungsvorlage einen eignen Gesetzentwurf gegenüber, der eine Erwei¬
terung des Haftpflichtgcsetzes sein wollte, aber aus der Regierungsvorlage seine
Grundgedanken entnahm. Die Versicherungslast sollte nach demselben von den
Unternehmern allein getragen werden, womit sowohl der Staatszuschuß als der
Beitrag der Arbeiter wegfiel. Ruch wollte die Partei die Arbeiter bis zur Lohn¬
höhe von 2000 Mark (die Regierungsvorlage sagte, bis zu 750 Mark) nur
von den Unternehmern versichert wissen. Dagegen enthielt ihr Entwurf zwar
die Vorschrift, daß dem Arbeiter für die Leistung der Entschädigung eine Sicher¬
heit geschaffen werden müsse, dieselbe brauchte aber in nichts zu bestehen als in
der Versicherung bei einer Privatgesellschaft, womit alle Streitigkeiten über den
Schaden der Verunglückten auf deu Rechtsweg verwiesen waren. Zuletzt gab
es im fortschrittliche« Gesetzvorschlag noch einen Artikel, nach welchem der zur
Entschädigung verpflichtete die Aufhebung oder Minderung der Rente fordern
konnte, wenn die Verhältnisse sich verändert hatten. Dieser Entwurf hätte das
Gegenteil von dem zur Folge gehabt, was im Interesse der Humanität und
der Selbsterhaltungspflicht zu schaffen war, er hätte den Klassenhaß verschärft,
statt ihn zu mildern, er hätte dem Streite zwischen Arbeitgebern und Arbeit¬
nehmern neue Nahrung zugeführt. Die Secessionisten verwarfen den Staats¬
zuschuß und wollten Konkurrenz der Privatgesellschaften neben der Reichsvcr-
sicheruugsciustalt.
Von geringerer Bedeutung im Vergleich zu dem Versuch, eiuen Anfang zur
Losung der Arbeiterfrage zu machen, aber immerhin der Erinnerung wert war
die Rede des Kanzlers, mit der er bei Beratung des Gesetzentwurfs über die
Vestcueruug der Dienstwohnungen der Ncichsbeamtcn Gelegenheit nahm, die
Finanzverwaltung Berlins und deu „Fortschrittsring," der die Negie¬
rung der Reichshauptstadt beeinflußt, einer kritischen Beleuchtung zu unterziehen.
Daß die Forschrittspartci, welche mit ebenso viel sittlicher Entrüstung als Ver¬
logenheit in der Presse wie auf,der Tribüne über den Druck deklamirte, den
die neuen Getreidezölle auf die ärmeren Klassen üben sollten, vermittelst ihrer
Werkzeuge in der Berliner Gemeindeverwaltung die Hälfte der direkten Auf¬
lagen Berlins in Form der Mietstener erhob, obgleich die Unbilligkeit dieser
Steuer auf der Hand lag und vom Magistrate selbst anerkannt worden war,
gehörte zu deu Jnkonsequenzen der Partei, an die sie sich nicht gern erinnern
ließ. Der Kanzler schilderte diese „ehrwürdigen" Mißstände mit der ihm eignen
Deutlichkeit und führte den Nachweis, daß die Fortschrittspartei, indem sie der
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