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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

an Karikatur streifen und abstoßen. Was für die Kinder der Welt geschrieben
ist. das ist hente veraltet, und was er den Freunden der Kunst gesagt hat. hat
sich verzettelt und nicht Stil und Zusammenhang erhalten/') Schade, schade! Denn
Hiller, wir wiederholen es, besaß ein starkes, eignes Talent, eine umfassende
MusiMldnug und Kunstfertigkeit. Er war ein Mann von Geist und von Witz,
vielleicht von zuviel Witz und Heiueschcn Tendenzen. Ju seinen Etüden und
um Genrestück mag ihn die klavierspielende Welt ja aufsuchen, in seinen größer.,
Mavierlompositioncu -- das ..Konzert" in .Hochachtung ausgenommen -- mit
Reserve. Einzelne seiner Arbeiten für Klavier sind überhaupt wenig bekannt
geworden -- wie natürlich! Darunter rechnen wir die Sonate in einem Satze
(op- 78), welche einen jeuer obenerwähnten Versuche zur Auffindung neuer
Formen bildet und dem reinen Kunstgenuß. obwohl etwas bunt, einen reichen
Stoff kapriziös interessanter Natur bietet Dazu rechnen wir ferner seine Gha-
selen (op. 5.4) von denen namentlich die erste Nummer ausgezeichnet gelungen
ist- Reizend, 'prompt und immer von frischem erfrenlich tritt hier der Hnupt-
refrain in die Strophen ein. Die Form der Ghaselen ist von Haus aus musi¬
kalisch und von Alters her -- allerdings erweitert -- in der instrnmentaleu
Kunstmusik zur Anwendung gekommen, am deutlichsten in den italienischen Kon¬
zerten. Sie in die kleinen Grenzen des Genrestnckes zurückgeführt zu haben,
ist ein Verdienst Hillers, von welchem man sich hätte eine weiterhin nuregeude
Wirkung verspreche" dürfe", die sich bis jetzt noch nicht gezeigt hat. Verwandte
Unternehmungen, metrische Formen der Poesie in die musikalische Jnstrumental-
kompositiou zu übertrage", liegen allerdings vor. Anton Deprosse, em we¬
niger kraftvoller, aber im Sentimentalen sehr anziehender Komponist, der
mancherlei fiir Klavier geschrieben, hat in seinem ox. 21 (Vier Charakterstücke)
Ersucht, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Geßner in
ihren Weisen nachzuahmen. Der Ton der beiden Alten namentlich ist musikalisch
s^r gut getroffen Auch Anton Rubinstein ist hier mit einem wunderlichen Einfall
5N erwähnen. Von ihm erschien in der Mitte der fünfziger Jahre eine Klatner-
k°"ipvsition unter dem Titel .Mrostichou Laura." Das Heft ist einer Grafen
L"ura N. N. gewidmet und enthält fünf elegante Stücke, die nnter sich keinen Zn-
Wmnenhang haben. Das erste führt die Überschrift L, das zweite ist A genannt,
das dritte, vierte und fünfte heißen U. R. A - - und das Ganze ergiebt somit
wglos das .Mrostichou Laura." Wir erzählen keinen schlechten Witz; wer
sich überzeugen will, frage nach o?. J7 des gefeierter. Komponisten

Ehe wir vou der Zeit Abschied nehmen, in welcher Schumann selbst und-
^'irkte, sei noch einiger Komponisten gedacht, die mit ihren guten Klavierwerkeu
uicht durchgedrungen, teils ganz oder halb wieder in Vergessenheit geraten
Z" ihnen gehört der früh verstorbene Norbert Vnrgmüller, dessen



Dnss D. Red. elbe .M on, Hillers schriftstellerischer Vielgeschäfti^eit.
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nzbvtenIV. 1L82.
Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

an Karikatur streifen und abstoßen. Was für die Kinder der Welt geschrieben
ist. das ist hente veraltet, und was er den Freunden der Kunst gesagt hat. hat
sich verzettelt und nicht Stil und Zusammenhang erhalten/') Schade, schade! Denn
Hiller, wir wiederholen es, besaß ein starkes, eignes Talent, eine umfassende
MusiMldnug und Kunstfertigkeit. Er war ein Mann von Geist und von Witz,
vielleicht von zuviel Witz und Heiueschcn Tendenzen. Ju seinen Etüden und
um Genrestück mag ihn die klavierspielende Welt ja aufsuchen, in seinen größer.,
Mavierlompositioncu — das ..Konzert" in .Hochachtung ausgenommen — mit
Reserve. Einzelne seiner Arbeiten für Klavier sind überhaupt wenig bekannt
geworden — wie natürlich! Darunter rechnen wir die Sonate in einem Satze
(op- 78), welche einen jeuer obenerwähnten Versuche zur Auffindung neuer
Formen bildet und dem reinen Kunstgenuß. obwohl etwas bunt, einen reichen
Stoff kapriziös interessanter Natur bietet Dazu rechnen wir ferner seine Gha-
selen (op. 5.4) von denen namentlich die erste Nummer ausgezeichnet gelungen
ist- Reizend, 'prompt und immer von frischem erfrenlich tritt hier der Hnupt-
refrain in die Strophen ein. Die Form der Ghaselen ist von Haus aus musi¬
kalisch und von Alters her — allerdings erweitert — in der instrnmentaleu
Kunstmusik zur Anwendung gekommen, am deutlichsten in den italienischen Kon¬
zerten. Sie in die kleinen Grenzen des Genrestnckes zurückgeführt zu haben,
ist ein Verdienst Hillers, von welchem man sich hätte eine weiterhin nuregeude
Wirkung verspreche« dürfe», die sich bis jetzt noch nicht gezeigt hat. Verwandte
Unternehmungen, metrische Formen der Poesie in die musikalische Jnstrumental-
kompositiou zu übertrage», liegen allerdings vor. Anton Deprosse, em we¬
niger kraftvoller, aber im Sentimentalen sehr anziehender Komponist, der
mancherlei fiir Klavier geschrieben, hat in seinem ox. 21 (Vier Charakterstücke)
Ersucht, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Geßner in
ihren Weisen nachzuahmen. Der Ton der beiden Alten namentlich ist musikalisch
s^r gut getroffen Auch Anton Rubinstein ist hier mit einem wunderlichen Einfall
5N erwähnen. Von ihm erschien in der Mitte der fünfziger Jahre eine Klatner-
k°»ipvsition unter dem Titel .Mrostichou Laura." Das Heft ist einer Grafen
L"ura N. N. gewidmet und enthält fünf elegante Stücke, die nnter sich keinen Zn-
Wmnenhang haben. Das erste führt die Überschrift L, das zweite ist A genannt,
das dritte, vierte und fünfte heißen U. R. A - - und das Ganze ergiebt somit
wglos das .Mrostichou Laura." Wir erzählen keinen schlechten Witz; wer
sich überzeugen will, frage nach o?. J7 des gefeierter. Komponisten

Ehe wir vou der Zeit Abschied nehmen, in welcher Schumann selbst und-
^'irkte, sei noch einiger Komponisten gedacht, die mit ihren guten Klavierwerkeu
uicht durchgedrungen, teils ganz oder halb wieder in Vergessenheit geraten
Z„ ihnen gehört der früh verstorbene Norbert Vnrgmüller, dessen



Dnss D. Red. elbe .M on, Hillers schriftstellerischer Vielgeschäfti^eit.
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[0085] Die Klaviermusik seit Robert Schumann. an Karikatur streifen und abstoßen. Was für die Kinder der Welt geschrieben ist. das ist hente veraltet, und was er den Freunden der Kunst gesagt hat. hat sich verzettelt und nicht Stil und Zusammenhang erhalten/') Schade, schade! Denn Hiller, wir wiederholen es, besaß ein starkes, eignes Talent, eine umfassende MusiMldnug und Kunstfertigkeit. Er war ein Mann von Geist und von Witz, vielleicht von zuviel Witz und Heiueschcn Tendenzen. Ju seinen Etüden und um Genrestück mag ihn die klavierspielende Welt ja aufsuchen, in seinen größer., Mavierlompositioncu — das ..Konzert" in .Hochachtung ausgenommen — mit Reserve. Einzelne seiner Arbeiten für Klavier sind überhaupt wenig bekannt geworden — wie natürlich! Darunter rechnen wir die Sonate in einem Satze (op- 78), welche einen jeuer obenerwähnten Versuche zur Auffindung neuer Formen bildet und dem reinen Kunstgenuß. obwohl etwas bunt, einen reichen Stoff kapriziös interessanter Natur bietet Dazu rechnen wir ferner seine Gha- selen (op. 5.4) von denen namentlich die erste Nummer ausgezeichnet gelungen ist- Reizend, 'prompt und immer von frischem erfrenlich tritt hier der Hnupt- refrain in die Strophen ein. Die Form der Ghaselen ist von Haus aus musi¬ kalisch und von Alters her — allerdings erweitert — in der instrnmentaleu Kunstmusik zur Anwendung gekommen, am deutlichsten in den italienischen Kon¬ zerten. Sie in die kleinen Grenzen des Genrestnckes zurückgeführt zu haben, ist ein Verdienst Hillers, von welchem man sich hätte eine weiterhin nuregeude Wirkung verspreche« dürfe», die sich bis jetzt noch nicht gezeigt hat. Verwandte Unternehmungen, metrische Formen der Poesie in die musikalische Jnstrumental- kompositiou zu übertrage», liegen allerdings vor. Anton Deprosse, em we¬ niger kraftvoller, aber im Sentimentalen sehr anziehender Komponist, der mancherlei fiir Klavier geschrieben, hat in seinem ox. 21 (Vier Charakterstücke) Ersucht, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Geßner in ihren Weisen nachzuahmen. Der Ton der beiden Alten namentlich ist musikalisch s^r gut getroffen Auch Anton Rubinstein ist hier mit einem wunderlichen Einfall 5N erwähnen. Von ihm erschien in der Mitte der fünfziger Jahre eine Klatner- k°»ipvsition unter dem Titel .Mrostichou Laura." Das Heft ist einer Grafen L"ura N. N. gewidmet und enthält fünf elegante Stücke, die nnter sich keinen Zn- Wmnenhang haben. Das erste führt die Überschrift L, das zweite ist A genannt, das dritte, vierte und fünfte heißen U. R. A - - und das Ganze ergiebt somit wglos das .Mrostichou Laura." Wir erzählen keinen schlechten Witz; wer sich überzeugen will, frage nach o?. J7 des gefeierter. Komponisten Ehe wir vou der Zeit Abschied nehmen, in welcher Schumann selbst und- ^'irkte, sei noch einiger Komponisten gedacht, die mit ihren guten Klavierwerkeu uicht durchgedrungen, teils ganz oder halb wieder in Vergessenheit geraten Z„ ihnen gehört der früh verstorbene Norbert Vnrgmüller, dessen Dnss D. Red. elbe .M on, Hillers schriftstellerischer Vielgeschäfti^eit. ^e nzbvtenIV. 1L82.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/85>, abgerufen am 22.07.2024.