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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Erziehung der deutschen I"gerd zur Wehrhciftigkeit.

der Befestigung des Knaben in den militärischen Formen handelt, da wir,
wie gesagt, militärische Formen von den Turnplätzen gänzlich verbannt wissen
möchten. Übrigens beruhen die Vorschläge der Verfasser nicht lediglich auf
theoretischer Konstruktion, sondern auf einer unter der energischen Leitung des
derartigen Schuldirektors Scheibert in der Friedrich-Wilhelm-Schule zu Stettin
durchgeführten Organisation, welche zum Teile noch besteht und segensreiche
Früchte getragen hat.

Im Sommer soll dieser Organisation zufolge im Freien durch Spiele
Körper und Charakter gebildet werden, während im Winter neben dem auf zwei
Stunden wöchentlich zu beschränkenden Unterricht in den Turnhalle" je eine
viertel bis eine halbe Stunde auf den theoretischen Unterricht verwendet werden
soll, um dein Knaben den frohen Sinn jener Spiele erfassen zu lassen. Hierfür
ist ein besondres Handbuch ausgearbeitet, welches die Liebe zum Vaterlande, die
Treue zu Kaiser und Reich, das Verständnis für das innere Wesen deutscher
Kraft, für die Schlichtheit, Bravheit, Tapferkeit des Bürgers und Soldaten und
den Sinn für die vaterländische Geschichte erwecken soll. Die Darlegung des
deutschen Wehrsystems soll in den Schülern die Liebe zum Waffenhandwerk
fordern und sie für die Zeit ihrer Dienstpflicht vorbereiten. Diese Vorträge
sollen weder das Gedächtnis des Knaben beschweren noch seine Studien weiter
belasten, sondern von geeigneter Persönlichkeit in schwungvoller Weise vorgetragen,
den Geist des Knaben ermuntern, frisch und fröhlich machen, damit er in ernster
Zeit sich über die Bedenklichkeiten des Wehrlcbens erhebe. Die Organisation
des Turnwesens soll eine gemeinschaftliche, vom Direktor geleitete Angelegenheit
der ganzen Schule sein, die Beteiligung daran eine allgemeine. Dispensationen
sollen ausgeschlossen sein, sodaß Knaben, welche aus Gesundheitsrücksichten an
den Übungen nicht teilzunehmen imstande sind, Verwendung in solchen Ämtern
finden würden, denen sie vorstehen können.

Wir können an dieser Stelle auf die Details in Anordnung und Aus¬
führung, wie sie das in Rede stehende Buch angiebt, nicht näher eingehen. Es
sind Einzelheiten darin, über die sich vielleicht streiten ließe und die auch die
Verfasser, falls erbetene anderweitige Vorschläge, Wünsche und Verbesserungen
sie herantreten, einer weitern Prüfung zu unterziehen beabsichtigen. Im all¬
gemeinen scheint jedoch die Organisation des Schulwesens um deutscheu Schulen
Sinne solcher Vorschläge nicht allein möglich, sondern im höchsten Grade
wünschenswert, und wie ihre Durchführung zur Hebung des frischen, fröhlichen
^ngendsilmes jedes einzelnen gewiß wesentlich das ihrige beitragen würde, so
könnte auch der Vaterlandsfreund sie nur mit Freuden begrüßen als das wirk¬
samste Mittel zur Stärkung der Wehrhaftigkeit unsrer heranwachsenden Jugend.




Die Erziehung der deutschen I"gerd zur Wehrhciftigkeit.

der Befestigung des Knaben in den militärischen Formen handelt, da wir,
wie gesagt, militärische Formen von den Turnplätzen gänzlich verbannt wissen
möchten. Übrigens beruhen die Vorschläge der Verfasser nicht lediglich auf
theoretischer Konstruktion, sondern auf einer unter der energischen Leitung des
derartigen Schuldirektors Scheibert in der Friedrich-Wilhelm-Schule zu Stettin
durchgeführten Organisation, welche zum Teile noch besteht und segensreiche
Früchte getragen hat.

Im Sommer soll dieser Organisation zufolge im Freien durch Spiele
Körper und Charakter gebildet werden, während im Winter neben dem auf zwei
Stunden wöchentlich zu beschränkenden Unterricht in den Turnhalle» je eine
viertel bis eine halbe Stunde auf den theoretischen Unterricht verwendet werden
soll, um dein Knaben den frohen Sinn jener Spiele erfassen zu lassen. Hierfür
ist ein besondres Handbuch ausgearbeitet, welches die Liebe zum Vaterlande, die
Treue zu Kaiser und Reich, das Verständnis für das innere Wesen deutscher
Kraft, für die Schlichtheit, Bravheit, Tapferkeit des Bürgers und Soldaten und
den Sinn für die vaterländische Geschichte erwecken soll. Die Darlegung des
deutschen Wehrsystems soll in den Schülern die Liebe zum Waffenhandwerk
fordern und sie für die Zeit ihrer Dienstpflicht vorbereiten. Diese Vorträge
sollen weder das Gedächtnis des Knaben beschweren noch seine Studien weiter
belasten, sondern von geeigneter Persönlichkeit in schwungvoller Weise vorgetragen,
den Geist des Knaben ermuntern, frisch und fröhlich machen, damit er in ernster
Zeit sich über die Bedenklichkeiten des Wehrlcbens erhebe. Die Organisation
des Turnwesens soll eine gemeinschaftliche, vom Direktor geleitete Angelegenheit
der ganzen Schule sein, die Beteiligung daran eine allgemeine. Dispensationen
sollen ausgeschlossen sein, sodaß Knaben, welche aus Gesundheitsrücksichten an
den Übungen nicht teilzunehmen imstande sind, Verwendung in solchen Ämtern
finden würden, denen sie vorstehen können.

Wir können an dieser Stelle auf die Details in Anordnung und Aus¬
führung, wie sie das in Rede stehende Buch angiebt, nicht näher eingehen. Es
sind Einzelheiten darin, über die sich vielleicht streiten ließe und die auch die
Verfasser, falls erbetene anderweitige Vorschläge, Wünsche und Verbesserungen
sie herantreten, einer weitern Prüfung zu unterziehen beabsichtigen. Im all¬
gemeinen scheint jedoch die Organisation des Schulwesens um deutscheu Schulen
Sinne solcher Vorschläge nicht allein möglich, sondern im höchsten Grade
wünschenswert, und wie ihre Durchführung zur Hebung des frischen, fröhlichen
^ngendsilmes jedes einzelnen gewiß wesentlich das ihrige beitragen würde, so
könnte auch der Vaterlandsfreund sie nur mit Freuden begrüßen als das wirk¬
samste Mittel zur Stärkung der Wehrhaftigkeit unsrer heranwachsenden Jugend.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/75>, abgerufen am 01.07.2024.