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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Fischerin von ZAalamocco.

möge, und ein trauriges Lächeln stahl sich über seine Lippen. Ein guter Narr werde
ich ihr bleiben und noch manchesmal beifallen in dem Leben, zu dem sie geboren
ward und das sie wiedergewonnen hat. Ich habe es immer gewußt, daß sie von
anderm Blute ist als ich, und doch hätte ich meinen letzten Blutstropfen daran
setzen mögen, daß ich ihr ins Herz gewachsen sei wie sie mir. Und wieder streifte
sein Blick landeinwärts über die Düneninsel und richtete sich uach den roten Wolken
empor, und er meinte, daß er drüben im Westen dieselben mächtigen Purpur¬
streifen erblicke, in die er gestern mit Margherita geschaut. Doch mitten in
diesem Traum blitzte ein Strahl in Tonlos Auge auf, er lauschte mit scharfem
Ohr, lauschte wieder und atmete tief, wie er nie geatmet. Wenn ihn nicht
seine schmerzliche Sehnsucht betrog, so horte er über deu Sand des Dünenpfades
Schritte daherkommen, leichte, eilende, fliegende Schritte, die er unter taufenden
zu kennen meinte. Er sprang auf, er beugte sich weit vor, er sah im letzten
Abendlicht eine Gestalt herankommen, die er kannte, auch wenn sie wie jetzt in
nassem, eng anliegeuvem Gewand erschien. Ein jauchzender Laut klang in die
Abendstille hinaus, ein seliger Aufschrei Margherita! scholl ihr entgegen, und
daun flog er in wilden Sprüngen auf sie zu und fing die Daherfliegende,
beinahe Zusammenbrechende in seinen Armen auf. Tonio, mein Liebster, mein
armer Mann! stammelte sie unter seinen Küssen; Tonio, zürne mir nicht, daß
ich so spät heimkehre! Sie wollten mich nicht lassen, nicht zu dir lassen, und
ich mußte doch zu dir!




Zehn Tage später fuhren aus der Meerpforte von Malamvecv drei mächtige
Schiffe, auf denen die Kreuzbanner standen, in die See hinaus. Am Bord des
stattlichsten lehnte der deutsche Graf von Thann, mit seiner Tochter Margherita
und deren jungem Gatten, welcher die reiche Tracht der großen venezianischen
Schisfsherren trug, zu denen er künftig gehören sollte. Sie segelten nach dem
heiligen Lande hinüber, in Akkon oder Joppe ein stolzes neues Haus auszu¬
richten, zu dem Graf Friedrich reiches Gut, Marcantoniv und Margherita Mut
und Hoffnung und Liebe mit sich brachten. Von der Zinne des Kastells von
San Pietro winkten Vater Marco und Tonlos Brüder, die der Scheidende
reich begabt hatte, und Pater Girolamo ihre segnenden Wünsche nach. Der
Pfarrherr dachte mit froher Zuversicht der kommenden Tage und lächelte der
jüngstvergangenen, in denen er die zusammengeführt, die jetzt einträchtig und
innerlich versöhnt ein Leben und Wirken nach ihrem Sinne suchten.




Grmizbvien IV. 1882.8(i
Die Fischerin von ZAalamocco.

möge, und ein trauriges Lächeln stahl sich über seine Lippen. Ein guter Narr werde
ich ihr bleiben und noch manchesmal beifallen in dem Leben, zu dem sie geboren
ward und das sie wiedergewonnen hat. Ich habe es immer gewußt, daß sie von
anderm Blute ist als ich, und doch hätte ich meinen letzten Blutstropfen daran
setzen mögen, daß ich ihr ins Herz gewachsen sei wie sie mir. Und wieder streifte
sein Blick landeinwärts über die Düneninsel und richtete sich uach den roten Wolken
empor, und er meinte, daß er drüben im Westen dieselben mächtigen Purpur¬
streifen erblicke, in die er gestern mit Margherita geschaut. Doch mitten in
diesem Traum blitzte ein Strahl in Tonlos Auge auf, er lauschte mit scharfem
Ohr, lauschte wieder und atmete tief, wie er nie geatmet. Wenn ihn nicht
seine schmerzliche Sehnsucht betrog, so horte er über deu Sand des Dünenpfades
Schritte daherkommen, leichte, eilende, fliegende Schritte, die er unter taufenden
zu kennen meinte. Er sprang auf, er beugte sich weit vor, er sah im letzten
Abendlicht eine Gestalt herankommen, die er kannte, auch wenn sie wie jetzt in
nassem, eng anliegeuvem Gewand erschien. Ein jauchzender Laut klang in die
Abendstille hinaus, ein seliger Aufschrei Margherita! scholl ihr entgegen, und
daun flog er in wilden Sprüngen auf sie zu und fing die Daherfliegende,
beinahe Zusammenbrechende in seinen Armen auf. Tonio, mein Liebster, mein
armer Mann! stammelte sie unter seinen Küssen; Tonio, zürne mir nicht, daß
ich so spät heimkehre! Sie wollten mich nicht lassen, nicht zu dir lassen, und
ich mußte doch zu dir!




Zehn Tage später fuhren aus der Meerpforte von Malamvecv drei mächtige
Schiffe, auf denen die Kreuzbanner standen, in die See hinaus. Am Bord des
stattlichsten lehnte der deutsche Graf von Thann, mit seiner Tochter Margherita
und deren jungem Gatten, welcher die reiche Tracht der großen venezianischen
Schisfsherren trug, zu denen er künftig gehören sollte. Sie segelten nach dem
heiligen Lande hinüber, in Akkon oder Joppe ein stolzes neues Haus auszu¬
richten, zu dem Graf Friedrich reiches Gut, Marcantoniv und Margherita Mut
und Hoffnung und Liebe mit sich brachten. Von der Zinne des Kastells von
San Pietro winkten Vater Marco und Tonlos Brüder, die der Scheidende
reich begabt hatte, und Pater Girolamo ihre segnenden Wünsche nach. Der
Pfarrherr dachte mit froher Zuversicht der kommenden Tage und lächelte der
jüngstvergangenen, in denen er die zusammengeführt, die jetzt einträchtig und
innerlich versöhnt ein Leben und Wirken nach ihrem Sinne suchten.




Grmizbvien IV. 1882.8(i
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/685>, abgerufen am 29.06.2024.